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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Getrennt 
die Gemein- 
schaftsarbeit der Ufa und eines Fabrikunternehmens, das auf die 
sem nicht ungewöhnlichen Wege sein Erzeugnis unter den Bäckern 
propagieren will. Ohne mich den technischen Einzelheiten näher zu 
widmen, begnüge ich mich mit der Feststellung, daß das vorgeführte 
Verfahren zur Fabrikation guten Roggenbrotes ingeniös ersonnen 
zu sein scheint und der Film selber glänzend gemacht ist. Er ist 
ein Bäckertonf i l m, mit einem Wort; ein umfassendes Epos, 
in dessen Roggenteig alle löblichen Taten des ehrsamen Bäcker 
standes hineingeknetet worden sind. So veranschaulicht es etwa die 
Sangesfreude der Bäcker' durch Aufnahmen vom Sängerfest des 
Mittelsächsischen Bäckermeister-Bundes in Roßwein oder gestaltet 
den Kummer der Meisterin, die kein Brot mehr im Laden hat und 
daher die Kunden unbefriedigt abziehen lassen muß. Manchmal ist 
es.gar kein Spaß, ein Bäcker zu sein. Die Rosinen im Kuchen 
sind natürlich jene Bilder, die das betreffende Fabrikationsverfah 
ren zum Gegenstand haben. Sie dringen tief in die Geheimnisse 
des Sauerteigs ein und fördern mit vollendeter Deutlichkeit die 
folgenschweren Prozesse zutage, die sich in seinem Innern unsichtbar 
sbspielen. Aber welcher Mittel bedienen sie sich zu diesem Zweck! 
Ich stehe nicht an, sie kriegerisch zu nennen. 
Es handelt sich darum, mit Hilfe von Trickzeichnungen den 
Nachweis Zu erbringen, daß sich die Hefem und die Sauerteigbak- 
texten im Sauerteig unter verschiedenen Bedingungen entwickeln. 
Dieser Vorgang wird nun so demonstriert, daß man die winzigen 
und wahrhaftig friedfertigen Körperchen einfach in Uniformen 
steckt. Und zwar müssen die einen zur Kavallerie einrücken, während 
Ne anderen, die nur schlecht vorwärts kommen, der Infanterie zu- 
,MeilL werden. Dann schmettern Militärmärsche drauf los, und 
ein unendlicher Zug von Hefen- und Bakterientruppen vollführt in 
strammer Haltung die vorgeschriebenen Evolutionen, Paraden im 
Brot, ausgerüsteter Sauerteig und FriderieW Mikro ¬ 
skop: soweit also hätten wir's glüMch gebracht. Bald werden sich 
Ue Elektronen nicht mehr wie die Planeten-bewegen^sondern links 
sein werden. Und dennoch... 
Der Kulturfilm, von dem ich hier rede, heißt: 
marschieren, vereint schlagen" und ist 
brauchsanweisung verrat, daß er Tränengaspatroneü enthalt, mit 
denen man einen Angreifer' ein paar Minuten lang DampfunsWg 
machen kann. Man braucht nur auf ein Knöpfchen zu-drücken, und 
gleich Zischt das Tränengas aus der Hülse hervor. In der Tat ist 
ein unauffälliges Knöpfchen am Meistiftlauf angebm denO lch 
freilich nie die Funktion zugetraut hätte, die es in Wahrheit er 
füllt. Es erweckt viel eher den Eindruck, als bewirke es den Wchs 
schub neuen Graphits? Nachdem die Gebrauchsanweisung das. Ver 
fahren beschrieben hat, kommt ste auf die Vorteile dieser Ver^ 
Leidigungsmethvde zu sprechen und stellt enthusiastisch fest: „Mit 
dem schießenden Bleistift bewaffnet, kann die brave Geschäftsfrau 
jeelenrnhig auch den unheimlichsten Kunden hinter dem LadeNHsch 
bedienen." ' 
Seelen ruhig — ich sehe die brave Geschäftsfrau mutters 
elenruhigallein im Laden und auf der Theke in Reichweite den 
schießenden Bleistift. Es will Abend werden, und sie fertigt noch 
einen letzten Kunden ab. Sein Aeußeres ist furchterregend, aber 
sie fürchtet sich nicht im geringsten, sondern nimmt wie iw Spiel 
den Bleistift Zur Hand. Kaum macht der Kunde die erwartete ver 
dächtige Bewegung, so sinkt er auch schon betäubt nieder. Die 
brave Geschäftsfrau alarmiert dann seelenruhig die Polizei, die 
in dem Kunden einen lang gesuchten Kunden entdeckt. Das alles 
hat der schießende Bleistift getan. 
So wenig er die Ausgeburt eines Detektivromans 
ebenso wenig schwelgt die Gebrauchsanweisung in erfündM'M 
Szenen. Ihr Text enthüllt vielmehr drastisch die Zeit, in der wir 
das Vergnügen haben zu leben. Mit einer SeWverstLndtt 
die erschüttert, setzt er voräus, daß, heute die. unheimlichen AlMen 
unter uns umgehen und ein schießender Bleistift nicht minder Not 
wendig ist als das Brot oder der Schlaf. Jedermann sein eiKMr 
Tränengaserzeuger, sagt dieser Text, denn überall kann ein- An 
greifer lauern, gegen den wir chemisch gerüstet sein müssen. Die 
Straßenschlachten, Ueberfälle und Einbrüche sind zur Alltäglichkeit 
geworden, die Detektivromane spielen mitten in der normalen 
Wirklichkeit. Empfänden wir noch das Außervrdent^ 
Zustandes! Aber wir haben uns bereits so an ihn gewöhnt wie 
an die Ernährung im Krieg. Und vielleicht mMt M GM^ 
anweffung nicht. Zu Unrecht, daß wir. sofort leelenrM An 
werden, wenn wir nur im Besitz" schießender B 
Ein Bedenken kann ich allerdings dabei Mcht M 
Es ist anzunehmen, daß sich auch die Kunden, dieser Bleistifts 
sichern, ün^daun wüden die braven GeWftGMewW 
-Nachsch^ Eine Garantie M SeM 
falls nicht. VORrnonusk. 
schwenken und rechts schwenken wie Rekruten. Die ganze Natur 
wird dann ein Kasernenhof sein, und ich sehe schon die Heuschrecken 
im Aufklärungsdienst beschäftigt und die Maülwürfe als Pioniere/ 
Ernsthaft gesprochen: die Ereignisse im Sauerteig wären nicht 
minder verständlich geworden, wenn man die Hefen und Bakterien 
zum Beispiel in Sportsleute verwandelt oder ihnen irgendeinen 
anderen Passenden Friedensberuf zugedacht hätte. Mußten sie wirk 
lich militarisiert werden, damit der Sauerteig aufgeht und dem 
Publikum eingeht? ES scheint beinahe so. Wenn ich in Zukunft 
Roggenbrot esse, wird mir die Kavallerie und die Infanterie jeden 
falls schwer im Magen liegen. 
Uarade im Mrot. 
Mx Berlin, im Januar. 
Brot ist eines der friedlichsten.Dinge auf Erden, und sogar 
das Roggenbrot macht keine Ausnahme davon. Nur wenn es ein 
mal fehlt, entstehen unter Umständen Hungerrevolten, die ihrer 
seits vielleicht wieder militärische Aktionen bedingen. Ist es aber 
vorhanden, so sind die Menschen beruhigten Gemütes und geben 
sich gerne dem Glück des Friedens hin. Sie träumen bei ihrer! 
Bürostulle vom nächsten Sonntagsausflug oder schmieden schon 
Pläne für die Ferien, in denen sie ebenfalls mit Brot versorgt 
Seelenruhig. 
Berlin, im Januar« 
In den Detektivromanen, die ich lese, treten mitunter Mord 
instrumente auf, deren Konstruktion äußerst geistreich ist. So ent 
sinne ich mich eines Verbrechens, das mit Hilfe eines Blasrohres 
begangen wurde, aus dem der Mörder eine vergiftete Nadel auf 
sein Opfer schoß. Vermutlich wäre die Untat nie entdeckt wor 
den, wenn nicht ein besonders fähiger Detektiv eingsgrisfen hätte. 
Wer zum Glück sind solche Detektive in den Detektivromanen 
immer Zur Stelle, und das jeweilige Verbrechen wird überhaupt 
nur darum möglichst geschickt inszeniert, damit sie ihren Scharf 
sinn in ein Helles Licht setzen können. Von einer seht raffinier? 
ausgedachten Waffe las ich erst kürzlich m folgendem Zusammen 
hang: Ein Wann dringt in das Laboratorium eines Gründers ein 
und reißt besten Pistole an sich, um ihn zu Loten. Der Erfinder 
— er ist der edle Held des betreffenden Romans — bleibt still 
vergnügt sitzen und warnt seinen Gegner davor, den beabsichtigten 
Gebrauch von der Pistole zu machen. Der richtet ungeachtet der 
Warnung die Waffe auf den Erfinder^ drückt ab und — erschießt 
sich selber. Die Pistole entlud sich nämlich nicht wie andere ihres 
gleichen nach vorne, sondern nach rückwärts. Ich füge nur noch 
hinzu, daß der Erfinder in aller Heimlichkeit auch für eine kine 
matographische AufnahM des Vorgangs gesorgt hatte, mit der 
er später sonnenklar seine Unschuld bewies...« 
Bei der Lektüre dieser Romane habe ich allerdings bisher nie 
die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß ihre Angaben der Wirklich- 
ckeit unseres Lebens entsprachen^ I ich hult sie für 
Erzeugnisse einer mehr oder weniger strotzenden KolM 
tasie und ließ mich desto lieber von ihnen spannen, je ungebro 
chener ich der Ueberzeugung war, daß ste um der Spannung willen 
die Wahrscheinlichkeit opferten. Und jene merkwürdigen Waffen 
schienen mir nur märchenhafte Requisiten zu sein, die im Inter 
esse blendender Effekte den Mördern oder Detektiven in die Hände 
gedrückt worden waren. 
Nun stellt sich leider heraus, daß ich in einem Irrtum be 
fangen gewesen bin. Es gibt diese Waffen, und sie existieren nicht 
allein in den Detektivromanen, sondern führen eine WtagsexiftenZ, 
die schlechterdings unbezmeifelbar ist. In einem Schaufenster des 
Berliner Zentrums hangt ein Tüschenbteisüft, der so harmlos aus- 
Mt Witz nndere BleiWLe auch Ein schöner schwarzer Bleistift, 
mit etnn Spitze ZE einer Klammer,"E 
Befestigung in der Rocktasche dient. Memand merkt ihm an. baß 
er-nur ein unfrommer Tmg ist, und doch wird, er zu gefährlicheren 
Zwecken als zum Schreiben benutzt. 
Er ist ein BeLaubungsrnstrument und nennt sich „der 
jchießtzkdz Bleistift", Die neben ihm befindliche Ge
	        

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