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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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'""--"Die alte MainbrüSe. Wie wir berichtet haben, sind sem 
Vernehmen nach vom städtischen Tiefbauamt unter Umgehung 
der mit der Oberleitung des Brückenneubaus betrauten Archi 
tekten Projekte ausgearbeitet worden, die eine Brücke m Ehen- 
konstruktion vorsehen. Die hiesige Ortsgruppe des Bundes 
deutscher Architekten hat als berufene Vertretung der 
Frankfurter Privatarchitektenschast ein Schreiben an den Magi 
strat gerichtet, in dem sie gegen ein solches Vorgehen rhre 
stimme erhebt und um Aufklärung darüber bittet, wieder 
Magistrat die Arbeiten zum Neubau der alten Brucke, fort- 
zuführen gedenkt. Ferner wird darauf hingewieien, daß zur 
Beratung der Frage, in welcher Werfe Ersparnisse berm 
Brückenbau erzielt werden können, in erster Linie die Architekten 
mitberufen sind, nach deren Planung das gesamte Zur Verwen 
dung bereit liegende Material augefertigt wurde. Der Scymtz 
des Schreibens der Ortsgruppe lautet: „In jedem Falle neot 
es die ÄrchitekLenschast als eine selbstverständliche Forderung cm, 
daß die Architekten Heberer und v. Hoden zu allen Arbei 
ten die das Brückenbauprojekt betreffen, hinzugezogen werden. 
Wir Litten deshalb den verehrlichen Magistrat wetterhm uns 
mitteilen zu wollen, ob er dieser Fordermrg entsprechen WM^ 
Iranksurier Angelegenheiten. 
BervfsberaMng. 
Gestern fand die Eröffnung des Kursus für BeruMeratMg 
statt. Er mußte in letzter Stunde infolge der über Erwarten zahl 
reichen Anmeldungen in den großen Saal des Volks bildungsheims 
verlegt werden. In seiner einleitenden Ansprache wies SLadtrat 
Pros. Ziehen auf die Bedeutung der Tagung hin und gab der 
Verwunderung darüber Ausdruck, daß man sich angesichts der stän 
dig wachsenden Arbeitsteilung nicht schon längst eingehend mit den 
Fragen der Berufsberatung beschäftigt habe. Unter Berufung auf 
den Franzosen Hanotaux stellte er die Forderung auf, daß neben 
dem humanistischen Biwungsideal das Ideal des fachlich gut 
durchgebildetsn „komme mjZe" nicht zu kurz kommen dürfe. Der 
Leiter des städtischen Berufsamts Menn e, der das Thema: „Die 
Grundlagen der Berufsberatung und die Aufgaben der Berufs 
ämter" behandelte, gab in seinen umfangreichen programmatischen 
Darlegungen zunächst einen geschichtlichen UeberkUck über die Ent 
wicklung des Berufsberatungswesens und setzte sodann die Gründe 
auseinander, die allen Fragen dieses Gebiets jetzt zu so großer 
aktueller Bedeutung verhaften haben. Weiterhin erörterte er, wie 
die Berufsberatunmg am Zweckmaäßrigsten vVorMzüggeeyneen habe, und zum 
Schluß. wies er die Grenzen auf, dbiies. ihr naturgemäß gezogen 
sind. Emma Lsswe, die Leiterin der Wteilung für höhere 
FrauerlLemfe beim städtischen Benrfsamt, sprach über dielbcf,onde- 
ren Aufgaben der Berufsberatung für die weibliche Jugend. Wie 
die Rednerm ausführte, sind heute die Frauen dazu gezwungen, 
mehr als je ins Berufsleben hineinzugehen und nach Möglichkeit 
die Hausfrau und den Berufsmsnschen in einer PerforOzu ver 
einen. Me weitere Entwicklung, so meinte die Rednerin, läuft wohl 
darauf hinaus, daß die im Beruf stehenden Frauen durch die Aus 
bildung des Hausbeamtinnenwesens etwas entlastet werden. 
Eine deuMe Rs!onial-Wenburg. 
Bad Nauherm, im Juni. 
Der Verlust unserer Kolonien beschwort die Gefahr herauf, da!ß 
nach und nach ein Stück deutscher Vergangenheit in Vergessenheit 
gerät, das aus mehr als einem Grunde im Gedächtnis des Volks 
fortleöen sollte. Zunächst einmal verdienen die Leistungen 
mancher deutscher Kolonisatoren rein um ihrer selbst willen in 
der Erinnerung festgehalten zu werden; die besten Eigenschaften 
deutschen Wesens prägen sich in ihnen aus, und eine Nation, 
die ihre vorbildhaften Menschen nicht ehrt, beraubt sich ihres wert 
vollsten Besitzes. Auch die Ergebnisse dieser Leistungen nötigen, 
zu steter Vergegenwärtigung, sind sie doch vielfach der Wissen 
schaft und nicht selten dem allgemeinen geistigen Leben der Heimat! 
zugute gekommen Und schließlich: wenn wir die Hoffnung be 
wahren, früher oder später wieder zu Kolonien zu gelangen, dürfen 
wir gewiß die Fülle der Erfahrungen nicht leichthin preisgeben, 
die sich unsere Kolonialdeutschen drüben in Deutsch-Ostafrika, Samoa . 
usw. erworben haben. „Die moralische Grundlage der Erziehung 
besteht darin", sagt irgendwo der russische Religionsphilosoph 
Solovjeff, „den Nachkommen ein lebendiges Interesse an der Zu 
kunft ihrer Vorfahren einzuflößen." 
Erwägungen ähnlicher Art mögen es gewesen sein, die zu dem 
Gedanken der Gründung eines Kolonialmuseums geführt 
haben- Nicht um die Schaffung eines gewöhnlichen Museums, wir 
deren viele in Deutschland vorhanden sind, handelt es sich aber hier 
bei, sondern um die Wiedererrichtung eines Kastells, das vor 
etlichen Jahrzehnten unter deutscher Herrschaft im Innern Deutsch 
Ostafrikas entstanden ist. Der Plan, eine solche „Ehrenburg" als 
Smnbrld unseres ehemaligen Kolonialbesitzes aufzuführen, rührt 
von einem alten Afrikaner, dem Oberstleutnant a D. A Fonck 
her. Ein Verein mit dem Sitz in Bad Rauheim ist zur Förde 
rung des Unternehmens gegründet worden und hat auch bereits 
ein schönes Baugelände auf dem Iohannisberg gewonnen, 
das dre Stadt für den guten Zweck kostenlos hergibt. Man über 
schaut von dort oben das ganze Wetteraugebiet, und gesättigt von 
dem Anblick der heimatlichen Landschaft, schweift die Phantasie 
wohl gerne nach ;enen fernen Gegenden, in denen Deutsche sich eine 
Zwecke Kermat errungen haben. Der zukünftige Bau selber wird 
semem Besümmungszwecke auf mannigfache Weise dienen können 
Emrge Raume werden dem Andenken großer Afrika- und 
ForschungsreLsender (Nachtigals, Peters' usw.) geweiht sein. 
Heldentaten und kulürrelle Leistungen KolonialdeuLscher werden hier 
KE EnnnerungsstatLe Mden; im übrigen M es in der Burg nach 
Moglichkeck alles^Matenal zu vereinigen, das auf unsere Kolonien 
m irgend einer Hinsicht Bezug hat. Eingeborenenhütten sollen den 
Bau umlagern und den Besuchern koloniales Leben und Treiben 
sinnfällig veranschaulichen. 
. Die gegenwärtig in Rauheim gezeigte Ksloniaraus- 
AN?n g die der Sammlungen Foncks bildet, ist 
< der geplanten Ehrenburg. Ein großes 
MyhM M Beste Mpapua, des Urbilds dieser Burg, lenkt natur» i 
gemäß das Hauptaugenmerk auf sich. Das von der deutschen Ver-1 
Wallung erbaute Kastell, das an einer Karawanenstraße südwestlich 
von Daressalam liegt, beherbergte seinerzeit em Krünkenhaus 
sowie Unterkunftsräume für Mannschaften und Offiziere. Zur Be 
schaffung des Baumaterials mußte jeder Eingeborene, der des 
Weges daher zog, einen Stein als Zoll entrichten; auch sonst haben 
Eingeborene bei den baulichen Arbeiten gegen Verpflegung werk 
tätige Hilfe geleistet. Aquarelle des Malers Tuscheck, die freilich 
jedes Reizes ermangeln, und eine Anzahl Photographien gewähren 
eine Vorstellung von dem Lagerleben in dem Bezirksquartier, und 
kartographische Originalskizzen verdeutlichen recht eindringlich, wie 
bei oft monatelang dauernden Expeditionen an der Tilgung der 
weißen Flecken unserer Landkarten gearbeitet worden ist. Fonck 
scheint ein großer Nimrod gewesen zu sein, denn eine Reihe von 
Jagdtrophäen, unter denen auch Löwen- und Leopardenfells nicht 
fehlen, schmücken die Wände. Waffen, Werkzeuge und Hausrat der 
Eingeborenen nehmen selbstverständlich den meisten Raum ein, und 
an so manches Stück knüpft sich eine persönliche Erinnerung. Neben 
einigen der heute in Mode gekommenen Negergotzen, allerdings 
nicht den schönsten Exemplaren ihrer Gattung, sieht man u a. 
auch jene hornartigen Blasinstrumente, au? denen die Eingeborenen 
ihre Signale so schnell weiterzugeben vermögen, daß sie z. B dank 
ihrer Vermittelung den Ausbruch des Krieges früher erfahren 
haben als diL Regierung selber. Kunstvoll gewobene Stoffe, Jagd 
netze, Schöpfgefäße usw. reihen sich an und legen Zeugnis von der 
guten GeschmackskulLur afrikanischer Völkerstämme ab. 
Nicht zu leugnen, daß die Ausstellung ein wenig dürftig ist, so 
instruktives Anschauungsmaterial sie auch im einzelnen enthält. 
Ihre Hauptaufgabe erschöpft sich gewiß darin, zunächst einmal für 
den Gedanken des Kolonialmuseums Stimmung Zu machen, dessen 
ersten Grundstock sie bilden soll. Der Verein hat das Vorkaufs 
recht auf die Foncksche Sammlung erworben und wird sich in An 
betracht seiner vorläufig nur geringen Mittel in den nächsten Jahren 
wohl damit begnügen müssen, diese Sammlung weiter auszubauen, 
wobei er nicht zum wenigsten auf die hilfreiche Unterstützung unserer 
Misstonen zählt. Es bleibe heute noch dahingestellt, ob es aus 
künstlerischen Gründen wünschenswert ist, daß auf dem Johannis-
	        
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