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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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--- Der letzte UMemV-ASerch. Die Reihe der von der Studen 
tenschaft veranstalteten Rußland-Wende fand Donnerstag mit 
einer der russischen Dichtung gewidmeten Veranstaltung 
ihren schönen Abschluß. Karl Ebert vom Schauspielhaus las 
aus den Werken Turgenjews, Gogols und Dostojewskis und er 
wies wieder, welch großer Vortragsmeister er ist. Von Turgenjew 
gelangten einige seiner kleineren Prosagedichte Zur Wiedergabe, 
unter denen besonders „Das Dorf" und „Die Tauben" hervor- 
ragten. Wunderbar eindringlich gestaltete Wert jenen berückenden, 
beinahe heidnisch-efftatischen Lobaesang Gogols auf den Dnjepr, 
den großen Dnjepr, der weit die Lande beherrscht und keine andere 
Macht neben sich duldet. Der Fluß verwandelt fich in eine Gott- 
Leit, die Anbetung herscht und majestätisch sich kundgibt. Gogols 
klassische Novelle „Der Mantel" wurde durch Ebert zu einer Offen 
barung. Das Leben des Akaki Akakiewitsch zog vorüber, dieses armes 
gedemütigte Leben, auf das nur einmal ein flüchtiger Lichtglanz 
durch den Mantel fiel und das dann unterging, ohne daß irgend 
jemand nach ihm fragte — nein nicht unterging, sondern noch ein 
mal auferstand und sein spukhaftes Wesen trieb, weil so entsetzlich 
das Leben eines Menschen einfach nicht enden darf. Ebert schöpfte 
den tiefsten Gehalt des Werkes aus, unter der Hülle überlegener 
Ironie quollen Mitleid, Erbitterung, Grausen hervor. Zum Schluß 
las der Künstler noch Dostojewskis Novelle „Der Traum eines 
lächerlichen Menschen", die vom Sündenfall handelt und den Glau 
ben an die Menschen verkündet. Echtester Dostojewski, aber nicht 
zu den besten Schöpfungen gehörig, weil zu reflektierend und welt 
anschaulich. Die Reflationen wurden eingerahmt durch Gesang- 
und Klaviervorträge aus den Werken von Glinka und Tschaikowski, 
um die sich Frl. Kuper und die Herren Dr. Naumarin, Dr. 
Küttnerund Lechno verdient machten. Herr W Salsmon 
wirkte als Begleiter mit. Lr. 
--- Weltbund für FreundschsfLsarbeit der Kirchen. Die Frank- 
Mer Ortsgruppe- der Deutschen Vereinigung des Mltöunds für 
^reundschaftsaröeit.der Kirchen verunstaltete vor einigen Tagen 
eine Versammlung, in der verschiedene Redner Rechenschaft über ois 
Ziele und dre Tätigkeit des Bunds ablegten und zur Mitarbeiter 
schaft ernluden. Die erste Ansprache hielt Pros. Rade (Marburg), 
der ab- die Aufgabe des Bunds die Sammlung der Kirchen durch 
Besinnung, auf den gemeinsamen Besitz bezeichnete. Die Zer 
splitterung der Protestanten im Krieg, die ethische Todfeindschaft 
Zwischen ihnen muß jetzt in langsamer, stiller Arbeit überwunden 
werden. Da die Frage der Schuld am Krieg als eine sittlich-religiöse 
Frage sich fruchtbringend nur auf christlich-kirchlichem Boden er 
örtern läßt, wirb es mit zu den Verpflichtungen des Weltbunds ge 
hören, gerade hier zwischen den Völkern vermittelnd Zu wirken 
und alle Diskussionen über die Schuld in wahrhaft christlichem, 
Geist zu führen. Die Leistung solcher Versöhnunasaroeit wird . 
freilich durch den Chauvinismus innerhalb der christlich-kirchlichen. 
Miss erschwert. Mission des Weltbunds ist es auch, in die Men- 
Wät der fremden Völker einzudringen und ein Verständnis für 
Me Eigenart Zu gewinnen. Verbindungen mit kirchlichen Grup 
pen und religiösen Gesellschaften in England, Amerika, Frankreich 
sind schon wieder angeknüpft. Frl. Lic. Carola Barth gab einen 
Ueberblick über die Entstehung des Weltbunds. Schon 1907, bei 
Gelegenheit der Haager Friedenskonferenz, setzten di^ Bestrebungen 
ein, die späterhin zur Gründung führten. Diese selbst erfolgte am 
2. August 1914 in Konstanz, also zu KAegsbe^nn. Der Bund 
hat die schwere BelastunDprobe durch den Krieg ausgehalten und 
Großes geleistet. In Deutschland arbeitete eine Auskunfis- und 
Hilfsstelle für Ausländer in enger Verbindung mit der gleich 
namigen Stelle in Enghand, deren Protektor der Erzöischos von 
Canterbury war. Die Red nenn rühmte die wanne Hilfsbereit 
schaft der englischen Gruppe für die deutschen und österreichischen 
Gefangenen. Gerade weil die offiziellen Kirchen in Deutschland 
und Frankreich zumal sich vorerst ablehnend gegeneinander verhal 
ten, muß der Weltbund, der sich noch in starker Minderheit befindet, 
auf Vereinbarungen zwischen den ehemaligen Gegnern hmcwbeitem 
Die offiziellen Stellen selber wünschen dieser Pioniertätigkeft freier 
Gemeinschaften und einzelner Persönlichkeiten Erfolg. Prediger 
Theophil Mann legte dar, daß der Weltbund die empirischen 
Kirchen in ihrer Mannigfaltigkeit meint, und daß diese Mannig 
faltigkeit von ihm anerkannt und ihre Einigkeit in Christus von 
ihm geglaubt wird. Zunächst will der Weltbund die Einzelnen 
sammeln und Zum Gewissen ihrer Kirchen machen. Der Charakter 
des Bundes ist nicht eigentlich international, sondern übernational, 
da alle seine Bestrebungen auf der Anerkennung der selbstverständ 
lichen Zugehörigkeit zur Volksgemeinschaft beruhen. An die Vor- 
träge schloß sich eine kurze Diskussion an._- 
DranklurLer Angelegenheiten. 
Bund der Erneuerung wirtschaftlicher Sitte und 
Verantwortung. , 
Am Freitag wurde in der Gcfchlechterstube deS Römer- eine 
Frankfurter Ortsgruppe des Bundes der Erneueruna wirt 
schaftlicher Sitte und Verantwortung gegründet- Eingeleitrt 
wurde der Abend mit einem Vorlrag von Pros. Vselcker, der 
über die Grundlagen unserer Lebenshaltung nach dem Krieg 
sprach. Als Deutschland schon einmal darniederlag, ss begann 
! der Redner, da erstand ihm in Fichte ein Mann, der es unermüd- 
- lich dazu ermähnte, sich nicht müßig dem Schmerz Zu überlasten, 
sondern aus diesem Schmerz die Kraft zmn Entschluß, Zur Tat 
zu ziehen Auch für uns gelten die Worte dessen, der einst durch 
seine Reben die deutsche Ration aufgermteit hat, zuvor aber 
müssen wir in aller Klarheit erkennen, wie nun unsere Lage 
eigentlich beschaffen ist. Aus einem wohlhabenden Volk sind wir 
ein armes Volk geworden, und die Wirkungen des Kriegs wir des 
Verfailler Vertrags werden sich immer deutlicher in unserer gan 
zen Lebenshaltung, m unserer privaten Wirtschaft ausprägen. Vor 
dem Krieg konnten wir Dank unserer materiellen Lage, es uns 
leisten, große Mengen von Luxuswaren wir Gemälde, Films 
Zigaretten, Edelsteine usw. aus dem Ausland zu beziehen. Und 
heute? Wir haben jetzt unsere Handelsflotte verloren, mit Berg 
werken und Waldbestäuden wird Raubbau getrieben, unsers Edel 
metallvorräte sind zussmmengeschmolzen, unsere ^schirren und 
Gebäude abgenutzt. Hinzu kommen die ungeheuren Verluste an 
landwirtschaftlich nutzbarem Boden, an Bodenschätzen wis Kali 
salzen, Eisenerzen und den für unsere Industrie unentbehruchen 
Steinkohlen, hinzu kommen nicht zuletzt die phantastischen Ein- 
schädigungssorderungen der Alliierten. Industrie und Landwirt 
schaft gehen zurück, die Einkünfe aus den Frachten fallen sott, 
wir müssen überhaupt in Zukunft mit einem viel ge 
ringeren Einkommen rechnen. Jedermann müßte hieraus die 
erforderlichen Schlüsse Ziehen. Slau dessen erleben wir das trau 
rige Schauspiel, daß heute Luxuswaren, wie Hüte, Parsümerien 
und Schölünitk^ ja so-aar K'-nderspielzeug m<br denn je einge- 
fühn werden, daß'der Zigarettenbezug aus dem Ausland unheinr- 
lich anschwillt, um von dem Import überflüssiger Genußmmel wie 
Cognak, Südfrüchten usw. gar nicht zu reden. Kein Wunder, das 
vrele Ausländer zu dem irrigen Glauben verführt werden, der 
Reichtum Deutschlands sei unerschöpflich Hier tut Besinnung tut 
Handeln not! Unsere Einfuhr ist auf die notwendig st e n 
Güter Zu beschränken, Luxusbefriedigung schädigt heute das 
gebinwohl. Wir werden uns wieder au die einfachen Eilten un 
serer Großväter zu gewöhnen haben, und znnrr nw.ß jeder Einzelne 
von uns zur Tat schreiten und in seinem Kreise für die Atte Sache 
wirken, denn nur so können wir das köstliche Erbe unseres Deutsch 
tums erhalten. 
Alsdann legte der Vorsitzende Dr. Friedrich 
Raab die Ziele dar, die sich der Bund gestellt 
hat: Nicht nur, um unser Gesicht dem Ausland Menüber 
zu wahren, sondern auch auH Gründen der Gerechtigkeit und der 
persönlichen Würde haben wir unsere Lebensführung so zu gestalten, 
daß äußerste Einfuhrbeschränkung ermöglicht wird, und alles auch 
wirklich aus dem Lande hinausgehl. was ausgeführt werden kann. 
Aber nicht so sehr auf Reden und Plakatekleben kommi es an, viel 
mehr Handel! es sich darum, durch die Tat der im Bunds Vereinten 
ein Beispiel Zu geben, um so den vielen Menschen, die zu einer 
bescheidenen Lebenshaltung gezwungen sind, einen imneren Rück 
halt Zu gewähren. Der Bund will Menschen aller Parteien, 
aller "Konfessionen und aller Berufsschichten 
für feine Ziele gewinnen, was auch in der Zusanimusetzung des 
Ausschusses zum Ausdruck gelangen soll. 
Die Versammlung beschloß hierauf die Grmrdung einer Orts 
gruppe des Bundes der Erneuerung. Der jährliche Beitrag be» 
trägt für Einzelpersonen 5 Mft Studenten 2 Mk., Jugend!'che 
50 Pfg., Korporationen für jedes angefangene Hundert W Mk. 
Der Ausschuß setzt sich vorläufig zusammen aus Geistlichen aller 
Religionsbetennkndsse und Vertretern der verschiedensten B-eruss- 
schichten und politischen Parfum. 
In der Diskussion wurde klar zum Ausdruck gebracht, daß der 
Wirkungsbereich des BurrdeS jenseits des Feldes liegt, in dem 
sich die konfessionellen und parteipolitischen Kämpfe abspiolen. 
Jeder.Einzelne, gleichviel wie er im übrigen denkt, wird von 
dem Bund aufgerufsn, um durch sein persönliches Handln Zeug 
nis dafür abzulegen, daß er für seinen Teil gewillt ist, an der 
Erneuerung unserer wirtschaftlichen Sitte milzuarbeiten und dre 
Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen. Ein sehr 
beherzigenswerter Borschlag lies daraus hinaus, vor allem die 
K a u f lenke und Industriellen für die Cache des Bun 
des zu gewinnen, weil eine würdige Lebensdattuug gerade dieser 
Kreise eine gewaltige Wirkung ausznüben vermag. Zum Schluß 
begrüßte Pros. Ernst Cahn im Auftrag des N h e i n-M a i n r- 
scheu Verbands für Volksbildung dk neugegründete 
Ortsgruppe und erklärte, daß der Verbcurd mit Freuden Zur 
Mir arbeit bereit sei.
	        
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