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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Oberfläche hinaus. 
S. Kraeauer. 
6^ Q 1 2L 
^L. 
geäußert. Um sie 
an- 
größerer Zahl gerade den Westen bevölkern. Seine 
lautete, daß es in London etwa viel mehr Bettler gäbe 
bei euch 
seid ihr 
Antwort 
als hier 
die Not 
von ihr 
gewiß gleich dem Sport die Funktion, den Folgen der Not 
gegenzuwirken, wird aber noch in Formen genossen, die selber 
Produkt der Not sind. 
junge, ersichtlich sportgeübte Menschen sich ihrer Jacke entledigen, 
um die Beschwerden der Hitze zu verringern, während ältere Her 
ren im Vollbesitz ihrer Kleidung dahinwandeln, ohne unter der 
kleinen Schwitzkur besonders zu leiden. Das Wochenende scheint 
also einstweilen die Widerstandskraft nicht eben zu erhöhen. Es hat 
Ich möchte damit nur gesagt haben, daß diese Not trotz der 
Luxuskarofferien und der Glanzperspektiven, die sich den Fremden 
so schnell eröffnen, durchaus nicht unsichtbar ist. Ihre Signale ragen 
vielmehr wie die Masten gesunkener Schiffe über die spiegelglatte 
mord verübt haben: 
Ein blutjunges Liebespaar, dessen Vereinigung durch seine 
Mittellosigkeit verhindert wurde; 
ein Polizeibeamter wegen Familienstreitigkeiten und UeLer- 
schuldung; 
ein zugereister Rentmeister; 
eine ältere Frau, die angesichts ihrer wirtschaftlichen Zer 
rüttung die Nerven verlor; 
noch eine alte Frau, die nach dem Tod ihres Mannes vergeb 
lich Arbeit suchte; 
ein SLallschweizer, der arbeits- und Wohnungslos war; 
Dem ist nichts weiter hinzuzufügen; es sei denn die Be 
trachtung, daß die Verschiedenheit der gewählten Todesarten mit 
der Gleichförmigkeit des Selbstmordmotivs merkwürdig kontrastiert. 
Wer auch innerhalb seines eigenen BeoLachtungsfeldes wäre 
ent- 
ein 
-Li 
jener Auslander leicht zu widerlegen. Ich will gar nicht von den 
vielen Merkmalen der Not reden, die mindestens so sichtbar sind 
wie der spärlich aufsitzende Glanz — also zum Beispiel von den 
Schwierigkeiten der Vergnügungsindustrie oder von der ungeheuren 
Menge leerstehender Großwohnungen —, sondern lieber einige 
unauffälligere Symptome des wirklichen Zustands verzeichnen. Zu 
ihnen gehört die Aufgeregtheit im Alltag. Mag selbst 
die gute Kleidung in 'gewissen Stadtteilen vorherrschen, das Ge 
baren der Menschen stimmt nicht recht mit ihr überein. Nicht so, 
als ob sie der Höflichkeit ermangelten, aber sie sind von einer 
Nervosität, die bei dem geringsten Anlaß ausbricht. Wer jetzt an 
den heißen Sommerabenden über den Kurfürstendamm promeniert, 
spürt deutlich, daß diese Menschen von Unruhe verzehrt sind und 
rasch aus der Haut fahren könnten. Sie stoßen sich, wenn sie 
aneinander Vorbeigehen, sie sprechen etwas lauter, als es vielleicht 
üblich ist, und erwecken überhaupt den Eindruck, von Reibungs 
flächen, die sich im nächsten Augenblick entzünden. Oft erfolgt auch 
wirklich eine Explosion. Ein Auto hat eine Straßenbahn gestreift, 
oder an irgendeiner Ecke bildet sich ein Menschenknäuel, aus dessen 
Mitte Schupohelme herausleuchten. Ich weiß, daß ich mich ganz 
ungenau ausdrücke, aber es kommt mir nur darauf an, die gereizte 
Stimmung anzudeuten, die hier fast körperlich fühlbar ist. Man 
müßte, um sie im einzelnen darzustellen, Lausende winzige Vorfälle 
schildern und dann aus ihnen die Summe Ziehen. Zu notieren 
wäre: die rücksichtslose Raserei der Autos nach dem Aufblenden 
des grünen Signals; Streitszenen in Restaurants; stumme kurze 
Blickschlachten zwischen Passanten, die sich nicht kennen und doch 
abtaxieren wie Waren; Gesprächsfetzen, Schaffnerauskünfte und 
manche Gebärden. Das aus diesen Zügen zusammengesetzte Mosaik 
verriete, wie geplagt und geschunden heute die Menschen oller 
Schichten bei uns sind. 
Man sollte meinen, daß ihnen Sport und Wochenende eine 
Erneuerung der Kräfte brächten. Wer ich habe schon wiederholt 
die Erfahrung gemacht, daß eher das Gegenteil richtig ist. Um es 
kraß auszudrücken: die Art und Weise, in der sich die Massen 
gegenwärtig ins Wochenende stürzen, ist selber ein Kennzeichen der 
durch die allgemeine Not erzeugten Hysterie. Sie geben sich der 
Natur nicht hin, sondern überrennsn sie gleichsam; tragen ihren 
Krampf in den Sport hinein, statt sich von ihm lösen zu lassen; 
vergäßen die Nacktheit, die doch nur der Gesundung dienen sollte, 
und erheben die braune Hautfarbe zum Idol. Wäre es anders, man 
müßte den Menschen auch im gewöhnlichen Großstadtleben anmer 
ken, daß sie sich körperlich ertüchtigt und draußen wirklich erholt 
haben. Dem besseren Aussehen, daß sie durch die bewußte Körper 
kultur erlangen, entspricht indessen keineswegs eine größere Ge 
messenheit, eine ruhigere Haltung. Wenn mich nicht alles täuscht, 
hat sich sogar ihre Empfindlichkeit nicht unerheblich gesteigert. Im 
mer wieder kann man an schwülen Lagen beobachten, daß gerade 
in Berlin. „Vielleicht," so reflektierte er, „ist 
nicht einmal schlimmer als anderswo. Nur 
auch seelisch völlig besessen." 
Solche Urteile werden von Fremden öfters 
Unter der HSerMche. 
Berlin, im Juli. 
Ein ausländischer Besucher Berlins, der weit in der Welt herum^ 
gekommen ist, sagte mir jüngst, daß man hier an der Oberfläche die 
Not kaum bemerke. Er war darüber um so erstaunter, als er von 
ihrem Vorhandensein wußte. Das gutgekleidete Straßenpublikum, 
die Wochenendmode, der Betrieb in den Lokalen — alle diese Zeichen 
eines scheinbar gehobenen Lebensstandards verwirrten ihn, da sie 
nach seiner Meinung das Faktum des Elends zwar nicht Lügen 
straften, aber ihm doch rätselhaft widersprachen. Ich machte ihn 
unter anderem auf die Bettler aufmerksam, die jetzt in immer 
richtigzustellen, genügte beinahe schon der Hinweis auf die täg ¬ 
liche Lokalrubrik. Ich greife aufs Geratewohl die Meldung eines 
hiesigen Blattes heraus, nach der in der Zeit vom Sonntag bis 
zum montag mittag nicht weniger als sieben personen selbst »IL LKSL VD» 
^uk 6runä äsr Hmkang 1929 äurcbgskübrten Lr- 
bebung äes (Oewerksobaktsbunäes äsr ^.n- 
gosteUtsn) ist äas ^Verk: „Lis wirtsebakt- 
liobe unä so21 als Lage äsr ^ngs- 
stellten" srsobisnen (Berlin, Lieben-Ltäbs-Verlax. 
334 Leiten. Oeb. lO), in äem äis LrZebnisss von 
über 12O O00 sorgkältig angelegten Lragsbogsn mit 
Mlks äes Uolleritb-L^stsms vielseitig ausgewertst 
woräen sinä. Das kunstgersobt verarbeitete Nats- 
rial beriebtst in vüobternen Nkkern von äsn Lsiäen 
unä Lobwisrigkeiten eines gewaltigen Ltanäss. 
lob nobms gleiäb vorweg, äall sieb einige Baupt- 
-rgsbnisss äsr Lnguete mit äsn ^nal^sen meiner 
Lobrikt: „vis Angestellten" äseksn. IVis äis Lr- 
bsbung änkumentarisob belegt, ist äsr ^ngestellts 
in materieller Linsiebt prolstarisiert. Vsr- 
sobieäens Linnelb eiten äieses LroLSsses kommen in 
äsr Oarstellung äss bssonäsrs lebrrsiob ber- 
aus. 8s v^irä stva naoÜASv^sssn, äoll äas ^ort- 
ikommsn sntsÄisläsnä von äsr socialen Usrkunkt 
LbdänFt. („Von 100 ^nAssisUtsn aus äsn Lrsissn 
äor LsIdstLnäißsn AsInnZt runä jsäsr 7. in eins Isi- 
tenäs kositäan, von 100 aus äom ^rbeitsrstnnä bin- 
xsAsn jsäar 14.") k'srnsr nötigen äis UntsrlnASN 
su äom Ledlull, änü äsr xsraäs in äsr ^nFsstslidsn- 
sedakt sinxstrstsns dsdurtsnrüok§Ln§ aus äsr Vsr- 
soUun§ äss ökonomisedsn k-sdsnssxisIrÄUmss 
lsitsn ssi. „Vis ein roter b'näsn Liebt sieb äis 
stnrks ^MünZiZksit äsr ^Lmilienstruktur von äsr 
ökonomisobsn Orunäls^s äureb äis Osss>mtbsit äsr 
IIntsrEuobunFsn . . Lins Datsnobs, äis mittelbar 
äureb äio anäers bestätigt v^irä, äa-ll ein Lorialsr 
^ukstisF ksinSK^eZs Mir Linäsrarmut kübrt. Niebt 
nur auk bsvolksrunAAxolitisebsm Oebiet, an allen 
Leben unä Lnäsn ärängen äis ^nblenresultats ibre 
Lsarbeiter ru äer Lrkenntnis von äsr innigen 
LeMSbunx Lvüsobsn Asisti^sn unä ökonomisebsn 
VsränäsrunFen. Lnä vüs sieb ibnen bäukiZ ZsnuZ 
rsi^t, äall materielle 'lVanälunZen äis äss Levmllt- 
ssins beäinFSn, so veMuebtixen sieb vor ibren 
^.uZen stliobs läeoloZien. Ls källt ibnen Lum Lei^ 
spiel niebt im ^raum sin, äaa Lob^inäsn äes soM- 
nannten Lamilienkinnes kür äis Lunsbmsnäs Linäer- 
losiFkeit verant^ortlieb Mi maeben. ^lles in allem 
eins gesunäs Lektüre kür umnebelte Loxks. 
Da äis LrbsbunA v^obl vor^visFSnä in ßEsrk- 
sebnMebsm Interesse erkolZt ist, Liebt sis eins 
Leibe von Huersobvittsn, äis als ^u6§an,Ztzx»unkt 
koÄal^oWLober Aktionen äienen können. Ihrer 
manebs sollten aueb von äer MlZemsinbsit 
Lsnntnis genommen v^eräen. V^iebtiZ ist unter 
äerem äis nun rikkernmälliZ kontrollisrts Lrkab- 
run§, ,^lall äis ^nAsstslltsn äurob eins vor 2 ei- 
ti§o ^.ussobsiäunK aus äsm Lroäuktions- 
proLell äer lVirtsübakt stärker bsärobt sinä als. 
anäsrs Leruksstänäs". („Nur 12.3 v. 8. äsr männ- 
liebsn ^.nßestellten stoben im ^ltsr von 50 äabren 
unä äarüber, 42.3 v. 8. binASGen im ^ltsr von un 
ter 30 äabrsn.") V^as äis äebältsr bstrilkt, 
so beträft äas Lurebsobnittseinkommen äsr männ- 
lieben ^nxsstelltsn —' äis vsiblieben sinä v^eit 
nisärisssr entlobnt — 267 Ls bleibt bei tei 
len äsr ^.nAesteiltensobakt bintsr äsm Lobn äer 
Arbeiter rurüok, steigt niobt so boob vie äas äsr 
Leamtsn an unä ist mittlerweile wie äas, aller ^r-. 
bsitnsbmerkatsgorien inkolge äer Lrise abAebaut 
woräen. ^uskübrliöb kommentiert unä kritisiert 
wsräen besonäers 2wei LrsobsinunASn: äis äsr 
Lenkung äes 6-ebalts in äsn obersten llabrgängen 
unä äie äer aulleroräentlioben Lpanne Lwiscben
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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