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modernen Baugesinnung sicher sein. ,
—er.
Trotz diesen Schwächen, die nicht zuletzt ein Ausfluß der gegen
wärtigen Situation in Rußland sein mögen, ist der Film gleich
seinen Vorgängern ein gewaltiges Zeugnis für die Substanz des
russischen Volkes und das lebendige revolutionäre Bewußtsein
seiner Führer. Er enthält Momente und Ansichten, die unver
geßlich sind. Einzigartig ist wieder die Kunst, mit der hier ent
larvt wird. Eine Umwelt, die das selbstverständliche Zubehör
der voraufgegangenen Generationen bildete — sie ragt übrigens
in die' heutige noch gehörig hinein —, beichtet in diesen Bildern
ihr Geheimnis. Es ist, als werde sie zum ersten Male mit wachen
Augen gesehen. Kerenski schreitet die große Barocktreppe hinan:
das Treppenhaus bezichtigt sich selbst als eine dem absoluten
Herrscher Zugeeignete Schöpfung. Sind aber die Fassaden und Ge
mächer einmal denunziert worden, so kann man naiv in ihnen
nicht mehr wohnen. Aehnlich verhält es sich mit den Trachten,
oder doch jedenfalls mit gewissen Eigenheiten des bürgerlichen
Aufzugs, die durch die Art ihrer Darstellung im Film nahezu
unmöglich gemacht werden. Der Wunsch steigt auf, es möchte
Herr Eisenstein mit seiner Kamera einmal nach Westeuropa
kommen, um dort sein optisches Herbarium Zu erweitern.
Das Volk spielt mit. Man ^sht Soldaten, Arbeiter, Ma
trosen, in deren Mienen M Erde und Himmel begegnen. Von
^Das neue Frankfurt.^ Die von Ernst May und Fritz
Wichert herausgegebene Zeitschrist: „Das n eu e Fra n kfu rL"
(Englert L Schlosser, Frankfurt) — sie wird seit einiger Zeit von
I. Gantner geleitet — ist binnen kurzem zu einem Sammel-
ort geworden, an dem sich alle Bestrebungen auf dem Gebiet der
modernen Raumgestaltung gespiegelt finden. Sie dankt den Auf
schwung der Tatsache, daß sie sich in unmittelbarer Fühlung mit
dem neuen Bauleben entwickelt, das durch Stadtbaurat May und
seine Mitarbeiter in Frankfurt eingezogen ist. Der Geist, der in
den Mayschen Bauten zum Ausdruck gelangt, verleiht auch der
Zeitschrift sein Gepräge: ein Geist der schmucklosen Sachlichkeit,
den man schon um seiner Sauberkeit und (auch wirtschaftlichen)
Aufrichtigkeit willen anerkennen wird, selbst wenn man ihm viel
leicht nicht immer unbedingte Gefolgschaft leisten mochte. Daß er
bis zu einem gewissen Grade Gemeingut der europäischen und
amerikanischen Gegenwart zu werden beginnt, geht aus den Hef
ten selbst hervor, die in jeder Nummer unter dem Titel: „Um
die neue Gestaltung" ausländische Bauten der gleichen Gesinnung
verzeichnen. Wie bei uns, so entstehen auch in Frankreich, der
Schweiz, Rußland, Holland und Amerika, Architekturen, bei denen
von einem einheitlichen Stil zu sprechen nicht verwehrt ist. Die
Hefte — jedes einzelne ist in glücklicher Weise einem Hauptgegen
stand gewidmet — behandeln im übrigen nicht nur die baulichen
Erscheinungen, sondern greifen auf sämtliche Nachöarkünste über.
Bühne, Film, Radio werden berücksichtigt; sehr interessant die
(in Nummer 3 erfolgte) Zusammenstellung neuer Photographien.
Auch das Schaffen einzelner Künstler — so Oskar Schlemmers
und Willi Baumeisters — wird gewürdigt. Eine besonders hübsche
Idee ist die Einführung kurzer Bilderberichte; Adolf Behne
besorgt sie aus Berlin. Mit dem soeben erschienenen Heft 5 be
ginnt eine Reihe von Publikationen über die neueste Bau
tätigkeit der Stadt Frankfurt. Eingeleitet wird dies
Folge durch einen Rundfunkvortrag Stadtbaurat Mays über das
soziale Moment in der neuen Baukunst. Diese und die kommenden
Veröffentlichungen dürfen der Anteilnahme aller Anhänger der
erhört. Er wird daraufhin natürlich FremdenlegionLr. Die Legio
närsszenen sind noc
scheint wenigstens
„Blutsbrüderfchaft" darf man freilich nic
Schwalben spielen eine gewisse svmbolMs Rolle. k L a a.
s Der FremdenlegionLr. In dem Glo ri.a-Palast läuft
ein Film: „Wenn die Schwalben heiwwärtszieh'n",
der das deutsche Dorf und die Wüstensonne ipl einen volkslied
haften Zusarnmenhang bringt. Dorothea Wieck ist die Lore
am Brunnen vorm Tore und Gustav Fröhlich ein junger
Sonnenbursch^ dem die Lore das Herz bricht, weil sie ihn nicht
Der Gisenstern-Jikm.
Der Eisenstein-Film „Zehn Tage, die die Welt er-
schütterLen" ist ein offizielles Revolutionsfestspiel. Man merkt
es ihm an, daß er von der Sowjetre-gierung in Auftrag gegeben
worden ist, um die Geschichte jener denkwürdigen Tage in
Städte und Dörfer zu tragen. Er erteilt genehmigten Geschichts
unterricht. So waren Kerenski und Kornilow, und so waren wir.
Hier Zogen die Bürger und dort standen unsere Leute auf Posten.
Es ist zu sagen, daß es sich die Illustratoren für unser Gefühl
mit der Geschichte manchmal Zu leicht gemacht haben. Muß Ke-
renski ein solcher Feigling, sein? Müssen die Junker Löffel stehlen?
Von uns aus gesehen erscheint die Unterstreichung derartiger Züge
als eine unnötige Herabsetzung der eigenen Sache.
ch
Der Film ist der letzte in dem Zug der großen russischen Revo
lutionsfilme. Die Kraft, die den „Potemkin", Mutter", „Das
Ende von St. Petersburg" emporgetrieben hat, ist.in ihm stellen
weise kaum noch zu spüren. Stammten jene ihrer Komposition und
ihrem ganzen Gebaren nach aus dem Undefinierten Zentrum revo
lutionärer Erregung, dem der Verband der Bilder seine ge
stalthafte Einheit dankte, so entspringen die Einzelheiten dieses
Films zum Teil dem Begriff. Den pragmatischen Begriffen
der russischen Geschichtsbehörden vom Gang der Ereignisse. Be
weis hierfür ist vor allem die SZenenfolge, die nicht eine den imma
nenten Gesetzen des Filmganzen entsprechende ZeitkonLinuität wahrt,
sondern sich auf Grund von Rücksichten regelt, die außerhalb des
Films gelegen sind. Statt daß die Bilder den Text überflüssig
machten, ist ein Text bebildert.
ch
Leider herrscht in einigen Partien die Manier. Was vor
dem unmittelbarer Ausdruck war, neigt jetzt dazu, fertige Form zu
werden. So wird aus der Architektur das Letzte an Bedeutung
herausgeholt und damit ihre symbolische Macht fast schon erstickt.
Das Zarendenkmal fügt sich bei Beginn der Regierung Kerenskis
selbsttätig wieder Zusammen. Jeder Zierat am Winterpalais gilt
als Zeichen des alten Regimes. Eine starre, überdeutliche Emble-
matik ist ersonnen worden, um die Lugenden und Laster zu ver
sinnbildlichen. Hinter den schlechten Gewalthabern etwa tauchen
Adler, Pfauen und NDoleonbüsten auf, und die Mahnung der
Menschewiken zum inneren Frieden wird durch Harfenbilder ins
Lächerliche gezogen. Die aus der Revolution hervorgegangene Re
gierung schmückt den Triumphwagen mit Attributen, schleppt die
Beute hinter sich her.
— Ein Rudolf SchiLdkrauL-Film. Der Film: ..Der Land
arzt" — er ist wohl schon'älteren Datums -^- wird in den
B i e b e rba u - Li cht s,p i el en gezeigt. Rudolf Schild
kraut spielt den menschenfreundlichen alten Arzt. Die von ihm ge
schaffene Gestalt ist ergreifend. Ein Mann, aus dessen Gesicht die
Freundlichkeit der Seele strahlt; der gleicherweise guten Essen
wie Zu guten Handlungen neigt; der in einem kurzen Stirnrun
zeln eine tausendjährige Lebenserfahrung -ausz vermach
Wirklich ein Mensch; keine schauspielerische Figur. Ueörigens hat
auch Cecil de Mille einige ausgezeichnete Regie-Einfälle. So ver
gegenwärtigt er die Folge der Krankenbesuche dadurch, daß er hin
ter den rotierenden Rädern des Arzt-Cabriolets- verschiedene Pa
tienten fragmentarisch austauchen läßt. — Der andere Film: „Der
Bandit" ist als Satire auf die Abenteurerstücke gedacht, ohne
mit dem nötigen Witz durchgeführt zu sein. Sein Held ist Rod
l a R o q u e, ein junger Prahlhans, der ein.böses Maul, körper
liche Fähigkeiten und Kurage besitzt. . R u e a.
Ihr Sinn geht merklich auf Repräsentation. Man
hat das Haus errichtet, man bemalt seine Wände. Fest -- das
Wort in seiner Bedeutung als Feier und in der anderen, d'ie
Festigkeit meint, gilt für den Film. Er unterläßt es nicht, Fresko
Gruppen von den Siegern und den Vertretern der erledigten
Mächte zu stellen. Das noch unterjochte Volk hungert malerisch,
die durch ein paar Argumente zur Revolution bekehrten asiatischen
! Regimenter führen einen schönen Waffentanz auf. So komponiert
nur der Triumphator, den kein Zweifel mehr Plagt. Manche
Gemälde erinnern fatal andre längst vergangener bürger
licher Maler: an Uhde, an Naturalisten und Impressionisten.
Sie sollen im Rahmen des Films wohl Ruhepunkte sein; sie
sind tatsächlich eine Vergeßlichkeit, die sich aus dem Bedürfnis
nach Ruhe herzuleiten scheint.
ch das beste am Film, ein Teil der Bilder
Algier gesehen zu haben. An den Film:
cht zurückdenken. Es
setzt Kabylenkämpfe, Durstgualen mit dem für den Film beson
ders dankbaren Zauber der Fata morgana, ein Todesurteil,
Zwangsarbeit und die endlich geglückte Flucht. Nach so vielen
Abenteuern kriegt der Bursche dann zuletzt seine Lore. Die