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H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043381
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1924
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Vrokestaulismus und moderner Geist. 
Ein Vortrag Gogartens. 
Vor kurzem sprach Pfarrer Friedrich Gogarten in Frank 
furt über das Wesen des Protestantismus. Der nahezu 
zweistündige Vortrag brächte vorwiegend eine Auseinandersetzung 
mit dem „modernen Geiste", das heißt mit dem nachkantischen 
idealistischen Denken, dessen Bestimmungen Gogarten in 
scharfer Zuspitzung die Bestimmungen des echten, des r e formn- 
tori scheu Protestantismus entgegensetzte- Von der Dialektik des 
in der Denksphäre — oder doch an ihrer Grenze — sich absprelendsn 
Kampfes Mit der idealistischen PHilosophie scheint Gogarten so ganz 
ergriffen, daß auch sein? ins Positive weisenden Aus-agen noch die 
Spuren dieses Kamvfes tragen; wider die idealistische These wird 
hart die Antithese des Protestantismus auffgerichtet, und ein 
prinzipieller Gegensatz — prinzipiell und unversöhnlich, wie Gegen 
sätze lediglich im Bereich des Denkens sind — tut sich zwischen 
beiden Positionen auf. Ob solche konstruktive Entwicklung der pro 
testantischen Position schon auf dem -eigenen Grunde dieser Position 
erfolgt oder nicht am Ende sich noch innerhalb der Sphäre des 
Idealismus selber vollzieht, sei hier nur als Frage aufgeworftn, 
da eine kritische Erörterung der Haltung Gogartens anderer 
Zurüstung bedürfte. Der folgende Bericht beschränkt sich bewußt 
auf eine sachliche Wiedergabe des Vortrags, insoweit er gegen den 
Idealismus sich wandte; die prägnanten Formulierungen uns 
Gegenüberstellungen Gogartens sollen hierbei nach Möglichkeit ge 
treu in das Referat einbezogen werden. 
Der Protestantismus hat auf zwei Arten seinen Frieden mit 
der modernen Welt geschlossen: entweder er zieht sich mit schlechtem 
Gewissen von ihr zurück oder er aeht mit autem Gewissen^ nahezu 
der Idealismus die Wirklichkeit zu gewinnen, wenn er 
das Ich aus der Sphäre der Bedingtheit loslöst und 
in die Sphäre der öindungslosen Freiheil erhebt. Es 
gehört die ganze Blindheit des modernen Geistes dazu, um nicht 
- zu sehen, daß von diesem Persönlichkeitsgedanken nicht die Spur 
bei den Reformatoren zu finden ist. Das Ich nämlich, das sie 
meinen, ist gerade keine Idee, sondern wird wirklich nur dann, 
wenn es auf seine Verabsoluti-erung verzichtet und sich in die 
Bindung durch das Objekt hineinbegibt. Im Gegensatz 
zu dem schlechthin schöpferischen Ich des modernen Individualis 
mus weiß ihr Ich sich von derselben Macht geschaffen, die auch 
das Du geschaffen hat, und die Gegebenheit des Ich und des Du 
wie ihre Unterschiedlichkeit wird von ihnen Gleicherweise anerkannt 
Der „Anspruch des idealistischen Ichs, allein Wirklichkeit zu sein, 
enthüllt sich von hier aus als widergöttliche Üeberheb- 
lichkeit, die sich an Gottes Stelle selber setzen möchte/ 
In seinen folgenden Ausführungen ging Gogarten noch auf 
das die Wirklichkeit konstituierende Jch-Du-Verhältnis näher ein. 
Er wies hierbei in „sehr zugespitzten Prägungen die Auffassung 
ab, daß dieses Verhältnis durch die sittliche Tat bezeichnet 
und begründet werde. Für die sittliche Tat, so führte er aus, die 
ihr Gesetz in sich selber trägt, ist das Ich das erste Wort, und ste 
kennt das Du lediglich als gleichgerichtetes Ich. Damit entschwindet 
ihr das Du unter den Händen, und ein Ich Reibt zurück, das 
feinen Gott nur. in sich hat, das also selber auch entschwindet. 
Wirklich aber wird der Mensch nicht, wenn er l sich auf seinen 
innersten Grund zurückzieht, sondern wenn er dem Du begegnet. 
Diese Scheidung, diese Grenz.? aushalten, statt sie aufheben, heißt 
in der Wirklichkeit stehen, die immer Zweiheit, Ich und Du ch 
Nur wer die Grenze gewahrt und wahrt, kann den Ngmsn Lieb 
für die Wirklichkeit nennen. Mit dieser Liebe ist nicht der Eros 
gemeint, von dem nach Gogarten das Gleiche gilt wie von der 
Mlicken Tat: daß er das Du nicht anerkennt. Zwar w- 'ü er irn 
völlig in ihr auf. Das Dogma von der Identität des Protestantis 
mus mit dem modernen Geist wird heute vielfach verkündet. Man 
läßt mit der Reformation die Neuzeit beginnen oder schiebt, wie 
Troeltsch es tut, den Altprotestantismus dem Mittelalter zu, um 
dafür den Neu protestantismus umso entschiedener mit der 
modernen individualistischen Kultur in Einklang Zu bringen. 
Gogarten verwirft diese These. Oder vielmehr: er stellt fest, 
daß nicht der Protestantismus der Reformatoren, sondern allem 
der Protestantismus der Täufer, Spiritualisten und 
Humani st e n kontinuierlich fortwirke. Die Bedeutung des eigent 
lichen Protestantismus für die moderne Welt ist dagegen nach ihm 
eine lediglich negative; er hat nur die Hemmungen beseitigt, 
die der Katholizismus dem modernen Denken noch entgegensetzte. 
Der Versuch Troeltschs, zwischen dem Protestantismus und dem 
modernen Geist Frieden zu stiften, ist darum in Wahrheit auf Kosten 
des Protestantismus erfolgt. 
Obwohl der protestantische Mensch genau so wie der katholische 
durch den neuzeitlichen Individualismus vergewaltigt wird, darf 
man sich doch der bitteren Erkenntnis nicht verschließen, daß der 
Protestantismus bei dem Aufbau der modernen Welt mittel 
bar stark beteiligt ist. Die Reformatoren haben der Einheit des 
Katholizismus, wie brüchig sie auch schon vorher gewesen sein mag, 
den entscheidenden Stoß versetzt und haben das mit vollem 
Bewußtsein getan, da sie die sakrale Gültigkeit der katho 
lischen Formen und Bindungen als menschliche Willkür empfan 
den. Aber freilich, sie haben die Freiheit nicht um der Freiheit 
an sich willen gesucht, sondern unrechtmäßige Bindungen um der 
rechtmäßigen willen zerreißen wollen. Wenn sie auch den Anspruch 
der mittelalterlichen Kirche, das bürgerliche Leben mit Gewissens 
autorität zu. umgreifen, zurückweisen mußten, so erhielt doch dieses 
bürgerliche Leben durch sie seine wahrlich nicht geringe Bindung 
von der Erkenntnis des Geschaffenseins und der Sündhaftigkeit 
her. Sie überantworteten es dem Diesseits, aber das Diesseits 
hatte für sie eine Grenze, es war ihnen noch Wirklichkeit. Auf 
dem Grunde der reformatorischen Tat erwuchsen in der Folgezeit 
neue kirchliche Kulturen und ihre Mehrheit, die dem Ge 
danken von der Universalität widerspricht, hat Zuletzt dem 
neuprotestantischen Ideal der „Jnnerweltlichkeit" völlig zum 
Sieg verholfen. So ist der Protestantismus allerdings an her Bil 
dung der modernen Welt beteiligt, denn die Entkirchlichung 
der Kultur und- die Entfesselung der Kräfte ist 
durchaus auf ihn zurückzuführen. Nur sind jene Kräfte bis auf den 
heutigen Tag fessellos geblieben, während der echte Protestantis 
mus seinem tiefsten Wesen nach gerade Bindung verlangt. Diese 
Bindung an die Wirklichkeit ist der Protestantismus 
der Welt noch schuldig geblieben. 
Inwiefern ist nun die protestantische Lehre, die Lehre der 
Reformatoren. Wirklichkeit? Sie ist es gar nicht selbst md 
an und für sich, sondern sie weist nur hin auf die Wirklichkeit, 
und lediglich insofern sie auf diese hinweist, ist ste Wahrheit. 
Der reformatorischen Lehre ist es ergangen wie allen Lehren: man 
nahm ste selber für Wirklichkeit, und schon unter den Augen der 
Reformatoren (in der Konkordienformel) begann ihre Erstar 
rung. Ist es demgegenüber nicht ein Verdienst des idealistischen 
Geistes, wenn er jene Erstarrung auflöst, indem er ste historisch 
begreift? Wenn er die protestantische Lehre dadurch in Mythos 
und Symbol verwandelt, daß er sie Zu einer allgemeinen Ver- 
nunstwahrheit umprägt (Troelts-ch) und die „Einigung mit Gott* 
aus Ende seht? Ein wichtiges Element des Protestantismus, dies 
nämlich, daß es in Wahrheit nur die persönliche Entschei 
dung gibt, scheint damit gerettet. 
Indessen die Rettung ist scheinbar, denn tatsächlich weist dich 
idealistische Uebersetzuna der protestantischen Lehre nickt mehr anst 
das Objekt hin, sondern kennt allein das autonome Subjekt. Sie ! 
wäre in ihrer Vollendung Ausdruck des absoluten Subjekts., näm- - 
lich Gottes selber. Während Wirklichkeit der unlösliche Wider 
streit von Ich und Du, von Subjekt und Objekt ist, glaubt 
Dsr MaU M seise ßunststStteu. 
f' Ausstellung der Frankfurter Kunst m-esse. 
Wer, oder vielmehr junger Tradition getreu, hat das Frank- 
surter Meßamt auch dieses Mal in den historischen Römer 
sälen eine Ausstellung veranstaltet, die ein Stück vergangenen 
deutschen Kulturlebens der Gegenwart nahezubringen sucht. Dies 
gerade, daß ste der Messe zeitlich und räumlich angsgliedert ist; 
verleiht ihr eine gewisse erzieherische Bedeutung; zeigt* sie doch 
Gegenstände in Fülle, die einer kulturell gesättigteren Situation 
als" der uusrigen entstammen und darum einen tauglichen Maß 
stab zur Beurteilung des heutigen Kunstschaffens hergeben mögen. 
Er. Lübbecke, der Organisator der Ausstellung, hat sich, wer 
früher schon, ein Legrentes Thema gewählt. Er führt den M a i n 
und seine Kunststätten in Werken und Bildern 
vor, und die dargereichtm Kostproben genügen immerhin, 
um jenen gemeinsamen Grund ahnen zu lassen, aus dem in man 
chen Perioden unserer Geschichte Kirche und Haus, Gemälde und 
Werktags ding erwachsen sind. KulmÜach, Bamberg, Würzburg 
Weckheim, Aschaffenburg, Hanau haben bereitwillig ihre Gaben 
entsandt: Bilder des MiLLelalters und späterer Zeiten, Skulpturen, 
Schöpfungen der Kleinkunst und Stücke von mehr lokaler Eigenart. 
Unbe^nntere Einzelleistungen gesellen sich zu typischen Erzeug 
nissen, und gewiß nicht allen Werken kommt ein gleicher Kunstwerk 
z.u Wer jedes hat irgend eine charakteristische Beziehung zu dem 
Orte, dem es zugehört, und ist eingetan in die Heimatsatmosphüre, 
die das ganze Kunterbunt umwebt. Um die Mannigfaltigkeit fühl- 
Zbar zu machen, seien auf gut Glück einige Namen und Sachen ge 
nannt. Dicht Lei Hans Süß aus Kulmbach, der mit einer klei 
nen Bildfolge austritt, prunkt herrlich der Kulmbacher Gold- und 
Silberschatz, ein Ueberbleibsel aus dem dreißigjährigen Krieg; zu 
der illustren Gesellschaft der Lukas Cranach, Liepolo und 
Michael'Wohlgemut findet sich -etwa Januarius Zick oder 
der Nokokobildhauer Peter W agner, dessen Sohn die Samm 
lung antiker Vasen in Würzburg angelegt hat, die eben 
falls mit anten Eremvlaren vertreten ist: neben Dam - 
wer-Porzellan (aus der Sammlung des Komme rzienrats 
Sckmidt-Prhm zu Aschaffenburg) entfaltet sich Hanauer Majolika, 
und viele Gefäße aus Fayence, Zinn und Glas, die so gar nicht 
kunstgewerblich "anmuten, bezeugen die Handwerkstüchtigkeit und 
achtbare Kunstgeflunung . der fränkischen Bevölkerung. Die 
Städte selber, organische Gebilde, die sich dem Main anschmie 
gen und ganz mit der Landschaft verschmelzen, werden durch 
seltene Stiche und Radierungen veranschaulicht. Treffliche pho 
tographische Aufnahmen vermitteln einen Eindruck von Schlossern, 
Jnnsnraumen, Plätzanlagen und architektonischen Details. Stets 
fügt sich das Einzelne Zum Ganzen, und auch die großarugen 
BauscNpfungen der Schönborns stehen nicht rein für sich. 
Handschrift und Denkweise der bedeutendsten fränkischen Bau 
Meister, ss Neumanns, Dietz enhofers, Küch els, lernt 
Mim aus Originales kennen, deren Studium einen Lesow 
I deren Genuß gewährt. Die Reichhaltigkeit des Materials ist außer j 
den Städten und Museen dem Entgegenkommen der Privatsammler ! 
zu danken; vor allem die Sammlung Winterhelt in Milten- 
berg, die sich auf das gesamte fränkische Kunstschaffen erstreckt, 
hat einen großen Teil Her Leihgaben beigesteuert. Unerfindlich 
bleibt, warum etliche mindere Oelgemälde neueren Datums ein 
bezogen worden sind, die sich vergeblich um den Stimmungsgehalt 
der Mainlandschaft bemühen. Hier wären die Bilder Berufener, 
etwa Fried Sterns- am Platz geweftn, die den eigenen Reiz 
des Flusses und seiner Ufer wirklich erschöpfen. Lr.
	        

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