Judmkum und SiüLk.
--- Auf Einladung des ZentraldereMs LeuLscher Staatsbür
ger jüdischen Glaubens'sprach gestern Abend im überfüllten
großen Saale des Volksbildungsheims Rabbiner Dr. FrLu-
de n L h a l (Nürnberg) über das Verhältnis des Judentums Zum
Sw.at. Nach kurzer Begrüßungsansprache des Vorsitzenden der
Ortsgruppe, Dr. Mainzer, der namens der Versammlung
und zumal der deutschen Juden mit Worten der Entrüstung
gegen die französische Gewaltpolitik feierlichen Protest erhob,
stellte der Referent gleich zu Beginn seiner Ausführungen die
Tbes-s anst daß die Liebe des Juden zum ^LaaL den
religiösen Grundlehren des Judentums selber entspringe. ^Der
. Glaube an den einen, einzigen Gott, ein universeller, über-
völkischer Glaube im besten Sinne, hat es dem Juden ermög
licht, an dem Wähle eines jeden Staates mitzuarbeiten, der ihm
zur Heimat geworden ist. Schon in den Zeiten des Exils ward
diese Verpflichtung den Juden ausdrücklich auferlegt. Weiter ¬
hin ergibt sich aus der biblischen Lehre von der Ebenbildlichkeck
aller Menschen die jüdische Auffassung,. daß in einem Staats
> Wesen alle Konfessionen die gleichen Pflichten und Rechte haben,
wie überhaupt die Lehre von der Gleichberechtigung
aller Menschen, die Forderung eines rauf sozialen Grund
sätzen aufgeöauten Gemeinwesens echt jüdischer Herkunft ist.
Zum Dienste an solchem sozialen Fortschritt unter Ablehnung
jeglicher Gewalt verpflichtet schließlich der messt attische
Gedanke, der ebenfalls in seinen letzten Konsequenzen Treue
dem in Sittlichkeit gegründeten Staate gegenüber fordert. Wie
tief diese Treue im Judentum verankert ist, davon zeugt-' die
jüdische Anschauung, daß die Staatsgesetze den Religionsgefetzen
gleich Zu erachten seien. Erstrebt wird aber von den Juden ein
Staat, der Brüder- und Priesterreich ist, ein Staat mithin, der
freilich rassmmäßme Eimauna und völkische Abgrenzung nicht
kennt, dafür jedoch Zu Wahrheit, Recht und Frieden
zu erziehen vermag.
Im Verlauf seiner weiteren Darlegungen wies der Redner
die oft gehörte, lügenhafte Behauptung Zurück, daß das Juden
tum ein Verbündeter des Bolschewismus sei, und
polemisierte unter lebhaftem Beifall der Versammlung gegen
eine vor wenigen Wochen gefallene Aeußerung des bayrischen
Ministers des Innern, der eine durchaus verkehrte Auffassung
von der -Stellung des jüdischen Bürgers im Staate bekundet
habe. Fernerhin verwarf der Redner jede Klassen- und Rassen«
hetze, die schon dem Volk der Bibel tief fremd gewesen war, und
trat für die Idee des inneren Friedens ein, wobei er
mit scharfen Worten das Treiben der Hitlerl-eute als einen Ver
rat am Vaterlande geißelte. Zum Schlüsse bewnte er, daß die
Juden, ihrem religiösen Gefühlsduange folgend, überall dem
Staate die Treue gehalten Hätten, selbst wenn dieser Staat es
darauf angelegt habe, ihnen die Treue aus dem Herzen Zu
reihen. Vor allem die dewtschLN Juden, die süddeutschen zumal,
seien trotz der inneren Feinde, die mit ihrem Hasse das Volk
vergiften, von inniger, stets unveränderter Liebe zu ihrer
deutschen Heimat erfüllt. Stürmischer, lang-anhaltender Verfall
dankte dem Redner für seine nur hie und da durch Zwischenrufe
unterbrochenen Ausführungen.
J^er kurzen Aussprache drückte Herr Roehle, der
„Arbeitsg-emenischaft für deutsche Handwerkskultur" entspräche
Dies- verfolgt neben anderen Zielen die Vertretung deutscher
Handwerkskultur auf Messen, Ausstellungen und KulturwoHen,
Hebung der Absatzmöglichkeit für höchstwertige Handwerks
erzeugnisse, Vertretung der kulturellen Interessen des Hand
werks gegenüber Behörden usw. Ob-und inwieweit Ä-ehm
liches für die ArchitektenschE erreicht werden kann, mag hier
unerörtert bleiben; immerhin ist die gegenwärtige Notlage so
drückend, daß ein solidarisches Auftreten in allen, aber auch in
allen Standesfragen sich als unumgänglich notwendig erweist.'
Hierzu gehörte nicht zuletzt auch eine Fülle von Aufklärungs
arbeit. So gälte es etwa, um nur ein Beispiel von vielen Her
auszugreifen, wieder und wieder den festeingewurzelten Irr
tum einer Mehrzahl von Bauherren zu zerstreuen, daß man
billiger fahre, wenn^nan sich unter Umgehung des Architekten
- direkt an den Bauunternehmer wende — als ob er nich^mde!
i die Ausgabe des Architekten sei, als Treuhänder des Bauherrn'
- dessen Interessen dem Unternehmer gegenüber Zu verfechten
und ihn derart vor unnützen Ausgaben zu bewahren, mit bmen
verglichen, das Architektenhonorar zumeist lächerlich gering ist.
Freilich hat man sich von vornherein darüber klar zu sein,
daß diese Selbsthilfe nichts fruchtet, solange fremde Hilfe sich
ihr verweigert. Dem Staat und den Kommunen Mwrü
erwachsen gegenüber der deutschen Archiiektenschast große Ver
pflichtungen, ihnen vor Mm liegt es ob, dafür zu sorgen- daß
ein Stamm bewährter Kräfte sich hinüber retten kann, und
daß die drohende Gefahr völligen Traditionsbruches ad-
gewendet wird. Die kürzlich durch den Reichspräsident
t e n erfolgte Ueberweisung von drei Millionen MaÄ aus der
Sammlung der „New Docker StaMzeitung" an den B. D. A.
bezeugt symbolisch die Hilfsbereitschaft des Reichs, wenn sie
auch nur ein Dropsen auf den heißen Stein ist. Wesentlicher
als solche geldliche Unterstützung wäne die produktive Hilfe
leistung durch Vergebung von Aufträgen an tüchtige, not
leidende Architekten. Früher war der Wohnungsbau beinahe
ausschließlich die Domäne der Privatarchitekten, die auf
diesem Gebiete Vorbildhastes geleistet haben, heute ist er bei
nahe ebenso ausschließlich zum Tummelfeld der Behörden ge
worden. Post, Eisenbahn, wie auch die Kommunen lassen
ihre SiMungsanlagest durch ihre eignen Bauämter errichten,
- in denen ja gleichfalls — dies fei zur Entschuldigung gesagt
I — unbeschäftigte beamtete Architekten sitzen, mch ziehen nur
ganz ausnahmsweise einmal einen Privatarchitekten hinzu.
' Diese Zurückdrangung der freischaffenden Baukünstler durch
die Bambeamten erzeugt aber höchst ungesunde Verhältnisse,
die auch durch an sich sehr fragwürdige praktische Vorteile nicht
ausgewogen zu werden vermögen. Gewiß sind beträchtliche
künstlerische Leistungen durch beamtete Architekten hie und da
vollbracht worden. Doch liegt es in der Natur der Dinge be-
! gründet, daß sich in der Regel künstlerische Erfolgs nur dann
erzielen lassen, wenn der Architekt ungehindert durch büro-
kratis^n Zwang schalten und weckten kann. Daß Deutsche
land in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten eine neue
Blüte der Baukunst erleben durfte, ist sicherlich nicht feinen
DauLeamten zu danken gewesen, vickmehr hat sich gerade um-.
! gekehrt in nahezu allen Fällen der alte Erfahrungssatz be
stätigt, daß das Beamtenwesen der Tod des künMEchen
Schaffens ist. Aus diesen Gründen ist es schon im Interesse
der Sache selber geboten, die prinzipielle Forderung auf
Beteiligung der Privatarchitekten an sänÄichen
Bauauft rägen dM Staates und der Kommunen
M erhoben. Ihr reiht sich die andere, nicht minder berechtigte
Forderung cm, daß den festbesoldeten Baubeamten die
Uebernahme von PrivatauftrSgen streng zu untersagen sei.
Die Nutzanwendung auf unsere Frankfurter Verhält
nisse ist leicht zu ziehen Auch hier herrschen die gleichen Miß
stände wie überall, auch hier zieht die Stadt es gewöhnlich vor,
ibre Bauten in eigene Regie zu übernehmen, ja, bereitet den
Privatarchitekten wohl auch kort noch Schwierigkeiten, wo sie
Verpflichtungen ihnen gegenüber einge^mgen ist. Diese Hal
tung rmrß von Grund auf geändert werden. Statt Latz die
Stadt ihre baulichen Aufgaben, soweit solche überhaupt noch vor
liegen, durch ihre beamteten Architekten bearbeiten läßt, sollt
sie im Gegenteil aus eigener Initiative heraus der freien Ar-'
chitektenschaft so diel als möglich helfend zur Seite stehen. Auch
ein Wettbewerb etwa — wo bleibt z. B. das seinerzeit Zuge
sagte Preisausschreiben für die Bebauung eines Teiles des
Festhallengeländes? —- käme als Augenblickshilfe sehr wohl in
Betracht, obwohl die Devanstaltung von Wettbewerben natür
lich keineswegs eine grundsätzliche Lösung der hier angeschnit
tenen Fragen darstellt. Erschwert wird die Lage der Frankfur
ter Architekten übrigens noch durch das merkwürdige Vorurteil
d mancher Frankfurter Bauherrn, daß ein Fremder nicht nur,
um mit dem alten Stoltze zu reden, „immer von außerhalb" sei,
sondern auch Besseres zu leisten vermöge als die einheimischen
Kräfte, was weder die Ansicht des alten SLoltze war, noch in
Wirklichkeit Zutrifft. ' Lr.
Vom Stadtbild.
s« Mt der Riesenarmee der Litfaßsäulen, deren Vor-
LmpM vor einiger Zeit, kein Mensch weiß eigentlich wann und
wie, über Nacht selbst in die friedluhsten Straßen eingedrungen
sind, geht seit kurzem eine sonderbare Veränderung vor. Diese
Wandlung rührt einfach daher, daß etliche mitfühlende Seelen
schlechterdings nicht einzufehen vermochten, warum gerade die Lit
faßsäulen gut bekleidet sein sollen, wo doch so viele Menschen in
höchst reduzierter Kleidung herumlaufen müssen. Aus solcher Er
wägung heraus, die noch durch das nicht minder gewichtige Argu
ment der zu stattlicher Hohe sngeschwollenen Papierpreise unter
stützt wurde, rissen besagte Zartfühlende Menschen den armen Säu
len ihre Papierhülle vom zylindrischen Leib und ließen sie dann
frierend in der Landschaft stehen. Der Mensch will leben, nicht
rvahr, und das Papier, ob bedruckt oder unbedruckt, ist kostbar, die
hier obwaltenden Zusammenhänge sind'nicht weiter schwer zu fin
den. Nachdem die Säulen sich von dem ersten Schrecken erholt
hatten, machten sie schnell gute Miene zum bösen Spiele. Im
Grunde war es ihnen immer peinlich gewesen, so Willkürhaft von
jedermann beklebt zu werden, da vegab man sich schon besser in
den Dienst der einen oder der anderen Firma und ging mit ihr
^in MuerverhältniS ein. Man konnte sich dann sozusagen häus
lich sinrichten und an Stelle des lockeren, unsoliden Papiergewan
des ein gediegenes, vertrauenerweckendes Kostüm aulegem Die
städtischen Behörden mit ihrem gewohnten Taktgefühl errieten
bald die geheimen Wünsche ihre? Pflegebefohlenen auf Platzen
und Straßen und Meten Zwischen ihnen und unternehmungZ-
lustigen Firmen eine Reihe von Beziehungen, die sich von regu
lären Ehen nur dadurch unterscheiden, daß sie nicht gerade für die
Ewigkeit gelten. So sind denn heute schon mehr und mehr Säu
len mit einem Anstrich versehen worden, dessen fröhliche Farben
laut von glücklichen Verbindungen zeugen, die man hier ab
geschlossen hat. Da überdies diese farbige Bekleidung, laut städti
scher Vorschrift, von Künstlerhand besorgt wird, ist sie meist
vsn^so angenehmer Wirkung, daß nur noch zu wünschen bleibt, es
möchten recht viele Säulen dem Beispiel ihrer bereits unter die
Haube gebrachten Schwestern folgen. X. V,