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H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043382
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1926
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

ß 
lich, die Figur setzte immer neue Aeste an." , . 
Renz galt öfter als großer Sparmeister. Dennoch verstand 
er, mit vollen Händen zu spenden, wo es am Platze war, wo 
nicht, knauserte er allerdings. Auf die „Freiberger" — jene Leute, 
die. ohne zu zahlen, der Vorstellung anwohnen möchten — war ec 
schlecht zu sprechen. Konnte er einmal solch erneu Patron wcht 
loswerden, ging er mit ihm zur Kasse, erlegte für ihn das Geld aus 
eigener Tasche und überreichte dem nicht wenig Beschämten feierlich 
sein Billett." 
— Glücksritter An der Neuen Li ch t b ühn e werden zur 
Zeit zwei Filme gezeigt, die trotz ihrer Bejahrtheit noch sehensswert 
sind. In dem einen „Der RiLtumsGlück" spielt Douglas 
Fairbanks die Hauptrolle. Er ist schnurrbartlos, ein gehobener 
Tom Mix. Geschäfte führen ihn, der als Cowboy in allen Sätteln 
und ohne sie gerecht ist, nach New Dork, wo er im Smoking aufzu- 
Lreten gezwungen ist und sich nach den Abenteuern der Pamvas 
sehnt. Sie werden ihm bereitet. Man erwirbt sich seine Dankbar 
keit dadurch, daß man ihn eine schöne junge Frau aus Räuberhän 
den befreien läßt, Kellerverließe für ihn herrichtet und dergleichen 
mehr. Die Pointe ist, daß die von ihm ernstgemeinten Szenen 
Schauspielerei sind. Indessen entführt er oarum doch mit Ernst die 
Braut. -- In dem Film „Millionenkompagnle" wird ein 
schwieriger Kriminalfall entfaltet. Ein junger Juwelier, der die 
Tochter seines Chefs heiraten soll, gerät in den Verdacht, einen 
Raubangriff auf sich selber inszeniert zu haben. Es ist nicht ge 
schehen, ebensowenig sind die künstlichen Diamanten künstlich, die ein 
Chemiker hergestellt zu haben behauptet. Kenner von Detektivromanen 
werden erraten, daß diese Retortenprodukte in Wahrheit die ge 
stohlenen Steine sind. Aber für den Chemiker spricht, daß er diese 
Sache nur fingierte, um eine andere Erfindung durchzusetzen und 
vor allem: um die Verschwendungssüchte der großen Weltdame 
Olga Tschechowa zu befriedigen. Man läßt ihn laufen wenn 
er nach Amerika auswandert, und ein jeder Lebenskenner wird es 
für wahrscheinlich halten, daß die Weltdame aus Liebe zu ihm sich 
drüben in die einfachsten Verhältnisse schicken will. 
Die Schöpfung des Dummen August wird Tom Bel - 
mng zugeschrieben. Der Verfasser berichtet darüber: 
„Belling war Ende der sechziger Jahre bei Renz als Komiker 
(die Bezeichnung Clown war dazumal in Deutschland noch nicht 
Das Mach vom Zirkus. 
Das im Verlag Ed. Lintz A.-G. (Düsseldorf) erschienene: 
„Buch vorn Zirkus" von Joseph Halperson will nicht 
mehr sein als eine Skizzensammlung aus dem Reich der Wander- 
künstler. Es kann nicht mehr sein, denn der Historiker des Zirkus 
hat sich noch nicht gefunden. Vorarbeiten bleiben zu leisten, man 
ist auf mündliche Quellen angewiesen. Halpersons Buch macht 
einen ernsthaften Beginn mit der Inventarisierung des Stoffes. 
Es ist liebenswürdig geschrieben und stellt die Tatsachen zu 
sammen, ohne an der Deutung der Phänomene sich zu verheben; 
eine Leistung, deren Wert nicht zuletzt in ihrer Selbstbescheidung zu 
suchen ist. 
Der Zeitpunkt, in dem sie den Zirkus der unausbleiblichen 
historischen Betrachtung erobert, ist glücklich gewählt. Mit dem 
Niedergang der alten sozialen Ordnung fallen die durch die klassi 
sche Aesthetik gesetzten Grenzen, die von der hohen Kunst die der 
Manege ängstlich sondern; diese kann ihren Sinn unverstellter nun 
zeigen. Zudem hat die naive Entwicklung des Zirkuswesens, so 
scheint es, ihren Abschluß gefunden. In den letzten Jahren vor 
dem Krieg war die Zahl der Unternehmungen auf dem Kontinent 
von 200 (zu Anfang des Jahrhunderts) auf annähernd 70 herab 
gesunken. Mr Betrieb hat sich aus wirtschaftlichen Gründen 
amerikanisiert. Die Späße der Clowns bedürfen der Auffrischung. 
Die Direktoren suchen Reiterfamilien. 
Halperson berichtet nach einem flüchtigen Blick auf die Antike 
und das Mittelalter über die Heraufkunft des Zirkus in den 
verschiedenen Ländern. Einen Ehrenplatz nimmt England ein, 
das Mutterland der equestrischen Künste; als einer der ersten 
Kunstreiter wird ein gewisser Price um 1760 genannt. Die erste 
Manege ist 1767 in P a r i s gegründet worden. Der Chronikeur 
verzeichnet Programme aus jener Frühzeit und sammelt die Pro 
minenten der Pferde- und Reiterwelt. Die Kollektion ist inter 
national. Von der amerikanischen Wanderschau erstreckt sie sich 
zum Wiener Oiraus von Buffalo Bill zu Clara 
Schumann. Da ein Stamm von Familien das Zirkusleben 
durchwächst, wird dynastische Geschichte getrieben. Der Glanz 
der Höfe ist dahin, die Enkel großer Prinzipale herrschen un 
vermindert über Stall und Manege- Der alte Renz, Wilhelm 
Carre, Gotthold Schumann, Kommissionsrat Paul Busch, Pierre 
Althoff: alle die Gewaltigen erstehen in Mimaturen. Auch 
die neueren Sterne wie Hagenbeck, Sarrasani, Krone sind regi 
striert. Es fehlen nicht Erinnerungen an bedeutende Artisten 
jedes Zweigs, die Clowns' werden nach Typen geschieden. Das 
Gebiet ist ansehnlich: es umfaßt die hohe Schule, den Luft 
schwung, Löwenauftritte und die Purzelei. Immer neu wirken 
diese Künste. Sie verwandeln das natürliche Leben in die 
abstrakte Bewegung, verräumlichen den Instinkt zur mathemati 
schen Figur. 
Viele Stiche und Photographien schmücken das Buch. 
Zylinder und Jockeimütze, Flitterkleid und Clownskostüm sind die 
entscheidenden Attribute. Die Schnurrbärte der Direktoren para 
dieren in Wichs, aus dem eng geschnürten Mieder der Schulreiterin- 
nen quillt es schön und prächtig hervor. Mit den Menschen ver 
schmelzen die Pferde. Man steht sie in Ruhe und in kunstreichem 
Trab, alle Tugenden vereinen sich in ihrer Gestalt. Der Ablauf 
der Zeit selber stellt in diesen Photographien sich dar; sie zeigen 
das immer Gegenwärtige und das restlos Vergangene. Während 
die Haltung der Reiter und Reiterinnen und das mit der Haltung 
Gemeinte bleibende Gültigkeit hat, sind die Trachten und Gesichter, 
ist die ganze individuelle Körperlichkeit ein für allemal geschwun 
den. Der Sir-, der menschlichen Erscheinungen ist hier nicht die 
Persönlichkeit, irgend eine imaginäre dauernde Einheit des Leibes 
und der Seele, sondern eine zuchtvolle Bewegung, eine ungewohnte 
Gebärde, eine zum Linienzug gereinigte Materie. Umso erloschener 
«wirkt das Bild des Stofflichen, das als einmalige Individualität 
üblich), Springer und Szenen-, speziell r>L§-äe-äeux-Reiter enga 
giert. Als Komiker ragte er übrigens nicht sonderlich heraus, und 
es gab unter den Fachleuten auch späterhin noch 'manche, die be 
merkenswert genug, Belling eigentliche „vio cornicL" absprachen. 
Um so eigenartiger, daß es gerade ihm gelungen war, der popu 
lärste Zirkuskomiker aller Zeiten Zu werden. Belling, Zu aben 
teuerlichen Streichen stets aufgelegt, soll nun einst vom gestrengen 
Direktor Zu Garderobenarrest verdonnert worden sein. Da habe 
er sich aus Langeweile, Ulk, Verzweiflung oder in weinstiger! 
Stimmung eines Abends als ruppiger Stallmeister heraus-! 
staffiert und sei unversehens dem „Alten" in die Quere gekommen, 
der, die Wirkungsfähigkeit dieser kuriosen Aufmachung allsogleich 
witternd, den nicht wenig erschrockenen Flüchtling anwies, so, 
wie er dastand, sich in der Manege zu zeigen, wobei der alte Herr 
ein wenig mit dem Krückstock nachgeholfen habe. 
Die andere Lesart der Geburt des „August" hat eine kleine 
Vorgeschichte, die aus glaubwürdiger Quelle stammt. Da sei ge 
legentlich eines Gastspiels Renzens in Petersburg anfangs der 
siebziger Jahre der Oberrequisiteur des Zirkus, ein krummbeiniger, 
sein Haar in langen Locken tragender Mann, namens Mach- 
heine, eines Abends in rasch improvisierter Stellvertretung 
eines nicht anwesenden Stallmeisters in seinem ramponierten 
Arbeitsfrack, der von den schmucken Uniformen der Stallmeister 
erheblich abstach, in der Manege erschienen, um die Reifen zu 
halten, und hier auf Anstiften der Clowns mitten in die vorberei 
teten Seidenpapierballons geplumpst, was vom Publikum mit um 
so größerer Heiterkeit ausgenommen wurde, als der ergrimmte 
Requisiteur die Clowns bis in die Sitzreihen hinauf verfolgte, ge 
willt, sie ordentlich Zu verhauen. Der durch ein paar Taler rasch 
wieder Besänftigte sei von Renz veranlaßt worden, diese Szene noch 
ein paarmal zum besten zu geben. — Die Episode war bald wieder 
vergessen, und Machheine hatte inzwischen das Zeitliche gesegnet, 
als Renz, sich gelegentlich jener Szene erinnernd, Belling anwies, 
in ähnlicher Art wie Machheine als komischer Stallmeister aufzu- 
Lreten. Sei dem nun wie immer: Eines Abends des Jahres 1873 
präsentierte sich Belling in seltsamer Verkleidung, mit struppiger 
Perücke, rötlich blinkender Nase in der dummpfiffigen Visage mit 
den verwundert blickenden Augen und schlecht passendem Uniform- j 
srack. Noch unschlüssig, wie die Sache eigentlich am besten anzu- 
stellsn, sei er, über die Manegebrüstung stolpernd und hierbei zu 
Fall gekommen, von einem vorwitzigen Berliner Jungen auf der 
Galerie mit „Aujust" apostrophiert worden und habe, nicht etwa 
im Spaß, vielmehr im vollsten Ernst einen wütenden Blick auf die 
Galerie geschleudert, was die Spaßhaftigkeit der Situation natür 
lich nur erhöhte. Die anderen Nuancen fanden sich dann allmäh- 
sich gibt. Die Züge der Therese Renz in ihrer . Besonderheit rufen 
das Totenreich herauf, die Ringellöckchen der Ellen Kremzow 
kehren nicht wieder. An Reiterszenen, die wie stets so auch heute 
vorgeführt werden, haben diese Menschen sich hingegeben, 
als sie noch ritten. Ihr Porträt spiegelt das schon zu ihren Leb 
zeiten Vergangene, die Zeit in ihrer Schrecklichkeit ersteht in ihm. 
4- - 
Einiges Anekdotische aus dem Buch sei mitgeteilt. Zunächst 
ein paar Geschichten vom alten Renz. ,Ms er- sich einmal," so 
heißt es, „herbeigelassen, das Opernhaus zu besuchen, und den 
Klängen der Ouvertüre lauschte, da klopfte er mit eNem Male er 
regt mit dem Krückstock und brach knurrend in die denkwürdigen 
Worte aus:„Jetzt haben mir die Kerls richtig meine beste Schul- 
musik gestohlen!" 
Ferner erzählt Halperson: „Für Künstlerlaunenwar Renz nicht 
zu haben. Da war um die Mitte der siebziger Jahre der berühmte 
amerikanische ReiM Fr sh bei ihm engagiert und gefiel sehr. 
Fish prahlte Kameraden gegenüber, die attraction" sei er. 
Und das Publikum käme hauptsächlich seinetwegen in den Zirkus. 
Renz, der davon erfahren hatte, setzte am nächsten Abend Fish als 
„Nummer eins" aufs Programm, nicht ohne auf den Plakaten ver 
merken zu lassen: „Die Vorstellung eröffnet der amerikanische Reit- 
künstler C. W. Fish in seinen außerordentlichen Leistungen". Aber 
das Publikum hatte sich gewohnheitsmäßig zu Beginn der Vor 
stellung noch nicht sehr zahlreich eingefunden, und auch der Peifall 
war demgemäß nicht allzu warm. Dies wiederholte sich an den zwei 
folgenden Abenden. Als Fish daraufhin bei Renz Beschwerde führte, 
daß ihm die „undankbare" Nummer eins im Programm zugewiesen 
sei meinte dieser: „Ich dachte, Mr. Fish, das Publikum käme 
ihretwegen in den Zirkus, da sollte es doch zu Nummer eins auch 
schon da sein, zumal es ja verständigt wurde!" Und nun spielte der 
„Alte^ seinen Haupttrumpf aus. Zu seiner peinlichen Ueberraschung 
fand Fish am Tag darauf seinen Namen nicht aufs'Programm gesetzt 
und ebensowenig an den folgenden beiden Abenden. Und siehe da: 
der Zirkus war stets dicht gefüllt. „Sie sehen," mernte Renz zu dem 
verdutzten Reitersmann, „Sie brauchen gar nicht zu reiten, und das 
Publikum kommt doch!" So kurierte der alte Herr Künstlereigen 
dünkel.
	        

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