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H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043733
Title:
H:Kracauer, Siegfried/03.12/chronologische Mappe 1933 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/03.12/chronologische Mappe 1933
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1933
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Lr Basel, 3. Septbr. 
Der XV. Zionistenkongreß, auch ,^Fubiläumskongreß" ge 
nannt, weil vor dreißig Jahren der erste Kongreß zu Baiei 
stattfand, tagt in dem Gebäude der Mustermesse, das seiner 
großzügigen Anlage wegen für Kongreßzwecke besonders ge 
eignet ist. In seinen Vestibülen, Sitzungszimmern und Sälen 
treffen zusammen: ostjüdische Gestalten, die mit ihren Bärten 
chassidischen Geschichten entstiegen zu sein scheinen; palä 
stinensische Juden der verschiedensten Herkunft und Färbung 
(unter ihnen ein Vertreter der Yememten, arabisch anzu- 
sehen, mit einer Stimme, die an Vogelschreie erinnert); ame 
rikanische Juden, die eher Amerikanern als Juden gleichen; 
schmalglibdrige Männer, deren Erscheinung die Anpassung an 
die lateinische Rasse verrät; Patriarchenhäupter im Schutze 
ihres Käppchens und international abgeschliffene Gesichter. 
Der Buntheit dieser Physiognomiken Erdkarte 
entspricht die der Idiome. Viel wird Hebräisch gesprochen, 
das in der Debatte mitunter passioniert und bewegt aufklingt; 
ferner Jiddisch, das sich bald ganz fremd anhört, bald wie 
verderbtes Deutsch; natürlich auch Deutsch und Englisch, und 
auf den Korridoren, noch einige andere Sprachen. Man hat 
die Auswahl. 
Die Kongreß-Organisation, die bei einem solchen 
Welt-Rendezvous nicht eben einfach ist, verdient besondere An 
erkennung. Alle äußeren Reibungsmöglichkeiten sind auf ein 
Windestmast eingeschränkt. Ein ganzes Aufgebot jugendlicher 
Ordner, zu denen Keouts verschiedener Grade zählen, 
verteilt den Menschem'Einlauf und auch für die rasche Druck 
legung der Reden ist gesorgt. 
Das zionistische Parteiwesen ist von einer Kompli 
ziertheit, die unsere deutschen Parteiverhältnisse in den Schat 
ten stellt. Den an größere Maßstäbe Gewöhnten, mutet es 
zunächst wie ein Gekrabbel unter dem Mikroskop an — oft nur 
minutiöse Unterschiede zwischen den Fraktionen, die sich zu 
dem mit manchen Forderungen überkreuzen. Der Vergleich 
mit den Parteiungen in normalen europäischen Ländern wird 
dadurch erschwert, daß sämtliche Weltanschauungsgruppen und 
Landsmannschaften außer den in der allgemeinen Situation 
begründeten Stellungnahmen noch ihre besondere zionistische 
Der HaseLer Zionistenkongreß 
Die Krisis imZisnismus. 
(Von unserem Sonderberichterstatter.) 
Das Bild ist glänzend, die Stimmung ernst, ja gedrückt. 
Trotz des Optimismus, der stellenweise zur Schau getragen 
wird, den Sokolow zumal in seiner großen Rede unter 
strich, als er von dem „Siegeszug des Zionismus" sprach — 
der achtundsechzißjährige Sokolow, der rund zehn Sprachen 
meistert, Diplomat der alten französischen Schule und eine ge 
glückte Synthese aus oftjüdischem und romanischem Wesen, 
voller gewinnender Komplimente für jedermann, die er aus 
einer unerschöpflichen Tüte holt . . . 
Zur gedrückten Stimmung besteht Grund genug. Die 
zionistische Bewegung befindet sich in einer Krise, wie sie 
sich schlimmer kaum denken läßt. Sie ist schlechterdings nicht 
wegzuleugnen, die Krise, und alle reden von ihr; je nach der 
Parteirichtung beschönigend oder in Worten der Anklage gegen 
die Exekutive bzw. die Mandatsverwaltung. 
Die Krisis ist im wesentlichen durch die folgenden Tat 
sachen bestimmt: 
1. Durch die Defizitwirtschaft. Das akkumulierte 
Defizit beträgt jetzt 151 000 Pfund (gegenüber 71 000 Pfund 
im Vorjahre). 
2. Durch die Arbeitslosigkeit. Zur Zeit befinden 
sich in Palästina etwa 8000 jüdische Arbeitslose, bei einer 
Gesamtbevölkerung von ungefähr 151000 Juden. Die Ar 
beitslosigkeit hat im Frühjahr 1926 eingesetzt und ist die Folge 
einer Zu starken Einwanderung in den Jahren 192425 
(rund 45 600 bis 50 000 Menschen), deren Zrckassung man der 
Exekutive vielfach zum Vorwurf macht. 
3. Durch die Abwanderung. Sie hängt naturgemäß 
mit der Arbeitslosigkeit zusammen und beträgt seit Herbst 1926 
durchschnittlich 500 Mann im Monat. Die Zahl der neuen 
Einwanderer ist gegenwärtig geringer als die der abströmen 
den Menschen. 
4. Durch die Handhabung des Steuerwesens und der 
Zölle von Seiten der englischen Regierung. Die Art der Ab 
schätzung lastet vor allem auf den neugegründeten Kolonien. 
Ferner beklagen sich die jungen Industrien über ein zu ge 
ringes Entgegenkommen der Mandatarmacht. 
Zu der Krise ist noch Zu bemerken, daß die palästinensische 
Landwirtschaft am wenigsten von ihr betroffen wird. Die 
Krise tritt besonders stark in Tel Aviv auf, das die er 
wähnte Einwanderung vor zwei bis drei Jahren aufzuneh- 
men hatte, ohne sie absorbieren zu können, da die Hauptmasse 
der Einwanderer sich aus dem kleinen polnischen Mittelstand 
zusammensetzte, der seinen Beruf nicht wechseln wollte. Kein 
Wunder, daß ihm die Existenzmöglichkeit fehlte und das ameri 
kanische Gründertempo, mit dem die Stadt aufgebaut wurde, 
sich als überhöht erwies. 
Professor Ehaim Weizmann erklärte in dem für die 
Exekutive abgelegten Rechenschaftsbericht, der die General 
debatte einleitete, daß der Kongreß nicht eher auseinander 
gehen dürfe, als bis Mittel und Wege zur Lösung der 
Krise gefunden seien. Der jetzt vierundfünfzigjährige Weiz- 
mann hat im Aeußeren Aehnlichkeit mit Lenin: slawische 
Züge, Kinnbart, die Empfindungen aus der Sichtbarkeit Zurück 
gezogen, um die Augen verschlagen. Vielleicht nicht im Aeußern 
nur, denn auch er erweckt (zum Unterschied von Sokolow) den 
Eindruck des Realpolitikers großen Stils. Man kennt seinen 
Anstieg, der ihn von der unbeträchtlichen Stadt Pinsk über 
Genf auf den chemischen Lehrstuhl der Universität Manchester 
und nach dem Krieg an die verantwortliche Stelle der zionisti 
schen Organisation führte. 
Das von ihm unterbreitete „Regierungs"-Programm ist 
ein Programm der Einschränkung, das sich mit 
dem Erreichbaren begnügen möchte. In politischer Hinsicht 
bringt es der Mandatarmacht Vertrauen entgegen und 
wünscht die weitere friedliche Cooperation mit den Arabern. 
Das Defizit soll allmählich abgedeckt werden; nach seiner 
Tilgung zu 55 Prozent und anderen notwendigen Abschrei 
bungen verbleibe für das kommende Jahr von den voraussicht 
lichen Einnahmen des Keren Hajefsod die verhältnismäßig 
geringe Summe von 225 000 Pfund zur freien Disposition. 
Sie wäre laut Vorschlag der Exekutive mehr zur Konsoli 
dierung der bisherigen Wirtschaft als zu ihrer 
Erweiterung Zu verwenden; wobei die landwirtschaftliche 
Siedlungstütigkeit eine besondere Berücksichtigung in Anspruch 
nehmen dürste. Im Interesse der städtischen Wirtschaft wird 
an die Ableitung der überschüssigen Kleinhandwerker und 
Kleinhandelsleute in den (zum Teil exportfähigen) Fruchtbau 
und an die Erwirkung gewisser steuerlicher und finanzieller 
Erleichterungen für die Industrie gedacht. Was die Ardens- 
losigkeit betrifft, so ist ihre Minderung durch Begrenzung der 
Immigration und durch produktive öffentliche Arbeiten ge 
plant — Schaffung von festen Gebäuden und Straßen in 
den Siedlungen —, zu denen einige bereits begonnene oder 
projektierte Unternehrnungen treten (Ruthenberg-Elektrifi- 
zierungswerk, Kalisyndikat Novomejsky der Totes-Meer-Kon- 
Zession). Auch will man die Regierung bewegen, zu den von 
ihr auszuführenden Arbeiten eine größere Zahl jüdischer Ar 
beiter hinzuzuziehen. Selbst wenn diese Maßnahmen verwirk 
licht sind, wird auf absehbare Zeit ein Ueberschuß an 
Arbeitslosen bestehen bleiben; eine nicht eben günstige Aus 
sicht, zu deren Eröffnung sich aber Weizmann durch den Ernst 
der Situation gezwungen fühlte, so wenig er sonst auf die 
offiziell gebotene Beimischung fröhlicherer Farben verzichten 
mochte. 
Zum Kolonisieren gehört Geld. Daß sich mit den 225 600 
Pfund kaum etwas ansangen läßt, ist jedermann klar. (Einer 
der Redner erklärte, die Exekutive hätte mit diesem Budger 
gar nicht erst kommen sollen.) Woher das Geld nehmen, wenn 
und so lange die palästinensische Wirtschaft sich nicht selbst 
erhält? Erwogen wird die Aufnahme einer langfristi 
gen Anleihe. Die Möglichkeit ihrer Durchführung wieder 
um hängt zum großen Teil von der beabsichtigten Erweiterung 
der ab. Diese aber ist ein Kapitel für sich. 
Laut Artikel 4 des Palästina-Mandats soll die Zionistische 
Organisation Schritte unternehmen, um im Einvernehmen mit 
der Mandatarmacht die Mitwirkung aller Juden an dem 
Aufbau der jüdischen Nationalen Heimstätte" herbeizufüh- 
rem Die Exekutive hat sich des Auftrags durch Verhandlun 
gen mit prominenten amerikanischen Nichtzionisten zu entledi 
gen begonnen, an deren Spitze Herr Louis Marshall 
steht. Daß in erster Linie an Amerika gedacht wurde, ist selbst 
verständlich durch die Notwendigkeit ausreichender Geld 
beschaffung bedingt. Den bisherigen Vereinbarungen zufolge 
soll sich die verbreitete zu 50 Prozent aus 
Zionisten und zu 50 Prozent aus Nichtzionisten Zusammen 
setzen. Sie wird sich auf Grund eines Experten-Gutachtens 
über das gesamte palästinensische Aufbauwerk konstituieren. 
Zur Herstellung der Expertise ist eine Kommission ernannt 
worden, die von den Herren Sir Alfred Mond, Direktor 
Oscar Wassermann, Dr. Lee K. Frankel und Mr. 
Felix Marburg gebildet wird. Die von dieser Kommission 
gewählten Sachverständigen, die bereits ihre Studien in Pa 
lästina ausgenommen haben, werden etwa in einem halben 
Jahr die Arbeiten zu Ende bringen. Das Gutachten wird auch 
der Anleihe als Unterlage dienen müssen.
	        

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