Anhang der Ideen , Das ist Nicht viel) aber unter den heutigen Umständen eine Menge. Hinzu kommt der oben geschilderte Vorgang der Haltungskontrolle, der das immer wieder in die Arre alität ausschweifende Denken einschränkt. Der Solidaritäts schwärmer, der auf sein unsolidarisches Handeln aufmerksam gemacht wird, ist fortan dazu genötigt, seine Vorstellungen an Fakten zu orientieren. Indem alle ihr Tun und Reden miteinander vergleichen, legen sie, im Prinzip wenigstens, den schweren Block der Wirklichkeit frei, den es in der Poli tik zu bearbeiten gilt. Sie stellen sozusagen methodische Uebungen an, die der Vermittlung zwischen Theorie und Praxis dienen, sie unterziehen sich der Anstrengung, die Irre alität durch die Konfrontation mit unserem greifbaren Da sein zu blamieren. Kurzum, die Arbeitslager haben die Aufgabe, für ihren Teil den Auszug aus derimaginären Welt her- beizuführen, in der wir noch stecken. Sie sind nicht ein Mittel der Politik, sondern ein Mittel der Realisierung von Politik. Ihre etwaige Bedeutung entwickelt sich ^nicht innerhalb der politischen Sphäre, besteht vielmehr darin, eine solche politi sche Sphäre vorzubereiten, die es bisher in Deutschland kaum gegeben hat. Im Einklang mit dieser ihrer Bestimmung, der einzigen, die sie haben, ist es nicht ihre Funktion, die Gegen sätze zu versöhnen und eine Volksgemeinschaft zu eröffnen — wohin sie unter dem Druck derartiger ideeller Zumutungen kämen, wurde von mir zu zeigen versucht —.sondern die Gegensätze in ihrer Wirklichkeit herauszustellen und echte poli tische Kämpfe zu ermöglichen. Statt irgendeine definierbare politische Gesinnung zu Pflegen, sollen sie die Bedingungen schaffen, unter denen Gesinnungen überhaupt sinnvoll sind; statt die Radikalität aufzuheben, sollen sie ihr zu Wurzeln verhelfen. In einem Lagerbericht über den Empfang aus wärtiger Gäste schreibt Joseph Wittig: „Nicht zu vertrauens seliger Fidelitas wurden sie eingeladen, sondern wie Rosen- stock in seinem Gruße sagte, zu ,freundschaftlicher Gegnerschaft von Menschen, die sich in Beruf und Arbeit auseinanderleben müssen'. Durch keine Romantik wurde die Wirklichkeit der Gegnerschaft verhüllt." Das wäre in der Tat der eigentliche pädagogische Zweck der Arbeitslagerbewegung: aus Phan tomen, die sich bekämpfen, Gegnerzu machen, die w irk- In der Ma. trachtet, führt der herrschende Zustand bei jeder Gelegenheit in einen weltanschaulichen Doktrinarismus hinein, der sich ohne 'Rücksicht auf die Situation seiner Vertreter entfaltet. Kein Wunder: diese Vertreter tragen ihn nicht, sondern lassen sich diel eher von ihm soweit fortschwemmen, bis sie. (als Menschen) .verschwinden. Dadurch aber, daß die politischen Auseinander setzungen und Formulierungen nicht von der Wirklichkeit der Menschen, der zusamengehörigen Massen usw. begrenzt werden, erhalten sie leicht den Charakter der Irrea I i t ä t. Sie neh men eine Grundsätzlichkeit an, die realitätsfeindlich und nicht nur unreälisierbar ist; sie verdichten sich, zu Prinzipien, die auf die zu verändernde gesellschaftliche Materie nicht mehr zu rückweisen. Eine imaginäre politische Welt. Und was in ihr geschieht, ist selber imaginär; wie blutig immer es sein mag. * Wenn die Arbeitslager eine Aufgabe haben, so diese: zur Verwandlung des hier gekennzeichneten Zustands beizutragen. Das heißt, ihre etwaige Mission erstreckt sich nicht auf das politische Gebiet, sondern beschränkt sich rein und ausschließ lich aufs vorpolitische. Kein Königsweg führt von ihnen zu dem, was in des Wortes strenger Bedeutung Volksgemein schaft heißen darf; wohl aber können sie die Voraussetzungen für ein wirkliches politisches Handeln mitschaffen. - Sie können es zunächst dadurch, daß sie jungen Leuten aus allen möglichen Schichten, Parteien, Berufen die Gelegenheit geben, sich als existierende Wesen kennen zu lernen. Bis heute - weiß z. Ä. der Jdealthp eines Hitlermannes vermutlich nicht, daß außerhalb seiner Partei Menschen leben; ist er doch selber zum guten Teil eine Gesinnungsattrappe. Im Lager dagegen kann und muß sich jeder an Fakten stoßen, die rein von der politischen Ueberzeugung her nicht zu bewältigen sind. Man erfährt hier einwandfrei und unwiderleglich, daß Programme, soziale Forderungen usw. nicht als selbstherrliche Gebilde im luftleeren Raum wohnen, sondern einem menschlichen Sein von bestimmter Beschaffenheit entsteigen. Dies ist der Arbei ter und dies der Student. Dem Lagerteilnehmer werden seine Gegner sichtbar, er merkt, — zuerst bei den andern und dann bei sich selber —, daß den politischen Zielsetzungen etwas zugrunde liegt, das nicht in ihnen aufgeht, er ist zu beachten gezwungen, daß die sozialen Ideen lebendige Trä ger haben, die man nicht einfach als übersehen darf. Berlin, Anfang Oktober. Die Deutsche LuftsporL - Au § stellung am Funkturm enthält unter anderem eine Reihe von Flugzeugen, deren Aus sehen ungewohnt ist. Ihrer einige gehören vergangenen Zeiten an: .so dir Orvills Wright-Maschine usw. Wie-schnell diese Typen, hie bis auf die Urfledermaus Otto Lilien- thals alle dem 20. Jahrhundert entstammen, historisch geworden sind! Obwohl uns kaum mehr als Zwei Jahrzehnte von ihnen trennen, find sie schon weit hinter uns Zurückgeblieben und wirken heute linkisch und rührend wie Kinder. Noch schlenkern sie unbe holfen mit ihren Drähten herum, noch verfügen sie nicht über voll- ausgebildeLe Organe. Es ist wunderbar, sie Zu betrachten, und die gegenwärtigen Formen, die ohne Ursprung Zu sein scheinen, aus diesen primitiven Anfängen abzuleiten. Unmittelbar neben den museumsreifen Konstruktionen find neue aufgebaut, die in die Zu kunft vowusweisen und vielleicht bald ebenso überholt sein werden. Eine ist das „Flugzeug-Auto" mit zusammenklappbaren Wind- mühlenflügeln Mrhälk der Karosserie; -im andere das Lnd-AmpWmm^ Las sowohl auf dem Land wie auf dem Wassch niedergehen und große Strecken bewältigen kann. Phantastisch^ Geschöpfe, die zweifellos ihre endgültige Form noch nicht gefunden haben, aber bereits mit nicht Zu überbietender SelbstveHL^ eine Zeit vorwegnehmen, in der das Flugzeug so populär ist wlß ein Ford. Jeder Angestellte wird dann eines besitzen, vorausgss setzt, daß nicht gerade eine Krise ist, und die Luft wird voll seirtz von SonntagZausfliegern, die viel rascher wieder zu Hause sety werden als die Ansichtskarten, mit denen sie die Daheimgebliebmen über ihre fernen Zielpunkte unterrichten» Einstweilen allerdings ist dieser Jdealzustand noch nicht er4 reicht; wenn auch ein paar „Volksflugzeuge" ausgestellt sind, dO nur ungefähr 6000 Mark kosten. Sie befinden sich unter einem Haufen moderner Typen, die man hier alle aus nächster Nähe be sichtigen kann. Leider bin ich nicht Fachmann genug, um sie so zü würdigen, wie sie es von Rechts wegen verdienten, und begnügs mich daher mit der Erwähnung einer Maschine, die sich hohen Ruhm erworben hat. Es ist die Elli Beinhorns. Sie unterscheidet sich von einem Monument nur darin, daß sie nicht wie dieses von den Touristen aller Länder aufgesucht worden ist, sondern umgeq kehrt ihrerseits alle Länder aufgesucht hat, um sich dort vollkritzeltz zu lassen. Namen, Glückwünsche und Verse in sämtlichen Sprachen bedecken die Tragflächen, den Rumpf, und vergeblich sucht man auf dem ganzen Leib nach einem unbeschriebenen, verwundbaren Fleck. Das Flugzeug hat keine Andenken ryitgebracht, es ist selber zu einem einzigen Andenken geworden. Viel Platz beanspruchen die von Vereinen, Gruppen und Schuß len hergestellten Modelle und Flugzeuge jeder Art. Aus Grüns den der Billigkeit bevorzugen die Bastler Segelflugzeuge, deren geschweifte, hölzerne Flügel sich riesig dehnen und herrlich an§ Zusehen sind. Eines wird gerade in einer von der Ausstellungss leitung eingerichteten Werkstatt gebaut. Junge Bauhandwerke^ die sich auf einem offenen Podium schweigend Hand in Hand ar beiten, schneiden und pressen die Rippen des Tragwerks zurech^ Wie das anderswo zusammengetragene Material verrät, wird überhaupt für die Einbürgerung des Flugsports eine Menge getan. Die technischen Grundvorstellungen dringen in die Schu len ein, und die ganze Fliegerei hat längst ihr esoterisches Wesen verloren. Sie hätte es schon darum nicht Zu bewahren vermocht, weiß sich die junge Generation leidenschaftlich fürs Fliegen inteH essiert. Man schämt sich in der Ausstellung beinahe, ein Laie zch sein, so technisch gebildet sind die Schwärme junger Leute, die M lich sind. Alles übrige is ° t eine Sache der Politik und in dm Aus? ErkEinis begrenzten Zwecks der Bewegung, der von ihren Führern ganz scharf visiert werden muß, folgt in praktischer Hinsicht, daß alle „Gesinnungslager Me als°' in denen sich nur Mitglieder einer einzigen Gruppe oder Par tei Angehörige derselben Konfession usw- zusammensinden, abzulehnen sind. Sie verfehlen das mit den Lagern Gemeinte insofern, als sie bereits die Realität der politischen Sphäre voraussehen, deren Wirklichkeit erst zu begründen wäre. Auch die von starken Kräften erstrebte Mütarisierung des Be willigen Arbeitsdienstes machte natürlich die Funktion Laaer zunichte; weil sie ihnen unter anderem die Frecheit raubte, die sie als prinzipiell vorläufige GAnlde haben müssen. _Ueber die wirtschaftliche und ideologische Problematik des von manchen Kreisen befürworteten Arbeitsdienstiahres rst hier noch nicht zu reden.