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H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043386
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1930
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Worte von der Straße. 
Topfgewächsen besteht. Aber sie wollen die reine, ungemischte Na 
tur: Bäume, die fest im Boden stecken, und richtige Laubkronen 
über den Tischen. Naturgarten — das Wort muß aus jenen ver 
sunkenen Zeiten stammen, in denen die Natur noch weit weg von 
Berlin lag. Von der Sehnsucht nach blauem Himmel und Nachti 
gallengesang ist es wie mit einem glitzernden Spinngewebe über 
zogen. 
Die wirkliche Natur in den Naturgärten reicht längst nicht an 
die erträumte heran, schmachtet vielmehr in der Gefangenschaft von 
Rückfronten und Hinterfassaden. Gewiß, ihre Bäume sind echt, aber 
sie decken doch im günstigen Fall nur gerade die Blößen der Haus 
wände Zu. Mitunter wird nicht einmal diese Aufgabe bewältigt, 
sondern ein paar magere Stämmchen markieren wie auf der 
Shakespeare-Bühne das natürliche Wachsen und Weben. In ihren 
Blechhülsen, von denen sie zum Schutz gegen Beschädigungen um- 
gürtet sind, sehen sie zum Verwechseln den Schirmständern ähnlich, 
die, großen Nutzpflanzen gleich, der Erde entsprießen. Daß ober 
halb solcher Gartenerzeugnisse statt der Nachtigallen Lautsprecher 
und Grammophone ertönen, entspricht durchaus den Gesetzen dieser 
Natur, aus der es auch nicht herausschallen darf, wie es in sie 
hineinschallt. In einem der ausgesparten Reviere jedenfalls werden 
die Gäste herzlich gebeten, zu vorgerückter Stunde unter allen 
Wipfeln die Ruhe zu wahren. Der Freiheit des Naturgartenburschen 
sind enge Grenzen gezogen. 
Da heute alle Berliner in die Natur ausschwärmen, die nicht 
von Mauern eingesperrt ist, hat jene Schwärmerei ihr Recht ver 
loren, der ein Hinterhausbäumchen zum Walde wurde. (Inzwischen 
beginnt schon eine andere, noch kaum erkannte Natur an uns ihre 
Verführungskünste zu erproben: die Stadtnatur mit ihren Urwald 
straßen, Fabrikmassiven und Dachlabhrinthen.) Ist aber der Natur 
garten nicht mehr ein Ort der Sehnsucht, so muß er sich freilich als 
eine altjüngferliche Erscheinung enthüllen. Nur an dem Wort, das 
ihn benennt, ist noch etwas von dem Duft hängen geblieben, den 
einst sein Gezweig und sein Blätterwerk ausströmten. Als eine 
kleine rührende Sprachruine ragt es ins Wochenende der Gegen 
wart, 
Zurückbleiben?! 
Eins, zwei Sekunden vor der Abfahrt eines jeden Stadtbahn 
Zuges erschallt "auf den größeren Stationen der'Ruf: „Zurück 
bleiben!" Er wird nicht etwa von einem sichtbaren Beamten aus 
gestoßen, sondern bricht geheimnisvoll aus dem AeLher herein. Ein 
Ruf ohne Ursprung, eine überirdische Warnung. Daß sie trotz ihrer 
ungewissen Herkunft nicht von einem Engel stammt, beweist der 
Ton, in dem sie erteilt wird. Sein rauher militärischer Klang ver 
wandelt die zerstreuten Publikumsgruppen in eine geschlossene 
Schützengrabenkompagnie, die dem Befehl eines weit hinten im 
Etappenquartier befindlichen Obergenerals untersteht. Das kann gut 
werden im nächsten Krieg, wenn zu den leibhaft anwesenden Kom 
mandos noch die drahtlosen kommen. Aus welchen Zweckmäßigkeits 
gründen immer man neuerdings das „Zurückbleiben!" durch den 
Lautsprecher übermittelt: die mechanisierte Sendung des Mahn- 
worts entstellt seinen Sinn. Wenn der Stationsbeamte am Zug 
entlang brüllt, redet er die verspätete Hast unmittelbar an. Der 
Untergeneral dorrn Mikrophon dagegen spricht buchstäblich in die 
Luft, gibt ein Signal, das allen und daher niemand gilt. Denn 
die geschulte Berliner Bevölkerung benötigt es nicht, und die un 
geübten Fahrgäste können es seiner Leilnahmslosen Allgemeinheit 
wegen erst recht nicht im Augenblick auf sich persönlich beziehen. 
Eher staunen sie darüber, daß ein gespenstischer Papagei im Glas 
gewölbe sitzt, und tun vor Schreck das Verkehrte. Dieser Laut 
sprecherspaß ist ein dröhnendes Zeichen jener Lei uns heimischen 
Organisationswut, die aus den begrenzten menschlichen Gegenden 
immer wieder in die unmenschlichen abirrt. Wird sich aber das 
Publikum nicht allmählich an die lustige Warnung gewöhnen? Man 
sollte es lieber daran gewöhnen, nicht gegängelt zu werden, sonst 
bleibt es auf das fortgesetzte Kommando: „Zurückbleiben!" hin 
wirklich zurück. - S. Kracauer. 
üoL Zlsssr LeLieLt QäsrgarLukckas AElIsekakts- , 
System, äem sis sut^äekst, lassou siek uiokt aus, 
ikm rLsLeu. 
Immsrkin virä, am ^nkau§ vor allsm, eins Dskrs 
l^ut, ärs ckas Drgsdnis manedsr 8okr6ldmaseliiosn- 
laukdaku ru sein sekelnt: äis Dekrs, äaL äsr Lsruk 
kür äio LUelnstsksnäs Dran stets nur ein Dorek- 
gLngsstaäium sein kann. LLnmal muL äis Vorkasso- 
riu von Lkrem ^.Lteilungslsltsr kören: „VerZessen 
8Ls äoek um Oottss killen niekt, äaL jeäs kaldneAs 
annskmbars Lks Idrs oinLixs UsttunK ist. . unä 
Luek eins LoIIsgm sagt ru ikr: „Denken 8Ls an 
mied, keirnten um jeäsn kreis!" Zuranns I^ormaoä 
ist in ikrsm (bei 8. kiseker in äsutseker Dsdsrsst- 
2UQA ersekienenen) Luek: „künk krauen auk äse 
Dawers" 2ur seiden resiZnierten kinsiedt gslanZt, 
äis dier LViLeden äsn teilen stellt. Die Dransn- 
eman^ipation ivirä erst mit äer LmanLipation äes 
NenseLsn am 2is1 sein, 8. Lraeausr. 
Berlin, Anfang Juli. 
Rücksichtslos. j 
An den Schaufenstern mancher Berliner Läden kleben Wichen, 
die das Publikum davon benachrichtigen, daß wegen Geschäftsauf 
gabe oder aus anderen landläufigen Gründen die Preise „rücksichts 
los herabgesetzt" worden sind. Wie verbreitet, groß und selbstver 
ständlich muß die Rücksichtslosigkeit sein, wenn sie so weit getrieben 
wird, daß sie sich gleichsam aus Versehen in ihr Gegenteil verkehrt. 
Denn rücksichtslos setzt man doch gemeinhin höchstens die Preise 
herauf. Hier werden sie reduziert, und cS läge auf der Hand, ihre 
Ermäßigung mit der Rücksichtnahme auf die Kundschaft zu recht 
fertigen. Aber ehe man sich dazu entschließt, den Schein eines rück 
sichtsvollen Benehmens zu wahren, leitet man lieber die Zuvor 
kommenheit aus irgendeiner Rücksichtslosigkeit ab. Das Publikum 
hielte auch vielleicht den Preisabschlag für eine Falle, wäre nicht 
ausdrücklich betont, daß er ein Kampf bis aufs Messer ist. Ein! 
Sprachschlendrian, der die unfreundliche Herkunft vieler Freund 
lichkeiten aufdeckt. Seine Komik besteht darin, daß er das Wort 
rücksichtslos veranlaßt, MtterseM durch dir UM der Kerah- 
gesetzten Preise zu schlendern, ohne ihm einen greifbaren Wider 
sacher zu bieten. Man weiß nicht recht: will es besagen, daß sich 
der Geschäftsinhaber mit dem Ellenbogen selber beiseite schiebt, 
oder bezieht es sich auf die Preise. Wahrscheinlicher ist, daß es sich 
aus Zerstreutheit gegen diese richtet. Die Preise möchten sich wie 
bisher aufrecht erhalten, werden aber unnachsichtig zu Fall gebracht. 
Brutalität um jeden Preis: nach ihrem Vorbild sollte sich auch 
anderswo die eiserne Rücksichtslosigkeit zur goldenen übersteigern. 
So ist unsere Steuerpolitik bei weitem nicht rücksichtslos genug, und 
von den Hitlerleuten etwa wäre zu fordern, daß sie sich wenigstens 
auf der Straße rücksichtslos eines gesitteten Betragens befleißigten. 
Naturgarten. 
In den asphaltierten weltstädtischen Verkehrsstraßen Preisen 
viele Restaurants mit Riesenlettern die Herrlichkeit ihres „Natur 
gartens" an. Immer wieder begegnet man dieser Wortverbindung, 
die offenbar das Mißtrauen der Berliner beschwichtigen soll. Was 
hülfe ihnen auch die Ankündigung eines einfachen Gartens, dem 
die Dreingabe der Natur fehlte? Es könnte ein künstlicher sein, 
ZiM!, der aus transMtMen WuMiere^ KtaketMäunen
	        

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