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H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043384
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1928
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

VL- k^K ^ol 
Jenen im Sepicmßer. 
OLraALElx, im September. 
LLsr äs Olsss. 
An schömn Tagen fahren Hunderte mit der Zahnradbahn nach 
MontenverZ, um das Rer äs Olaes zu betätscheln. Der breite 
Metscherfluß gleicht an der Besichttgungsstelle in der Tat einem 
alten ausgedienten Raubtier im Zoologischen Garten. Sie nähern 
sich ihm mit Halbschuhen und GeLirgsstöcken, ohne es reizen zu 
Wunen. Auf den Stöcken ist „Chamonix^ eingebrannt. Berufs 
Photographen, die am Eingang des Gletschers zu Diensten stehen, 
verwenden ihn als Hintergrund für Gruppenaufnahmen wie 
irgendeine gemalte Folie im Atelier. Sein Rücken hat den matten 
Glanz eines Parkettfußbodens, der durch die häufige Benutzung 
stark abgescheuert ist. Dr ein Teppich fehlt, wird er fast stets nur 
mit Führern betreten. Nettere Damen stoßen kleine Schreie aus 
und Kinder legen hier den ersten glitschigen Grund für spätere 
Erinnerungen. Nach ein paar Schritten macht das Publikum Halt, 
Lallt sich inmitten der gezähmten Eiswelt zu einem Knäuel und 
blickt zu den Höhen empor, in denen der Gletscher noch frei 
strömen darf. Ein Wunder nur, daß es ihn nicht füttert. Sanft 
mütig liegt er da, an jenen anderen erinnernd, den Lartarin für 
ein künstliches GebWe aus Papiermache hielt. 
Montblanc. 
Unten im Hotelgarten blühen Dahlien und Begonien, oben- 
starrt unentwegt das weiße Montölancrnassiv. Das ganze Tal 
liegt ihm zu Füßen und weiß warum. Seine Schneegipfel sind 
umworben wie kaum eine schöne Frau, die sich in blendenden 
Toiletten zeigt. Jedes Wölkchen möchte man ihnen von der Stirn 
wischen. Man blickt auf sie in allen Lebenslagen, ruck selbst wer 
einmal nicht blicken wollte, könnte sich ihnen nicht entziehen, denn 
sie scheinen in die Zimmer herein. Mit Hilfe von Schwebebahnen 
erreicht man Höhepunkte, die auch solche des Daseins sind, da sie 
eine noch bessere Aussicht gewähren. Die rotbraunen Wägelchen 
der neuen b'unLeulairs auf den Planpraz sind übrigens nette 
Dinger: sie brummen wie Schmeißfliegen aus ihrer schrägen Halle? 
heraus und nehmen, je höher sie entschweben, immer wehr das 
Aussehen von GlücksWerchen an, die Wer die Wälder kmbbeln. 
Es gibt drei Arten, um aus den Montblanc selbst zu gelangen. 
Besonders verdienstlich ist die seiner Besteigung. Sie wird von 
Touristen mit ernsten Gesichtern ausgeführt, deren Eispickel 
vor Pflichtbewußtsein heimlich strahlen; heimlich, weil sie zu neu 
erschienen, wenn sie noch blank wären. Eispickel dürfen nicht 
unmittelbar aus dem Geschäft kommen, wenn sie mit Anskrnd 
gebraucht werken sollen. Geringere Mühe als die zweitägige per 
sönliche Besteigung macht ersichtlich der Flug Wer den Montblanc, 
der gewiß in noch nicht einer Stunde vonstatten geht. Eine 
Kleinigkeit. Das Flugzeug fährt niedrig an- Zieht ein paar Spi 
ralen, verschwindet für einen Augenblick und läßt bald danach 
als Pünktchen die ganze Eismisere unter sich. Am beqmmsten 
gelangt man aber unstreitig durch die Zahllosen Teleflope aus er 
sehnte Ziel, die überall im Ort aufgestellt sM. Sie sind Geschütze, 
die man nur ein wenig richten muß, um mit Lichtgeschwindigkeit 
zum Gipfel geschossen zu werden. Eines von ihnen befindet sich 
mitten unter den Dahlien und Begonien, und die Faulheit ist 
ein doppelter Genuß, wenn in vielfacher Vergrößerung eine 
Karmvane sichtbar wird, die auf dem Montblancmasflv Stufe um 
Stuft HM. 
Spezialt täten. 
Welcher innere Zusammmhrng zwischen dem Montblanc und 
dem Nougat obwaltet, ist nicht zu ergründen. Die äußere Ähn 
lichkeit liegt auf der Hand: auch das Nougat ist fest und weiß, 
urü) als stamme es aus den Urzeiten, so Zeichnen sich die ein 
gepreßten Früchte auf ihm wie Versteinerungen ab. Daß ein 
Mächtiger Trabanten um sich sammelt, die es ihm gleich zu tun 
suchen, ist ja auch sonst die Regel. Jedenfalls wächst das Nougat 
in Chamonix wild; dank einiger Geschäfte, die sich nahezu aus 
schließlich seiner Fabrikation widmen. Meistens hat es die Form 
von Stangen, die schroff und eckig wie die Felsennadeln im 
Umkreis sind und nach dem Genuß nur Zögernd ihre Süße ent 
hüllen; als seien auch sie von dem Ehrgeiz beseelt, sich ihrem 
Bezwinger nicht ohne Umschweif zu schenken. In einem Schau 
fenster prangt die stolze Masse in Gestalt einer riesigen Birne, 
die an eine Mandoline gemahnt und bei AnLruch der Dunkelheit 
erleuchtet wird; ein herrliches Nougatglühen klingt dann weit in 
die Nacht hinaus. Das Klingen hört niemals auf, demr^üM- 
über wird es von den Kuhglocken besorgt. ^Nns Fabrik am Ort 
stellt sie her. Sie hängen an Latten und stehen in Reihen auf 
den Regalen: ungeheure für Ueberschsen und winzige für die 
KMchen Gin Glück, daß sie nicht alle gleichzeitig zu lauten 
beginnen. Auch in die kleinste noch sind die Züge ihres künftigen 
Trägers einMaviert. 
Lass. 
Das Gast hat wie jedes andere in Frankreich seine Tischchen 
im Freien. Es liegt am Kopfende der hügeligen Hauptstraße, die 
schwach der von Lourdes gleicht, nur daß sich keine religiösen 
Mzare auf ihr zwischen die profanen mengen, Nach dem Abend 
essen bummelt die große Welt über den glänzenden Viertels- 
Loulevard und mustert die Kollektionen der Achatschalen, der 
Stoffpuppen und der Spinnrädchen aus Elfenbein. Das Geschlecht 
dieser Andenkenarttkel währt so ewig wie der Schnee auf dem 
Montblanc mL dieselben Schweizerhäuschen, die lang vor dem 
Krieg den Kindern als Souvenirs miLgeövacht wuMn, bilden 
noch heute ihre Mniaturdörfer. Eine kurze Frist später sind mit 
einem Male alle Tischchen besetzt, und Puccini nimmt seinen 
Lauf. Auch vergessene Schlager werden neu erweckt; wie überhaupt 
in Sommerfrischen die Beliebtheit von Operettenruinen der ver 
fallener Burgen kaum nachstchü Unter den täglich wechselnden 
Cafegästen erhält sich als fester Kern ein Stammpublikum, das so 
regelmäßig wicderkchrt wie das Mufikrepertoin. Es taxiert jede 
ungewohnte Erscheinung mit der Peinlichkeit einer Steuerbehörde 
ein, die Hinterziehungen wittert. An der Affichenwand gegenüber 
halten sich zahlreiche Einheimische auf, die von ihren Stehplätzen 
aus kostenlos das Konzert mitgenießen. Um Zehn herum leeren 
sich die Tischchen, der Boulevard verwandelt sich in eine gewöhn 
liche Straße zurück und im Kasino fängt das Nachtleben an. 
0 5SS. 
Die Engländer sind in der Ueberzahl. Sie haben auf Bildern 
und in Romanen so hübsche Frauen, nur sieht man sie leider 
verhältnismäßig selten. Der Trupp weiblicher Boy-Scouts zum 
Beispiel, der gerade in Chamonix und Umgebung seine touristischen 
Manöver abhält, brauchte gar nicht so energisch aufzutreten, um 
sich gegen eingebildete männliche Uebergrisfe zu wehren. Die 
Mädchen sind alle in die gleiche blaue Uniform gekleidet, mit; 
Signalpfeifchen atn Gurt und einer Fülle von Abzeichen auf den 
kriegerischen Aermeln. Daß die Abzeichen das Dienstalter be 
deuten, ist unwahrscheinlich, obwohl manche dieser Amazomngirls^ 
nicht mehr ganz jung sind. In geschlossenen Cadres durchziehen 
sie zweireihig den Ort mrd erobern vermutlich in Ermangelung 
anderer Objekte die Berge der Alliierten stürmender Hand. Auch 
englische Reisegesellschaften in Zivil brechen herein. Ein fixes 
Manager weidet sie. Er treibt sie zu den Mahlzeiten züsammeL 
und peitscht das Programm der Sehenswürdigkeiten mit ihnen 
durch, für dessen Fnnehaltung er verantwortlich ist. Den Morgen 
nebel, den er ihnen nicht zerteilen kmn, durchdringen sie über 
dies mit ihren OperngMrn, um die Gletscherwelt aus ihm 
hervorzuklauben. Denn sie sind erst zufrieden, wenn sie sich davm 
überzeugt haben, daß alle Dinge an ihrem Platz stehen: möglichst 
an dem, den sie ihnen angewiesen haben. Das scheint in der Regek 
der Fall zu sein, da sich kein Ausdruck so oft in englischen Nntem 
Haltungen wiederholt wie das »0 Auf ein einziges Ja kowmetz 
mindestens zehn dieser affirmativen Wogen, die immer wieder bis 
Tonleiter hinauf- und hinabgespült werden. England beherrscht 
auch in der Sprache die See. 
P. L. M. ; 
Eine wunderschöne Einrichtung sind die Autocars der Paris— 
Lyom—MMterranee, die unter anderem die Nvuta 6es 
Nizza nach Chamonix bestreichen. Täglich treffen sie aus Grenobl^ 
Annech und Mx-les-Bains ein, und täglich fahren mehrere auD 
dem Ort heraus. Bei der Ankunft gleichen sie modernen trojanft 
i scheu Pferden, die mit Bewaffneten bis zum Rand gefüllt fintz 
Wenigstens fitzen die Insassen so gespannt auf ihren Plätzen, als 
ob sie es kaum erwarten könnten, sich in voller Reiserüstung auf 
die Ortschaft zu stürzen. Zwar der Augenschein trügt, und es gibt 
auch Drückeberger bei Besichtigungen. In der Erinnerung taucht 
eine Szene auf, die sich gelegentlich einer Fahrt im FremdenautH 
nach Versailles abgespielt hat. Eine ältere Dame streikte damals 
als es die Expedition durch das Schloß und die Gärten galt. Giß 
blieb einsam in dem großen leeren Wagen zurück, während dis 
anderen das KunstgMet überschwemmten. Es war ein heißer Tag, 
und sie fächelte sich Lust. Als die Herde sich wieder erschöpft im 
Wagen sammelte, thronte sie abgekühlt und unnahbar auf dem niß 
verlassenen Sitz. Ein leiser Triumph leuchtete aus ihren Zügen, 
und der Führer behandelte sie mit besonderer Achtung- Der An« 
blick der P. L. M.-Autocars regt allerdings nicht gerade zu einem 
solchen Defaitismus an, wie heroisch immer er sei. Im Gegenteil! 
wenn sie prall davonrasieln, sehnt sich der Verweilende ihnen nach; 
noch über Annech, Aix-les-BainZ nutz Grenobls hinaus. 
RR0A.
	        

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