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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.07/Klebemappe 1928 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

vorrn. 
HH 
retE. N 
>- Liroaek 
, 
npfiehlt 
ExzentrRSnzer im Glorta-Palaft. Im Spielprogramm dieser 
Woche tritt das akrobatische Lanzpaar Charlie und Blust 
Mattä von der Berliner Scala auf. Die Tänzer stellen ewige 
gute Posen. Fein LurchgeUldet ist vor allem die kleine Apachen- 
fzene, die sich freilich vor einem etwas helleren Hintergrund ad- 
spielen dürste. Die Einlage dient als Überleitung zum Auster 
Keaton . Film: „Wasser hat Balkens den wir im gest 
rigen Abendblatt gewürdigt haben. Zu erwähnen bleibt noch die 
vorzügliche Regie Charles F. Reisners, der das Menschen- 
und NLeliermögliche getan hat, um die Elemente im Aufruhr zu 
zeigen. peinz Meletta hat für eine reizvolle musikalische Illu 
stration gesorgt. Dem Film ist ein breites Publikum zu wünschen. 
Je ernster BuKer ist, um so mehr kann es sich suSlachen. 
KaeL. 
in ihm wahre Begebenheiten dargchM werden sollen. Beabsichtigt 
scheint also ein sozialer Protest. 
Die Handlung sängt in einer höheren Schule an, in her das 
Koedukations-Prinzip Lurchgesührt ist. Unter den Schülern haben 
sich zwei Parteien gebiwet: die zu einem Klub vereinigen „Gott 
Losen", Lie, von einem temperamentvollen DW-chen gelenkt, sich 
dem Atheismus verschrieben haben, und die anderen, die GoLLes- 
freunde, Leren Obmann ein ernster, kräftiger, hübscher Junge ist. 
Warum sollte das in Amerika nicht möglich sein? Wahrscheinlich ist 
auch, daß die Frommen eins Versammlung der Nihilisten sprengen 
und im Treppenhaus sich eine fürchterliche Schlacht entspinnt. 
Die Motive dieses JugendkriMs sind sogar denen des Weltkrieges 
überlegen, weil sie Geologischen Ursprungs süw. Dsr Versuch 
Hres Wahrheitsbeweises hat allerdings fürchterliche Folgen, In 
der Hitze des Gefechts bricht nämlich das Treppengeländer ent 
zwei, und eine Schülerin Mrzt sich zu Tode. Die Anführer der 
beiden Parteien, dsr Junge und Las MLdchem werden zu fünf 
Jahren Zwangserziehungsanstatt verurteilt. 
Die Zwangserziehung sanft alt ist Las eigentliche 
Thema des Films. Sieht sie wirklich in Amerika so aus? Und ist 
die gezeigte Anstalt typisch? Wenn die Schilderung zuträfe, wäre 
die amerikanische Zwangserziehung ein Schandfleck wie die frühere 
NegersZLaverei. 
Die im Wm gezeigte Anstalt ist in jeder Hinsicht ärger als 
ein Zuchthaus, und ihre AuMMLeamLen find Teufel, die ihre 
sadistischen Triebs unöekirmmert ausleben. Jede freiheitliche Regung 
wich in den FürsorgeZögLingen erstickt. Sie müssen nach der Mi 
nute arbeiten, sich waschen, in Viererreihen spazieren gehen, schla 
fen und beten. Wer nur mit einer Geste widerstrebt, erhalt von dem 
m der Boxkunst erfahrenen Oberaufseher einen Hieb, der ihn 
nMeMrsckt, oder wird durch einen tückisch auf ihn gerichteten 
Wasserstrahl erledigt. Der DrahtZaun zwischen der Knaben- und 
Mädchenabteilung ist mit Starkstrom geladen, und we^ denen, 
die ihn berühren. Schlimmere Sünder werden mit Ketten an den 
Füßen Kum Abtransport des Mülls kommandiert. In den Emzel- 
zMn sitzen um geringer Vergehen willen Häftlinge bei Wasser 
ukck Brot. Manchmal sind sie Zum Uebsrslutz noch an den Händen 
gefesselt. 
Vor diesem reizenden Hintergrund spielt sich Las Dasein der 
Hauptpersonen ab. Leider entwickelt es sich zum Sensmionsdrama. 
— ein scheußlicher Kompromiß zwischen den Erfordernissen 
einer genauen Reportage und den Notwendigkeiten des zugkräf 
tigen Reißers. Das Mädchen und der Knabe fliehen, erleben einen 
schönen Tag In den Wäldern, lieben sich, werden von den Anstalts 
beamten eingeholt, Zurückgeschleppt, gepeinigt und dann — dann 
bricht als Oeus «x rnLedrnL eine Feuersbrunst aus, die ihnen 
Gelegenheit gibt, nicht nur sich, sondern auch den schurkischen 
Oöeraufseher zu retten, der ihre Begnadigung erwirkt. Die Lore 
öffnen sich ihnen. Und zuletzt erklärt das gottlose Mädchen aus 
drücklich daß es nun an Gott zu glauben gelernt habe. Somit 
wäre also nachträglich die gegeißelte Einrichtung der großen Frev- 
lerin doch zum Heil ausgeschlagen. Eine Rechtfertigung, die nach 
den vorangegangenen Greuelbildern nicht eben mundet. 
Ceeil de Mille ist ein außerordentlicher Regisseur. Vorbildlich 
tst seine Montage der Schülerschlscht, einer Szenenfolge, die durch 
bis geschickte Herausarbeitung verschiedener Einzelzüge sich zu 
einem unerhörten Tohuwabohu steigert. Die paar Schutzleute, die 
am Ende eingreifen, so effektvoll zu placieren, gelingt nur wenigen. 
Ob und an welchen Punkten die Ereignisse in der Anstalt bereits 
Ln die Karikatur übergehen, ist nicht immer ganz klar. Die Ver 
gewaltigung der jungen Zöglinge wich durch ihre Behandlung in 
der KleDerkammer urck beim Anstaltsfriseur filmisch überzeugend 
veranschaulicht. Eine großartige Mache ist die Verfolgung der 
Flüchtigen durch Autos und Hunde und die Feuersbrunst, deren 
Flammen vielleicht noch kaum je in Filmen so bedrohlich ge 
Angelt haben. Die Gewalt des nächtlichen Aufruhrs wich durch 
den Einsatz eines Mädchens gesteigert, das plötzlich in Wahnsinn 
suKörM und dis Wasssrhähns zudreht. 
Das Spiel ist gut. Lina BasquetLr und Georg Durtzes 
sind die Helden. Am besten ist Mary Prsvost, ein blondes, 
schnippisches, unsentimentaleL Mädchen. 
Schade, baß eine kslportagehrste Handlung den dokumentarischen 
Gericht überwAtigt. Was ist wahr an dem Film? Was um der 
Sensation willen gestellt? R L e K.
	        
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