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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

ist, die frühmorgens immer trainieren. Die Frage ist nur: was 
stellen sie vor? Ich weiß es nicht recht. Zu erkennen ist noch 
gerade, daß die kommoden Nachttischchen, die Glanzbetten und die 
Schreibtischniederlassungen den Anspruch erheben, der besseren 
Oberschicht anzugehören, aber im übrigen bleiben sie stumm. Ost 
sind die Eßzimmer düster wie Krematorien, ohne daß jemand in 
ihnen verbrannt worden wäre, es sei denn die Suppe; dann wieder 
dehnen sich uferlose Holzwände, die ein Meer von Feierlichkeit 
sind, obwohl sich keine Talare hinter ihnen befinden, sondern 
höchstens Kleider und Wäsche; oder Bücherschränke, die unter 
günstigen Bedingungen als Absteigequartiere dienen, haben das 
Aussehen von Herrschaftsgebäuden. Sie alle fühlen die Verpflich 
tung, außer der Gesellschaftsfähigst auch die geistige Höherwertig- 
keit darzutun und übernehmen sich einfach dabei. Leer klingen sie 
aus, und je mehr sie zu sein behaupten, desto vordringlicher erinnern 
sie an Plakate, Es ist, als seien sie einer Zeitschrift entstiegen. 
Statt bis zuletzt die Sachlichkeit durchzuführen, nach der sie an 
geblich streben, blähen sie sich mit Hilfe der neuen Formen Zu 
einer Größe auf, die nichtssagend ist. Vermutlich entspricht ihre 
Anmaßung dem Verlangen der Konsumenten. Ich könnte mir 
jedenfalls durchaus denken, daß sie das längst unterhöhlte, aber 
gerade darum krampfhaft bewahrte Standesbewußtsein mancher 
Schichten äußerlich zu bestätigen hätte. 
Der Gegensatz zwischen den abgelebten und den modernen 
Zimmereinrichtungen ist also gar nicht so gewaltig. Wie man jetzt 
jene mit einem leichten Gruseln belächelt, wird man in einer 
späteren Zeit diese sicher durchschauen. Auch in ihnen rumoren 
Gespenster, die kein Vakuumreiniger verscheucht. 
S. Krakauer. 
„Menschen Hinter Hütern«. 
ILr Berlin, im Juni. 
Der im Auslawd vielbesprochene Film: „M enschen hinter 
Gittern", der jetzt endlich auch in Berlin zu laufen begonnen 
hat, ist ein von der Metro-Goldwyn-Mayer in ihrer Cosmopolitan- 
Produktion hergestelltes Monumentalwerk. Welches Gewicht die 
Firma auf seinen Weltvertrieb legt, beweisen die für die deutsche 
Version gemachten Anstrengungen. Heinrich George spielt die 
Hauptrolle, und im Interesse der Dialoge sind gleich zwei Dichter 
auf einmal: Walter Hasen clever und Ernst Toller be 
müht worden. Dieses Aufgebot an Kräften und Namen wird 
durch die Großartigkeit der Mitte^gerechtfertigt. Täusche ich mich 
nicht, so ist das Gefängnisleben noch niemals so umfassend dar 
gestellt worden wie hier. Hof, Zellen, Personal und Sträflings 
massen finden sich zu Szenen zusammen, die den Eindruck unver 
stellter Bilder der Wirklichkeit machen. Da fehlt nicht ein Detail, 
da scheint nichts übertrieben. Der Gefängnisdirektor ist etwa kein 
Bösewicht wie der bucklige Despot im russischen ZuchLhausfilm: 
„Arsenal", sondern ein human denkender Beamter, der durchaus 
glaubhaft wirkt. Und so sind auch die Gefangenen überzeugend 
und unsentimental porträtiert. 
* 
Trotz dieser günstigen Vorbedingungen gedeiht der Film nicht 
zur Gestaltung. Er möchte einmal die Zustände im Gefängms 
schildern, zum andern Zeigen, wie aus diesen Zuständen eine Re 
volte hervorwächst Da nun die an den Schluß gelegte Revolte 
eine Katastrophe ist, die in ihrer ganzen Furchtbarkeit ausgemolt 
wird — Tanks fahren auf, und die Maschinengewehre knattern un 
unterbrochen — müßte sie durch die vorangegangenen Szenen zu 
länglich begründet sein, um sich der Komposition wirklich sinnvoll 
einzufügen. Ich erinnere an die Schreckensepisoden und die revo 
lutionäre Erhebung im „Potemkin". Während aber in diesem 
klassischen.Werk Prinzipien miteinander kämpfen, aus denen sich die 
Greuel zum mindesten erklären lassen, bleibt der Sträflingsaufruhr 
des amerikanischen Films ein isoliertes, geistig nicht zu bewältigen 
des Ereignis. Peder folgt er aus systematischen Mißhandlungen - 
im Gegenteil, die Leute haben es gar nicht so schlecht —, noch ist 
er auf soziale oder politische Motive zurückzuführen. Nicht einmal 
an den eingeschalteten Protest der Gefangenen gegen das schlechte 
Essen knüpft er unmittelbar an. Auch die Sorgen, die sich der Di- 
rettor wegen der Ueberfüllung des Gefängnisses und der erzwun 
genen Untätigkeit seiner Insassen macht, unterbauen ihn nicht; denn 
statt durch die Zustände bewahrheitet zu werden, fallen die hierauf 
bezüglichen Bemerkungen so beiläufig, daß sie der Rebellion höch 
stens als Vorwand dienen können. Eines Tages bricht sie ein 
fach aus, weil der Lebenslängliche die Gefangenschaft nicht länger 
erträgt. Gewiß, dergleichen kommt vor. Die hinterher einsetzende 
Beschreibung des Feuergefechts aber, in der jedes Detail wollüstig 
ausgekostet wird, vermag ihre Ausführlichkeit nicht zu legitimieren 
und enträt darum jeder Bedeutung. Oder vielmehr: ihre Be 
deutung ist die der Effekthascherei. Nicht umsonst löst sie 
wie irgendein unerhelltes, ungestaltetes Faktum nur stumpfes 
Grauen aus. Daß sie gar nicht mehr sein will als eine pure 
Sensation, geht indirekt aus dem sngehängten Kapxx enä hervor, 
das die Begnadigung des Favoriten bringt und durch die Hin 
wendung zum glücklichen Einzelschicksal nochmals dartut, wie 
wenig hier das Gesamtschicksal der Gefangenen in Frage steht. 
* 
Ich wüßte nach alledem nicht, was wider die Begründung ein- 
zuwenden wäre, mit der die Bildstelle des Zentralinstitüts 
für Erziehung und Unterricht es abgelehnt hat, den Film als 
künstlerisch wertvoll anzuerkennen. Sie tadelt unter anderem, dass 
das Problem des Strafvollzugs nur in einigen unwesentlichen 
Sätzen angeschnitten worden sei, nimmt Anstoß an dem „süß 
lichen" Abschluß und findet mit Recht, daß die Kampfszenen zwi 
schen Aufsehern und Gefangenen den „inneren Gehalt" vermissen 
lassen. Man hat in Berliner Künstler- und Fachkreisen über den 
negativen Bescheid der Bildstelle diskutiert und ihn teilweise nicht 
gebilligt. Aber ich meine, daß er rein sachlich jedenfalls hinreichend 
motiviert ist. Zu prüfen bliebe nur, ob an andere Wme, denen 
tatsächlich ein künstlerischer Wert zugesprochen wurde, dieselben 
strengen Maßstäbe der Beurteilung angelegt worden sind. Man 
darf das bezweifeln, und immerhin überragt der Sträslingsfilm 
ungeachtet seiner offenkundigen Mängel die meisten deutschen Er 
zeugnisse. Da es sehr schwierig ist, in künstlerischen Dingen nach 
einheitlichen und unantastbaren Grundsätzen zu verfahren, sollte 
die Bildstelle überall dort, wo ernsthafte Qualitäten im Spiel, sind, 
lieber ein Auge zudrücken, als sich dem Verdacht der Willkür aus 
setzen. Sie hat ja auch dem Rens Clair-Film die künstlerischen 
Ehrenrechte zurückerstattet, und außerdem ist die Produktion eben 
so armselig, daß hohe Kunstbegriffe ihr gegenüber kaum ange 
bracht sind. . 
O 
Der Ungar PaulFejoshat die Regie geführt. Er, dem wir 
den stummen Film: „Zwei junge Herzen" verdanken, einer der 
schönsten, einfachsten und zugleich gefülltesten, die ich überhaupt 
kenne, beweist mit dieser Leistung, daß er auch die Massenführung 
beherrscht. Bewundernswert ist, wie er die Gefangenenzüge durch 
den Hof leitet, sie dann auflöst und wieder zu kleinen Gruppen 
Zusammensetzt — ein graues Gerinsel, das den ganzen Film grun 
diert und alle Einzelauftritte miteinander verbindet. Aus ihm 
treten, von der virtuos, aber auch nur virtuos kompinierten Re 
volte abgesehen, verschiedene Szenen besonders eindrucksvoll Her 
vor. Die Demonstration im Speisesaal vor allem, bei der rm 
Takt gebrüllt wird und zahllose Eßnüpfe durch die Lust wirbeln. 
Ferner die Andacht in der Kirche, die eine vollende Kontrast 
wirkung enthält. Während der Geistliche fad über den Frieden 
redet, wandern unter den Betpulten Revolver aus einer Hand 
in die andre. Nicht minder gekonnt ist das kleine Zwischenstück 
in der Dunkelzellen-Abteilung, das zudem einen rein dem Tonfilm 
voröehaltenen Effekt erzielt. Man sieht den trüb erleuchteten Gang, 
an den die Stahltüren grenzen, und hört die verzweifelten Ge 
spräche der Arrestanten, die man selber nicht sieht. Sie müssen 
schreien, um sich zu verständigen, und es ist, als riefen sie sich aus 
weiter Ferne Trostworte und Flüche zu. Andere Partien sind 
schwächer. So ist das Gefängnisgebäuds eine fantastische Filmtrutz 
burg und Annie, das einzige Mädchen im Stück, eine konventionelle 
Figur, die ausgezeichnet in das zu ihr gehörige Familienstilleben 
past, in dem sie sich auch nicht bewegt. 
Heinrich George: ein dickes, gutmütiges Bündel ungelenker 
Triebe, ein dumpfer Fleischkoloß, der nichts von sich oder gar von 
der Welt weiß; es sei denn, daß er nicht eingesperrt leben mag. 
Er spielt, was zu spielen ist: die Trauer um den Tod der Mutter, 
die Raserei, die Dummheit, die Treue, ist aber, ohne daß es ihm an 
Uebergängen gebräche, in jedem Moment um eine Spur zu massiv. 
Als ob ihm die Gewichtigkeit des Körpers dazu verführe, so be 
tont und unterstreicht er die einzelnen Phasen. Gäbe er weniger, 
so wäre er mehr. Sein Kumpan Gustav Dießl strahlt einen ge» 
wissen, seelisch fundierten Charme aus und erwirkt der von ihm 
verkörperten Rolle alle Sympathien, die ihr zugedacht sind. Der 
undankbaren Aufgabe, einen schlecht konturierten jungen Gefange 
nen darzustellen, der den Spitzel macht, entledigt sich Egon von 
Jordan verhältnismäßig geschickt. Angenehm fällt Peter Erke 
lenz als Gefängnisdirektor auf.
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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