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H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
HS01314865
Title:
Rilke, Rainer Maria: Notizbuch T41 [Verschiedenes]
Document type:
Manuscript
Collection:
Manuscripts
Year of publication:
1923
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Language:
Deutsch
Französisch
Other titles:
Taschenbuch 41

Full text

„Im Westen nichts Jenes." 
Zum Remarque-Tonfilm. 
Berlin, Anfang Dezember. 
Der amerikanische Remarque-Tsnfilm, der beinahe überall im 
Ausland gezeigt worden ist, hat bereits vor der Berliner Pre 
miere die deutsche Öffentlichkeit erregt, ja sogar eine Meinungs 
differenz zwischen Zwei hohen Behörden heraufbeschworen: dem 
Auswärtigen Amt und dem Reichswehrministe 
rium. Aeußerte jenes auf Befragen der Filmprüfftelle, daß es 
keine Bedenken gegen den Film habe, so behauptete dieses, daß 
der Film das Ansehen der deutschen Armee und damit das deut 
sche Ansehen überhaupt gefährde. Auch eine deutschnationale 
Kleine Anfrage, die im Preußischen Landtag eingegangen ist, wollte 
schon im voraus angebliches Unheil verhüten; erklärt sie doch un 
umwunden, in dem Firm werde „unsere deutsche Jugend ver 
höhnt und als unmännlich dargestellt. Die Tendenz laufe auf eine 
Verächtlichmachung der opferbereiten Vaterlandsliebe hinaus". 
Die Filmprüfftelle hat zum Glück den Film doch freigegeben. 
Er ist im Mozartsaal angelaufen und mit Ergriffenheit aus 
genommen worden. Aus eigener Kraft widerlegt er die törichten 
Anschuldigungen, die ein falsch verstandener Patriotismus und 
parteipolitische Bedürfnisse gegen ihn erhoben haben. Weder ver 
ringert seine deutsche Fassung — sie ist eine verkürzte Ausgabe 
der amerikanischen — das Ansehen der alten Armee noch ver 
höhnt sie die deutsche Kriegsjugend. Aber ich verstehe gut, daß 
ihre Vorführung manchen Leuten unangenehm ist. 
Denn immerhin: der Film macht de* Krieg nicht schmackhaft. 
Weniger durch seine Schreckensbilder als durch den strikten Nach 
weis, daß das Heldentum draußen in den Schützengräben nicht 
standhält Es wird gründlich desavouiert. Hat der Film ein Ver 
dienst, so dieses: die Hohlheit des widerwärtigen idealistischen Ge- 
schwöges Zu entlarven, mit dem der Schulprofeffor seine Jungen 
in den vorschriftsmäßigen Begeisterungstaumel versetzt. Sie ziehen 
als Kriegsfreiwillige hinaus und erfahren schnell, daß die Wirk 
lichkeit des Kämpfens, Hungerns und Sterbens sich von den 
schwindelhaften Trugbildern unterscheidet, die ihnen im Hinterland 
vorgegaukelt wurden. Der Heroismus fällt von ihnen ab, die Ideen, 
denen sie zu gehorchen glaubten, verwandeln sich ihnen in 
Ideologien, und ein Sinn ist nicht mehr zu greifen. Wenn sie 
trotzdem weitermachen, geschieht es hier aus Notwehr und aus 
jenem Herdentrieb, der dem einzelnen die Absonderung untersagt. 
s Wird durch diese planmäßig durchgeführte Entzauberung der 
Krieg geschändet? Es hat zwar den Anschein, als wolle das Film 
werk Stimmung gegen ihn machen, aber in Wirklichkeit dringt es 
genau so wenig wie das Buch von Remarque über die Stimmung 
hinaus bis zum Kern vor. Gewiß fallen in den Dialogen ernrge 
Bemerkungen, denen das Premierenpublikum laut und beifällig zu- 
stimmte. So meint einer, daß zwei Völker sich schlechterdings nicht 
beleidigen könnten, und ein anderer schlagt vor, daß in Zukunft sich 
nur die Kriegshetzer, die Fürsten und Generale bekriegen sollen. 
Doch was besagen solche unverbindlichen Floskeln wider die Tat 
sache des Kriegs? Statt die Frage nach feiner Herkunft zu stellen 
oder ihm mit politischen und sozialen Argumenten auf den Leib 
zu rücken, bleiben Film und Buch in kleinbürgerlichen Ausbrüchen 
des Mißbehagens stecken, die den Bildern des Grauens keine ge 
nügende Unterstützung Zu leihen vermögen. Paul, einer der jungen 
Freiwilligen, wird gelegentlich seines Urlaubs vom Schulprofeffor 
aufgefordert, vor die Klaffe zu treten und sie durch eine kurze An 
sprache zu entflammen. Er weigert sich, dem Professoraten Helden 
gewäsch Zu sekundieren, beteuert verzweifelt, nicht reden zu können. 
Diese Stummheit kennzeichnet die höchst anfechtbare Neutralität 
! des Films (und natürlich auch des Romans). Sie ist der Er 
kenntnis feindlich. Sie steigert den Krieg zum mythischen Schick 
sal empor, das er nicht ist, und belaßt ihm die Ünabwendbar- 
keit, die er nicht hat. Ich befürchte, daß die Kriegslüsternen unter 
den Jungen durch den Film nicht imvon zurückhaltsn werden, neue 
Heldentaten Zu begehen. Und ich schätze, das Reichswehrministerium 
habe gar keinen Grund, so sehr in Sorge zu sein. 
Das soll nicht heißen, daß der Film die Gemüter unbehelligt 
entläßt. Er strapaziert sie nicht minder wie „Westfront 1918", der 
bekannte Kriegsfilm des Regisseurs Paöst. Beide Werke stimmen 
in der Grundhaltung miteinander überein; nur unterstreicht der 
deutsche mehr als der amerikanische die Monotonie der Whützen- 
grabenjahre und tritt auch vielleicht etwas ausdrücklicher gegen den 
Kricgswahnflnn auf. Dafür arbeitet der Remarque-Film die^ 
Einzelgestalten mit unvergleichlicher Deutlichkeit heraus, ohne um 
ihretwillen den Gang der allgemeinen Ereignisse zu vernach 
lässigen. Sein Hauptthema: die Ernüchterung der kleinen Sol 
datengruppe, wird in einer Szene festgehalten, die hatten bleibt. 
Die Jungen umstehen im Lazarett das Bett ihres Kameraden, 
und einer von ihnen vergißt buchstäblich den Sterbenden über der 
Mer nach seinen Stiefeln. Da er immer Blasen an den Füßen 
hat, nimmt er sich einfach die Stiefel angesichts des Todes. Das 
ist unsentimental gemacht, das ist wahr. 
Unter der Regie von Lewis Milestone ist der Film mit 
i großem Apparat, bewundernswertem technischen Können und einer 
außerordentlichen Wirklichkeitstreue hergestellt worden. Der alt 
modische Schlachtendonner differenziert sich zum Ineinander der 
verschiedensten Höllengeräusche, und alle KrisgZbilder früherer Zeit 
verblüffen vor den Nahkampfszenen, die sich hier nah an den Be 
schauer herankämpfen. Die Episoden wuchern ein wenig zu üppig, 
aber in ihrem Gerank findet sich eine wunderschöne, die wie eine 
kleine traurige Blüte aufsprießt. Es ist jene, in der Paul der 
Französin einen Besuch abstattet. Man sieht die beiden nicht, man 
hört sie nur im Schlafgemach, dessen rührende Armut sich unge ¬ 
schminkt darbietet, über ihr flüchtiges Zusammensein und das 
Unglück des Krieges reden. Leider passen sich die nachträglich ein 
montierten deutschen Worte den Mundbewegungen der Amerikaner 
oft nur mangelhaft an. (Soll der tönende Film die Internatio 
nalist des stummen bewahren, so muß man entweder das Schwer 
gewicht von den Dialogen zurück aus die Bilder und auch auf die 
Geräusche verlegen oder jeden Film von vornherein in allen 
Hauptsprachen drehen. Der Versuch, amerikanische Sprecher für 
deutsche auszugeben, ist ein Unding.) 
Was ich seinerzeit über die begrenzte aktuelle Bedeutung von 
„Westfront 1918" schrieb, gilt auch für den Remarque-Film. „Schon 
ist eine Generation ins Alter der Reife gerückt," lautete die be 
treffende Stelle in meinem t^maligen Bericht, „die jene Jahre 
nicht mehr aus eigener Erfahrung kennt. Sie muß sehen, immer 
wieder sehen, was sie nicht selber gesehen hat. Daß ihr das Ange 
schaute zur Abschreckung diene, ist unwahrscheinlich, aber wissen 
soll sie, wie es gewesen ist. Es kommt hier aufs Wissen an, nicht 
auf den mit ihm verbundenen Zweck." Anschauungsunterricht ist 
zweifellos nützlich. Aber es scheint mir, noch nützlicher wären 
jetzt Filme, die uns nicht nur die Greuel der Kriege zeigten, son 
dern ihre Entstehungsursachen aufdeckten und ihre wirklichen 
Folgen» S. Krakauer. 
-die Aufgabe zu, das jeweils Zusammengehörige zu ermitteln. 
Eine ähnliche Mühe wird ihm auch beim „Zaub e rschra nk" 
zugemutet. Dieser Schränk birgt eine unbetleidete Puppe und 
mehrere Kostüme, die den typischen Trachten Robinsons, W lhelm 
Tells, Robin Hoods und anderer bekannter Kinderbuchhelden aufs 
Haar gleichen. Nach dem Eintritt ins Museum empfängt nun 
jedes Kind eine Kupfermarke mit dem Namen einer dieser 
Figuren und mag dann mit Hilfe der Kostüme die Puppe im 
Schränk zum Ebenbild des Namensträgers verzaubern. Es kann 
sich auch in einem Raum, der: ,Mas gefällt mir mehr?" genannt 
wird, seine eigene Ausstellung arrangieren. Die Wände des Raums 
hängen voller Papptafeln, die vorne und hinten mit einander 
kontrastierenden Bildern beklebt sind. Unter jeder von ihnen wird 
der kleine Besucher ausdrücklich aufgefordert, beide Seiten zu be 
trachten und die Pappe einfach umzudrehen, wenn ihm das rück 
wärtige Bild mehr Zusagen sollte. Nicht zuletzt ist der Druckerei 
Zu gedenken, in der sich die Kinder Versähen, Einladungstarten 
i und ihren Namen drucken. 
Lustig sind ihre Urteile über das Gesehene, die sie auf 
> einer Wandzeitung niederschreiben dürfen. Eines teilt mtt. daß 
ihm in der Ausstellung die und die Gegenstände gut gefallen hät 
ten „und besonders alles". Ein anderes beklagt sich oarüber, daß 
das Mädchen, das d ' Druckerei bediene — es war erst zwölf 
Jabre alt — die Bescher nicht heranlasse, sondern immerfort 
selbst drucke. „Ist das in Ordnung, Onkel?" fragt das Kind und 
fügt hinu, daß es selber diesen Zustand ruckt billigen könne. Ein 
drittes wünscht, daß seiner Bibliothekarin von Dr Meksin befohlen 
' werde, alle Bücher anzuschasfen, die Zwar hier rn der Ausstellung, 
nicht aber in der dem Kind Zugänglichen Bücherer vorhanden seien. 
— Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß das Gesicht des-Er- 
Zählers vor Freude erglänzte, als er mir von diesen winzigen^ 
z Ereignissen berichtete. Trifft die Erklärung zu, mtt der er die 
Herkunft seiner erzieherischen Tätigkeit begründete, so muh er. es 
i wirklich in seiner eigenen Kinderzeit sehr schlecht gehabt haben.
	        

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