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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Zwei Krauen im Aikm. 
Berlin, im September. 
Greta Garbo. 
Da geht man ins Kino, um die Garbo zu sehen, und steht 
sie auch — aber in welcher Umgebung! Inmitten eines Unrats 
von Peinlichkeiten und erlogenen Gefühlen muß sie erscheinen. 
Wenn eine Jndustriefirma Maschinen erzeugt, so ist es in Ord 
nung; wenn sie jedoch ihren Kundenkreis zu Tränen rühren will 
und sich in dieser Absicht bedeutender Stoffe bemächtigt, so kommen 
in der Regel schlimme Dinge heraus; mag auch das Publikum 
tatsächlich schluchzen. Der Film: „Mata Hart" übertrifft noch 
die Befürchtungen derer, die schon im Gedanken daran, daß man 
in Hollywood ein solches Thema bearbeiten könne, von ungünsti 
gen ° Vorahnungen geplagt worden sind. Kein Effekt, den uns 
Metro-Goldwyn-Mayer diesmal schuldig geblieben wäre; keine 
melodramatische Szene, die sich nicht zu Erpressungszwecken un 
erträglich lang hinzöge. Der Delinquent am Anfang wird nicht 
nur erschossen, sondern zeigt sich auch'noch nach der Hinrichtung 
mit gekrümmten Gliedern. Und der Abschied des erblindeten russi 
schen Offiziers von Mata Hart ist eine Seelenzuckertorte von 
so gewaltigem Umfang, daß ' man sie niemals aufessen kann. 
Liebe, Verrat aus Dämonie, Glanz, Jugend, Trauer: all diese 
Daseinsformen und Gehalte werden wie irgendein neuentdecktes 
Oelfeld vom Spekulantentum skrupellos ausgebeutet, und mit 
ihrem puren Sensationswert macht es dann seine sensationellen 
Geschäfte. 
Man sieht die Garbo, kann sie aber nicht einmal hören. Zu 
den Widerwärtigkeiten des Films kommt noch diese hinzu: daß 
seinen Darstellern die deutsche Sprache in den Mund gezwängt 
wird. Das aus dem Film: „Anna Chnstie". her bekannte dunkle 
und rauhe Organ der Garbo mag anfechtbar sein. Doch es ist 
ihre Stimme, die einzige, die wirklich zu ihren Gebärden gehört. 
Hier verleibt man ihr eine fremde (an sich gar nicht schlecht 
klingende) Stimme ein, deren Weichheit durch das Mienenspiel 
stets Lügen gestraft wird. Noch fahrlässiger beinahe ist man mit 
einem alten General umgesprungen, der seine fatale Rolle im 
lyrischen Ton eines jugendlichen Liebhabers herunterdeklanueren 
muß. Wann werden diese gedubbten Filme endlich von der Bild 
fläche verschwinden? Wenn man nicht eine Version mit deutschen 
Schauspielern vorzieht, ist nur das. eine Verfahren richtig: die 
Originalsprache beizubehalten und die wichtigsten deutschen T^ 
in die Bildstreifen hineinzukopieren. 
Immerhin sieht man die Garbo. Und sie hat soviel Natur, 
die manchmal ganz Kunst wird, daß es ihr an einigen Stellen 
gelingt, den elenden Kitsch zum Vergessen zu bringen, in dem 
jede andre erstickte. Am Krankenbett des Geliebten und, dann 
weiter dem Ende zu ist sie gleichsam allein und vollkommen wirklich. 
Die ergreifenden Monologe ihres Gesichts sind in diesen Szenen 
beredt genug, um hörbar zu werden, und sogar die erborgte Stimme 
bleibt auf der Strecke zurück. 
Elisabeth Bergner. 
Unmittelbar nach der Garbo ist den Berlinern wieder einmal 
Elisabeth Bergner zuteil geworden. Sie hat lange nicht mehr 
gespielt. Der für sie hergestellte Film nennt sich übertrieben poe 
tisch: „Der träumende Mund" und ist, wie immer, von 
Paul Cz inner inszeniert. Zugrunde liegt ihm ein leichthin 
ernst gemeintes Boulevavdstück Henry Bernsteins, das durch die 
Verfilmung weder vertieft noch, was wünschenswerter 'gewesen 
wäre, verflacht worden ist. Denn es ist wirklich nicht einzusehen, 
warum die Frau des sympathischen Orchestermuflkers in den Tod 
gehen muß. Weil sie plötzlich eine heiße Liebe zu dem berühmten 
Violinvirtuosen gefaßt hat, in dem sie auch den Glanz der Welt 
gesammelt findet, und nun nicht mehr weiß, zu welchem der beiden 
Männer sie fortan gehören soll? Indessen, die gewaltsame Lösung 
dieses etwas postumen Konflikts wirkt nur wie eine brüske 
Ueberrumpelung und nicht als ein notwendiges Finale, das tra 
gisch heißen dürste. 
Es ist der Bergner nicht geglückt, die Konstruktion glaubhafter 
zu machen. Sie soll die kleine Frau des netten Musikers sein und 
zugleich das Weib, das den erfahrenen Virtuosen an sich zu fesseln 
vermag. Statt aber dieses aus jener hervorgehen zu lassen, spielt 
die Bergner durchweg ein Jungmädchen, das kapriziös auf seinem 
etwas kindischen Wesen beharrt. Sie trägt ihre Unreife zur Schau, 
sie behandelt die Sprache wie ein Spielzeug, das man mit sich 
herumzerrt und manchmal zerbricht. Zugegeben, daß sie diesen 
kaum der Pubertät entwachsenen Typus reizend und intelligent 
verkörpert. Nur ist die Art, in der sie ihn darstellt, schon fast zur 
Manier gediehen, und überdies traut man einem so bewußt ver 
niedlichten Geschöpfchen nie und nimmer die Eroberung des ab 
gebrühten Geigers zu. Die Anlage der Rolle ist so verfehlt, daß 
auch die paar Akzentverschiebungen keinen entscheidenden Einfluß 
erlangen. Gewiß, als Pflegerin ihres Mannes mischt die Bergner 
wundervoll Ernst und Verzicht, und wenn sie am Hals des Ge- 
NealWM Lösung. 
Paris^ im September 
Aus welchen Gründen man uns in DeutschlmL gerade die 
besten französischen (und amerikanischen) Filme vorenthM ist 
mir unbekannt. Tatsächlich hat man dem deutschen Publikum 
weder: äs 1a luus" übermittelt, eines der reizendsten Kam- 
mersplele, dre selb langem gedreht worden sind, noch den Film von 
^ean Renoir: „ka ebisuL^. Gerade dieses Werk bei uns 
emAuführen, wäre aber sehr nützlich. Denn es ist ein gutes Bet- 
Realismus, den der Film im allgemeinen und 
der deutsche Frlm im besonderen offenbar nicht aufzubringen wagt. 
E?^bgmtellr Der Film verleugnet bei.uns, wie man weiß, die 
Wrrklrchkert, wo er nur kann, und ergeht , sich lieber, in'den .aus- 
schwerfendsjen Illusionen, als daß - er das Leben richtig. widerzu-- 
spiegeln versuchte. Und doch gäbe es keine entscheidendere Aufgabe 
m Deutschland als die Schürfung des Blicks für die Realität. 
Unter seiner Stumpfheit haben wir, nicht zuletzt in politischer Hin 
sicht, viel und unnötig zu leiden gehabt. 
Die Handlung des Films: „iH edisnns" entwickelt sich wie 
folgt:.Ein älterer, mit einer Xanthippe verheirateter Bonhomme, 
der in seinen Mußestunden der Malerei huldigt, knüpft eine Be 
ziehung mit einer Grisette an, die einen Zuhältertyp zum Freund 
.l>ll. Da sie diesem ganz ergeben ist, hilft sie ihm, die Bilder des 
Malers heimlich in den Handel zu bringen. Der Coup gelingt, 
und der Zuhälter macht sich bald ein Vermögen. Eines Tages 
entdeckt der Bonhomme von Maler, daß er elend betrogen worden 
ist, seine Arglosigkeit weicht der Verzweiflung, und er ermordet das 
Mädchen, das ihn allein noch mit dem Leben verband. Durch eine 
Reihe von Zufällen wird nun nicht er, sondern der Freund der 
Tat bezichtigt und ins Gefängnis gesetzt. Die Frage ist: zieht man 
im Film seine Unschuld ans Tageslicht, oder läßt man ihn für ein 
Verbrechen büßen, das er —zufälligerweise — nicht begangen hat? 
Ich bin davon überzeugt, daß die üblichen Manuskriptschreiber 
die erste Lösung bevorzugt hätten. Und zwar hätten sie aus zwer 
Motiven heraus den Zuhälter entlastet und dem Maler den Pro 
zeß angedreht. Einmal darum, weil gemäß der bei uns herrschen 
den Auffassung der Film das Leben, in dem sich ja manchmal 
Justizirrtümer ereignen, nicht demonstrieren, sondern beschönigen 
soll. Zum andern darum, weil der für den Mord verantwortlich 
gemachte Maler gar noch zum (pseudo-) tragischen Helden an 
geschwollen wäre, und ein Film mit einem tragischen Helden nach 
der Meinung unserer Filmkonfektionäre mehr Laugt als ein Film, 
der das reale Dasein schildert, in dem die tragischen Helden keines 
wegs überwiegen. Kurzum, man hätte in hundert gegen eins Fäl- 
. len auf Kosten der Lebensechtheit einer billig zu erlangenden 
Wahrheit die Ehre gegeben und leichter Hand die sogenannten 
höheren Bedürfnisse befriedigt. 
Renoir läßt, der Romanvorlage folgend, den Widersinn schein 
bar triumphieren. Der Maler schweigt während der Gerichtsver 
handlung, er ist zu feig oder zu gelähmt, um sein Verbrechen ein- 
zugestehen. Da kein Verdacht auf ihn fällt, wird der Freund des 
Mädchens guillotiniert. Dergleichen pflegt zu geschehen. Es gibt 
diese Hündinnen, diese, älteren Männer, die mit dem Leben nicht 
fertig geworden sind, und diese schurkischen Kerle. Und die Stärke 
des Films ist -eben die, daß er sich dem Anblick wirklicher Menschen 
und ihrer Handlungen nicht entzieht, sondern ihm standhält; daß 
er den Sieg der Ungerechtigkeit offen darstellt, statt ihn zu ver 
tuschen. Verherrlicht er etwa die Ungerechtigkeit? Er tut nur nicht 
so, als sei sie ohne weiteres aus der Welt zu schaffen, und ver 
anschaulicht überdies, auf welch vertrackten, kaum sichtbaren Wegen 
das Leben jene Ausgleiche bewerkstelligt, die unserem Gerechtig 
keitsbedürfnis annähernd genügen. Dem Film klappt ein Epilog 
nach, aus dem hervorgeht, daß der Maler zum Vagabunden herab 
gesunken ist, der nicht einmal mehr weiß, daß er einst Maler ge 
wesen war. Die Strafe hat ihn mittelbar ereilt, er vegetiert 
kläglich dahin. Während in der Mehrzahl der Filme die Gerechtig 
keit, entgegen jeder Erfahrung, offene Türen einrennen darf, ist 
-sie hier wie in der Wirklichkeit selber nur hinter einer Wand zu 
ahnen; das heißt, sie erzeugt sich dadurch, daß sich zwei Ungerech 
tigkeiten aufheben. 
Am Können fehlt es Lei uns durchaus nicht; wohl aber an 
der realistischen Gesinnung, die aus diesem Film spricht. Zu ihr 
sollten auch unsere Filme erziehen. Denn die Kraft, das unver 
stellte Leben ins Auge zu fassen, ist eine Vorbedingung echten 
politischen Handelns. L. Lraeauer.
	        

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