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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

/ . ^6^-63 
Sendekalion. 
I. Das Haus / S» Kraesuerr 
Wer dem neuen Berlrner Rundfunkhau s Auge in 
Auge gegenübersteht — es befindet sich an der NlasurenMee, dicht 
beim Funkturm und den Ausstellungshallen wird beinahe ge 
waltsam dazu genötigt, die erstaunlich raschen Erfolge des deutschen 
Rundfunkwesens zu Überschlagen. Aus unscheinbaren privaten An 
fängen hat es sich in Kürze zu einer allgemein sanktionierten Ein 
richtung entwickelt, die nicht mehr aus der Öffentlichkeit wegzu- 
denken ist; aus provisorischen Behausungen beginnt es in riesige 
Bauten überzusiedeln, die repräsentieren möchten. So wichtig die 
Frage nach den Gründen und dem Sinn dieses unerhörten 
Triumphzuges wäre — ich habe nicht die Absicht, sie gerade bei der 
Einweihung des Hauses von Poelzig zu stellen. Denn ihre Be 
antwortung reichte weit über den gegebenen Anlaß hinaus und 
führte mitten in die Erörterung unserer sozialen und geistigen. Ge- 
samtsituation. Dergleichen hat seine Zeit Inzwischen lassen sich 
vielleicht aus der Betrachtung des Hauses an der Masurenallee 
einige Aufschlüsse gewinnen, die nicht nur das Architektonische be 
treffen. 
Der große symmetrische Komplex, der die Verwaltungsräume 
der Reichs-Rundfunkgesellschaft, der Deutschen Welle und der Ber 
liner Funk-Stunde umfaßt, ist außerordentlich zweckmäßig und 
übersichtich gegliedert; wofür übrigens schon die Tatsache spricht, 
daß sein Grundriß wie der jeder guten Raumlosung den Reiz eines 
schönen Ornaments besitzt Er hat ungefähr die Gestalt eines Drei 
ecks, dessen größte Seite die Haupifront bildet. Die beiden anderen 
Seiten sind leicht geschwungen. Pon dem unmittelbar hinter der 
Frontmitte gelegenen Lichthof strahlen die drei Sendesäle der Funk 
Stunde mit ihren Probesälen und dem Senderaum der Deutschen 
Welle fächerförmig nach den geschwungenen Rundbauten aus eins 
Anordnung, durch die nicht nur der Schutz der Rämne gegen den 
Straßenlärm, sondern auch ihre bequeme Zugänglichkeit von allen 
Perwaltungsstellen erreicht wird. Die Außenteile der Dreiecksaulage 
beherbergen unter anderem Vortragszimmer, den Sitzungssaal der 
Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, die Räume des Rundfunk-Kom 
missariats und einen Saal für das zukünftige Rundfunkmuseum. 
Ferner ist im Souterrain eine Schwemme für die Künstler und ober- 
^Llb des MiLLelsaales ein Dachgarten vorgesehen, an den sich ein 
Angestelltenkasino schließt. Die Fürsorglichkeit wird bis zu vier 
Hotelzimmern voraetriebem in denen die auf der Durchreise 
„1914." 
Lr Berli«, im Fansar. 
Die Spannung, mit der viele dem Film: „1914" entgegen» 
sahen, ist, wie die heutige Premiere im Tauentzien-Palap bewies, 
nickt gerechtfertigt gewesen. Ohne mich auf die politische Bedeu 
tung dieses Erzeugnisses einzulassen, die an anderer Stelle unseres 
Blattes behandelt worden ist, stelle ich nur fest: daß es weder 
den Manuskriptverfassern noch dem Regisseur Richard Oswald 
gelungen ist, mit filmischen Mitteln die Mächte zu bannen deren 
Zugriff oder auch deren Ohnmacht zu den Kriegsentscheidungen 
führten. „Die letzten Tage vor dem Weltbrand" heißt der Unter 
titel des FilmS. In der Tat: er veranschaulicht lediglich das 
Unwesen der historischen Figurinen, die in zwölfter Stunde zu 
sichtbaren Exponenten des großen Krastespiels wurden. Waren 
selbst alle ihre Gespräche, ihre Unterhandlungen und Telegramme 
aktenmäßig beglaubigt - ein Teil der Szenenfolge ist es keines 
wegs, sondern Stilisierung oder seelischer Schmuck —> so enthielte 
der Film dock nicht die geschichtliche Wahrheit, da er viele schwer 
wiegende Tatsachen mitzuteilen verabsäumt, aus denen sich dre 
KabinettsbeWüsse und Ministerintrigen erst erklären. Er ist eine 
Kombination nach der Art, wie man sie früher in den Schul» 
lesebüchern fand. Und die Episoden, die er vergegenwärtigt, sind 
nichts weiter als ein Gespensterreigen. Richtige Gespenster sind 
schaurig; diese schablonierten nur leer. 
Die ungenügenden Absichten haben eine mangelhafte künstle 
rische Ausführung zur Folge. Nach ein Paar Meter Bethmann-Holl- 
weg kommen zwanzig Meter Innenleben deS Zaren und Geschluchzt 
der Zarin; und so fort. Eine rasend gewordene Drehbühne, deren 
Bilderwirbel wie die Illustration zu einem Text anmutet, den sie 
durch ihr zusammenhangloses Ungestüm noch einmal desavouiert. 
Es fehlen die montagemäßigen Bindungen zwischen den Auftritten, 
es fehlt die überragende optische Einheit, die dem ganzen Film eine 
Gestalt verliehe. „Die letzten Tage vor dem Weltbrand" — sehr zu 
seinem Nachteil ruft der Titel den eines Meisterwerkes von Pu- 
dowkin inS Gedächtnis zurück. Aber das ästhetische Kuddelmuddel 
ist nur die Rache für den Dilettantismus, der hier Geschichte zu 
verfilmen unternimmt. . „ . 
Da sich die Schauspieler in der Hauptsache darauf beschranken 
»mflen, gehaltlosen Repräsentationspflichten nachzugehen, läßt sich 
nichts über sie sagen. Aus ihrer Menge ragt der Zar Reinhold 
Schünzels hervor, dem allerdings schwere psychische Kämpfe abver 
langt werden. 
befindlichen Rundfunkgäste nach Gefallen näGiger^nägen 
^ch schweige von der Fernlüftung, dem Geschick, mit dem die 
wH Korridoren umergebracht sind, und anderen 
techngchen «chlkanen. Von allgemeinem Interesse ist imwer- 
dre Emrichtung der drei Säle. Sie suck in jedem Geschoß 
^..schackdamM Gängen umgeben und haben der besseren 
- akr-nfchen^ Wirkung wegen eine schwach konische Form. Ueber 
den großen Mittelsaal läßt sich einstweilen nichts weiter saaen 
als Laß er unermeßliche Dimensionen hat. Sein Ausbau soll 
erst erfolgen, wenn noch mehr akustische Erfahrungen vorlieaem 
Wahrend der eine der beiden seitlichen Säle, in Putz gehalten ist 
besteht der andere durch und durch aus Holz. Das heißt, es bedarf 
nur der Drehung seiner verstellbaren Wandbekleidung, um Täfe 
lungen aus weißlichem Celotex hervorzuzaubern, die irgend 
welchen Schallzwecken dienen. Um alle drei Säle laufen Galerien 
und Orgeln gehören zum guten Ton. 
Die Ausstattung ist sparsam und streng. Dunkelbraune Keramik 
streifen, die mit rabiater Systematik vom Erdboden senkrecht auf 
steigen und einander in so Lichten Abständen folgen, Laß^an^sie 
umblättern zu können glaubt wie die Seiten eines Buches/ be 
stimmen Las Lurch Llauschwarze EiseMinker verdüsterte Gesicht 
der 150 Meter langen Fassade. Zum Glück sind die Seitenwände 
weniger fanatisch urw begnügen sich mit den Glanzeffekten Heller 
Klinker. Im Innern wäre zu verzeichnen: der ebenfalls mit 
Keramik bedachte Lichthof, in dem es nichts zu lachen gibt; der 
geschäftliche Ernst der Farbtöne in den Fluren; das rein sach 
liche Gehaben der Säle, denen auf der Stirn geschrieben steht, 
daß sie technisch vollkommen ausgerüstet sind und alles, was 
in ihnen schallen kann, darf und will, prompt weiterleiten. Von 
Mr Wichtigkeit, Ke im ganzen Dreieck herrscht, heben sich eigent 
lich nur die graziösen Beleuchtungskörper der nach den Höfen 
zu gelegenen Treppenhäuser ab. 
Kurzum ein Bauwerk, das eher drohend als heiter ist und ent 
schieden mehr an das Verwaltungsgebäude eines Konzerns als an 
eine Stätte geistiger und künstlerischer Leistungen erinnert. Ich 
fürchte fast, daß eine Art vom Mißverhältnis zwischen seiner Büro 
schwere und den Rundfunkprogrammen besteht und kann auch 
nicht umhin, mir bei seinem Anblick das große Warenhaus am 
Hermannplatz ins Gedächtnis zurückzurufen, das eine gewaltige 
Festung ist, die mit heimlichen Kanonen gespickt zu sein scheint, 
statt mit Verkäuferinnen und Waren. Wie lauten denn die Rund 
funkprogramme? Sie reden gewiß von so bedeutenden Themen 
wie dem gemeinnützigen Wohnungsbau, den Herztönen, dem Ski 
sport, dem Arbeitslosenproblem und den Bahnbrechern der Heil 
kunde, aber sie bringen auch ebensoviele rein unterhaltende Dar 
bietungen: Lustige Abende, Kabarettveranstaltu^ Hörspiele 
und Konzerte. Es wäre möglich, daß die Künstler nicht ohne Be 
klemmung die Senderäume betreten/ und daß die Musen in der 
Umarmung der Verwaltungskorridore ein wenig frösteln. 
Fest steht jedenfalls, daß das Gebäude nicht durchaus die 
Leistungen repräsentiert, um derentwillen es errichtet wurde. 
Auf der anderen Seite erstrebt es unverkennbar eine repräsenta 
tive WMung. Was aber stellt es nun eigentlich vor? Ich weiß 
es nicht recht. Ich weiß nur das eine, daß es gleich manchen 
anderen Gebäuden, die einen bestimmten Inhalt zu formen 
hätten, ein Pathos an den T-ag legt, das sich mit diesem Inhalt 
nicht deckt, ein gewissermaßen vecselbständigtes Pathos, Las auf 
eigene Faust durch die Welt klirrt. Warum so allein und feierlich, 
ist, man zu fmgsn versucht. 
Im Galle des Rundfunkhauses, dessen großartige Disposition 
die Meisterhand Poelzigs verrat, kann, wie ich meine, der Grund 
für den Ueberschuß an Würde und gerunzelter Stirn nur darin 
liegen, daß die Idee des Gebäudes nicht kräftig genug ist, um 
eine ihr angemessene Gestalt Zu ermöglichen. Die Neutralität des 
Rundfunks ist ein Kompromiß, der keiner höheren Einheit unter 
steht, sofern sich Zwangsweise aus den Machtverhältnissen der 
politischen Parteien ergibt. Und so ist seine Fülle oft notge 
drungen ein Füllsel endloser Stunden, und seine Buntheit das 
Widerspiet zusammmhangsloser Publikumsansprüche. Der Bau 
künstler findet sich also der Aufgabe gegenüber, den Gehalt einckr 
Institution räumlich darzustellen, die sich trotz ihrer anerkennens 
werten Bemühungen um Qualität unter den augenblicklichen 
Umstanden kaum einen positiven Gehalt erkämpfen kann. Es bleibt 
ihm nichts anderes übrig, als sich von den unzureichenden Stützen 
zu emanzipieren und das Fckrmengewand nach freiem Ermessen 
ZU schaffen. Auch sonst lassen ja die Inhalte den Architekten häufig 
im Stich; was allerdings keine Entschuldigung für die pomp 
haften Fassaden ist, denen man gerade in Berlin immer wieder 
begegnet . 
Aber daff Poelzighaus offenbart nicht nur mittelbar die be ¬ 
gründete Verschwommenheit der Rund^unkidse, es gibt darüber 
hinaus einen wesenllichen Zug des Madiobetrrebs preis. Nicht 
aus Willkür ist es so rigoros und ähnelt dem Sitz einer in 
dustriellen Zentmlbchörde. Durch sein ganzes Stilgebaren kenn» 
zeichnet es höchst genau den Warencharakter der geistigen 
Leistungen, die hier vonstatten gehen. Sie werden in den drei 
Sälen wie ein beliebiges Fabrikat erzeugt, verpackt und auf draht 
losem Weg den Konsumenten ins Haus geliefert. Eben diese ihre 
DoppelbedeuLung als Schöpfung und Ware verleiht ihnen jene 
Unhermlichkeit, die auch das hervorstechendste Merkmal des neuen 
Hauses ist. Wider Willen vielleicht macht es die verborgene Eigen 
schaft des Rundfunks sichtbar: ein Großunternehmen Zu sein, das 
die Produktion der Forscher, Literaten und Künstler in gebrauchs 
fertige Produkte verwandelt.
	        

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Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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