Künstler selber- als lebendiger Interpreten ihrer Werke und setzte
sich -auch für die Teilnahme der Eltern an der Kunstbe-Lvachtung
LM, damit in der Familie fruchtbar fortwirke, was in der Schule
Mgebahnr werde.
Die Führu n g durch die kleine Ausstellung, die Werke von
RutzLaum, Lißmann, Enders, dem früher in Frank
furt ansässigen Maler BaLLerger, Brasch und anderen ent
hält- Veranstalters Direktor Prost Wichert- Mit einem pädago
gischen Geschick, das die Erinnerung an LichLwarrs Uebungen
im Betrachten von Gemälden heraufbeschwor erläuterte er an
etlichen Beispielen, wie man die Jugend zu den Bildern hinzu
leiten habe. Da sie, von dem Formalen zunächst abstrahierend,
im Wesentlichen auf das Gegenständliche dringe, sei man
schon Lei der »Auswahl darauf bedacht gewesen, problematische
Werke, die das Dingliche stark Zurücktreten lassen, nach Möglichkeit
suszuschalten. Die Unterweisung muffe vorwiegend danach
streben, die Kinder gleichsam durch das Geschaute hindurch in un-1
mittelbare Beziehung zur ErscheinungswelL zu setzen, und ihnen
Freuds einflößen an selbständiger schöpferischer Betätigung.
Prost Wichert wandle diese allgemeinen Grundsätze in seinen
Demonstrationen sogleich praktisch an und ergänzte sie durch eine
ReihZ für den Lehrer wichtiger Winke, die sich Lei der Be-
Grechung der einzelnen Werke von selber ergaben. Besonders
instruktiv war seine Erröterung verschiedener aus dem „Expressio
nismus* hervorgegangener Bilder, die bewies, daß auch diese
scheinbar schwer zu erschließenden Darstellungen eine Sprache er
halten können, die sie Kindern schon verständlich macht. Lr»
lZ2>) I I U-UU-.
— KahareLLsbend Jssum Selim» Gin KaLarettstar ersten
Ranges, der Sentimentalität mit Schnödigkeit entzückend Zu
mischen versteht, das Wienerische in allen Gefühlslagen beherrscht
und über Mannigfaltigkeit des Ausdrucks und der Gesten mit
selbstsicherer Koketterie verfügt: das ist Josma Selim. Am
Flügel begleitete sie Dr. Ralph Benatzky, Autor und Kompo
nist der von ihr vorgetragenen Couplets, die zum Teil wahre Zug
nummern sind — ein wenig harmlos freilich, aber das mochte an
der Auswahl liegen, die dem Geschmack eines guten bürgerlichen
Publikums zu entsprechen suchte und entsprach. Folgte man an
fangs willig, so ließ man sich bald hinreißen, als die Selim
zart-vulgär und frech-verschämt Alt-Wien hervorzauberte, wie
es sich im Paradiesgart'l erging, wo Lanner und Strauß ihre
Kompositionen vom Blatt weg aufführten, oder wie es, ein Ge
misch der Nationen und Dialekte, an der Frühjahrsparade teil-
nahm, und sich den Liebesgfühlen fo hingab, wie der Begeisterung
über die Kavallerie und den alten Kaiser Franz. Damit zur
Munterkeit sich auch Ergriffenheit gesellen, las die Künstlerin unter
den leisen Klängen der für diesen Zweck eigens zurechtgestutzten
„Mondscheinsonate" Beethovens Brief an die unsterbliche Geliebte,
und war es nun der Vortrag, der Text oder die Musik oder dies
alles zusammen— die Traurigkeit überrieselte einem ordentlich,
und wer weiß, ob nicht Tränen in das Geriesel sich einmengten.
Von dieser unziemlichen Vertuschung abgesehen, blieb indessen die
Künstlerin durchaus in ihrer Sphäre und pointierte die Zeit
gemäßeren Anzüglichkeiten, die sie im zweiten Teil des Abends
zum Vortrag brächte, in einem gleich hübschen Gewände und mit
dem gleichen Charme wie jene Wiener Miszellen. Der Beifall
> steigerte sich zwischen den „Stammbuchversen" und der „billigen
Annette" zu ansehnlichen Bekundungen, und der Walzer: „Ich
muß wieder einmal in Grinzing sein", der den Abend beschließen
sollte, war noch lange nicht das Ende, soviele Zugaben erklatschten
sich die in Stimmung versetzten Hörer. raa.
Z-- Tiere, Menschen- Zirku-Mter. Max Linder in feinem
Mm: „Der Zir? usksntg" vegiett wahrend dieser Woche im
Schumans-Lhsatrr und in der R e uen LL chtdühns.
Es ist gut, daß wir ihn wieder haben, den Stammvater Gro-
LeKk-Komiker, der über mehr Charme verfügt als Chaplin und ihm
an DraM? der Vcwcgunß nicht nachsieht. Her Amerikaner ist viel
leicht konsequenter in seinem erfolglosen Kampf wider die Lücke
des Maschinenobjekts. doch seine geschickte Tolpatschigkeir schlägt
leicht in Roheit um, wenn sie obenauf kommen will; Linder da.
gegen, ihm an Hilflosigkeit inmitten der Menschen und Dinge ver-
lvandß wird mit feineren Mitteln Meister der Lage. Die ganz«
WcU hm sich gegen ihn verschworen, nicht zuletzt sein eigener Kör
per — er ist wirklich ein törichter Hans. Aber der Hans hat Glück,
er strebt zwar lisch Lächerlichen Dingen, doch es geht wie im Mär
chen, Las Wunder wird Ereignis. Die Clownerie stiert Satur-
rralien. Das Zwecklose. Ueberflüssige wird verklärt. Das alles er.
gib! sich in der sichtbaren Welt, enthüllt sich im WerM der
Situationen und ist darum mit der Technik des Film- nicht nur
restlos zu bewältigen, sondern stellt ste überdies vor immer neu:
Möglichkeiten, UeLct ihr Amräge ohne Zahl. Kamen die Anwesen
den währwd der Produktionen Linder- aus dem Lachen nicht her
aus, so blieben ste Lei dem Mm: »Tier- sind Menschen"
still und ernst, obwohl auch er nach Heiterkeit beflissen trachtete.
Doch diese angebliche Burleske, die zeigen soll, daß in Kleider ge.
steckte Tiere sich wie Menschen benehmen, hat eine allzu fadenschei
nige Handlung, verrat allzu demlich die auf die Herrichtung ver-
roandte Mühe, als daß sie FröNichkert erwecken könnte. Tiere sind
eben keine Menschen und erregen menschliche Teilnahme v el
eher, wenn man sie in ihrem tierischen Sein belaßt, stark sie als
Ladies und Gentlemen zu kostümieren. rne.
-« Helden deS Sports und der Liebe. In den Drexel-
Lichtspielen wickelt sich eine Filmkomsok: ,Das Para
dies im Schnee" nmch einem Ronran von Ruoslf Strotz) ab,
über der die Sonne von St. Moritz leuchtet. Sie bestrahlt vor
allem Bruno Kastner, der als Skiläuser sich intensiver oetätigt
denn als Liebhaber, was seim weniger Mächtige Braut nicht §
unerheblich kränkt. Indessen, es handelt sich um eine Komödie,
und !o nimmt trotz Lller,Jrrungen die Sachs einen guten Ver
lauf. Die Aufnahmen der winterlichen Hochgebirgslandschaft
wirken prächtig, die jungen Damen in ihren Sportkostümen nehmen
sich erfreulich aus und die Gekllschafts'zenen sind das Werk einer >
geschickten Regie. Alles in allem erweckt das Stück die Lust an
einem Dezemberurlaub nach dem Eugadin. — In der anderen
Komödie: „Die Flucht in die Ehe" exzelliert Gunnar
Tolnaes als ein Graf, der zum Scheine heiratet und dann
gleich der formal Angetrauten bestrebt ist, aus dem abgeschlossenen
Zweckverband eine wirkliche Ehe Zu machen. Ernste Hindenüffe
setzen sich der löblichen Absicht in den Weg, die auf drollige Weist
überwunden werden. Unter den Episodenfiguren ragt der „Onkel"
strin rückS hervor, ein eigensinniger Kauz, der indessen für
rarlere Gefühle nicht unempfänglich ist. Der befriedigende Schluß
hat zur Folge, daß manche unbefriedigt bleiben, denen man wohl
auch eine nette Frau gewünscht hätte — aber so ist das Leben.
5LL.
l<Z5^ , 2,5
§ -SO?
j --- sLudwig Mages im Radios In der „Stunde der Frank
- furter Ztg." sprach gestern abend der in der Schweiz lebende deutsche
Philosoph Dr° Ludwig Klages, dessen graphologische Arbeiten
die Handschriftendeutung Zum ersten Mals durch eine Wissenschaft
von den Charakteren unterbauten, Zu einer unsichtbaren Radio
Gemeinde über die Zusammenhänge von Handschrift und
Charakter. Nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick kenn»
zeichnete er die Handschrift als eine fixierte Probe der Bewe
gungsweise eines Menscken. in der, wie in der Mimik, das
Gepräge seines individuellen Wesens Zu scharf umrissenem Ausdruck
gelange. Diese gesetzmäßigen Abhängigkeiten der bandschnstlichen
Bewegungsspuren von dem Charakter, dessen Darstellung sie sind,
habe er selbe? anknüpfend an die Forschungen Piderits und
Darwins, in seinem Werk: Musdrucksbewegung und Gestaltungs
kraft" in weitem Umfang aufgehellt. Die mannigfachen Einwänd<
dis gegen die Möglichkeit eine? solchen Interpretation der Schrift
erhoben werden, lehnte Klages sämtlich als unbegründet ab. Man
! behaupte etwa, daß jede Schreibweise an die Vorlage gebunden
! sei, nach der man schreiben gelernt habe: gewiß, aber diese Tatsache
müsse Graphologe eben genau so in Rücksicht ziehen, wie er
darauf zu achten habe, daß durch das SchreibwerkMg und das
schreibend^ Organ das seelische Ausdrucksbild leichte Abwandstingen
erfahren könne. Veränderungen dsr Schrift durch den augenblick
lichen Gemütszustand seien als solche ohne Schwierigkeit zu er»
kennen und ließen sich überdies durch die Vorlage mehrerer Schrift
proben paralysieren. Auf den ernstesten Einwand schließlich, der
die willkürlichen Abänderungen her SchMzüüe öervorhsbt,
erwiderte KlageS, daß der geschulte Graphologe über Methode«
verfüge um die erworbenen Schriftcharaktere von den Ursprung,
lich-n zu unterscheiden, ja. daß er durch die erworbenen Zuge
gerade Einblick in wichtige EigenschastSgruppen erhalte. Der
Redner beschloß seine fesselnden Darlegungen mit dem Hinweis
darauf, daß dis Zeichenmnde der Seele nur Lnsoweü Erwlge
verspreche, als sie Hand in Hand gehe mit dem Ausbau der
Charakterologie. ,
135) i Zo
WWWe der GemeiMO.
Von Dr. S. Kraetmer«
Das deuW Denken der Gegenwart hat seit Ferdinand
Wnnies svergl. dessen grundlegendes Werk: „Gemeinschaft
und Gesellschaft") den Begriff „Gemeinschaft" zu einer Kate
gorie erhoben, die es strikte gegen den Begriff „Gesellschaft"
setzt. Versteht man unter dieser etwa das anorganische Ge
triebe der entseelten, nur noch zweckbeKimmten Menschen,
die sich in der durch Kapitalismus und Technik mechamsterten
Welt bewegen, so wird jene als das organische Miteinander
der ganzen Menschen gedacht, die sich in die richtige Ordnung
zu schicken wissen. Gleichviel, wie man mm Gemeinschaft im
einzelnen vorwiegend bestimme: ob als eine des Glaubens, des
Blutes, der Sache — sie erscheint jedenfalls stets als das
genaue Widerspiel der Gesellschaft, deren schlimme Seiten man
nur fleht. Hier das amorphe Gemenge der Zu Atomen reduzier
ten Individuen, dort die Hierarchie sinnvoller Beziehungen
Zwischen voll entfalteten Menschen; hier die Ausschaltung der
Innerlichkeit, der Mitteilung nicht gewährt ist, dort ein Ge-
füge, das auf Innerlichkeit beruht und ihre Kundgabe er
möglicht; hier im Mittelpunkt wirtschaftliche und technische
Interessen, die eine lediglich äußere Verbindung zwischen den
Gesellschaft herstellen, dort eine lebendige Mitte, aus
ver die gesamte Existenz der zu ihr sich verhaltenden Gemein-
schasts-Gtieder Kraft und Bedeutung zieht.
So ungefähr werden die Gegensätze heute empfunden und
zugespitzt. Und die Jugend zumal, gleich radikal in Kritik
und Sehnsuckr, trachtet nach einem Gemeinschaftsleben, das
sie aus der Kälte des leeren Raumes hemussühre in eine Ver-
bundenheiL, die ihr Dasein durchaus umfängt. Auf vielen
Wegen wird die praktische Verwirklichung des Ideals ange
strebt: durch GeflnnungsLünde, durch Siedlungen mehr oder
minder kommunistischen Charakters und durch eine Reihe von
Versuchen, die an dem einen oder anderen Punkte, in Fabrik
oder Schule, die Mechanisierung überwunden möchten und häu
fig durchtränkt sind von sozialistischen Gedanken- Trotz aller
Avweichungen in der Einzetaufsassung des Gemeinten ist das
Ziel Loch immer eines nur: die Begrenzung jener gesellschaft
lichen Mächte, die man neuerdings^ zu Recht oder zu Unrecht,