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Object: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

35) 
Der Usraberrd des KrLrke«festes. 
Die Mai«belerrchtu«g. ! 
--- Schon in den Nachmittagsstunden des gestrigen Tages 
waren die Mainufer besetzt, auf den Brücken harrte die Menge 
geduldig. In den Schwimmanstalten und den improvisierten 
Zeltdörsern: überall stauten sich Menschen, kein Fenster blieb 
leer. Mit sinkendem Tag wurde ein Schiffersiechen vor der 
Maininsel Veranstalter, Schwimmer sprangen vom Eisernen 
Steg in den Fluß — ein Wafserjahrmarkt zum Ergötzen der 
Massen. Um acht Uhr — eS war mittlerweile dunkel gewor 
den — begann der Korso der bewimpelten Schiffe, die zum 
Teil vom Rhein herbeigekommen waren. Lampions überall; 
auch an den Häuserreihen zogen sich dünne Lichtlinien hin 
und umgrenzten die schwimmende Welt. Zwischen großen 
Dampfern trieben zahllose Kähne und Boote auf und ab, jedes 
eigen draviert. Der Fluß wurde mehr und zum überfüllten 
Platz, auf dem sich die festlich gestimmte Stadt ihr Stelldichein 
gab.'Schwimmer bewegten sich zwischen den Fahrzeugen, wo 
immer sie Raum fanden; eine Badehosen-Gruppe gar ver 
einte sich auf einem strahlenden Floß. Der Lärm der Stimmen 
und Orchester verschmolz mit den Farbenbällen und den 
glühenden Vapierfiguren zu einem einzigen berauschenden 
Ganzen. Zuletzt schwamm dieAlteBrücke herbei, inner 
lich erleuchtet, noch einmal Gegenwart im vergehenden Bild. 
Nach neun Uhr seht mit einer gewaltigen Detonation 
das Feuerwerk ein. Kreisel, Räder, BlumenbukeUs„ wir 
belten auf und überschütteten den Fluß. Die alte Brücken 
mühle strahlte in Konturen. Die neue Brücke erhielt zum 
ersten Male eine Stimme. Die Worte: „Nord und Süd 
verbunden" gingen in glänzenden Lettern von ihr aus, 
breite Lichtbäche flössen von ihr in den finsteren Fluß, dem 
sie für eine Weile ihre Helligkeit mitteilten. Die gleißenden 
Veranstaltungen, für deren Gelingen dem Frankfurter Ver 
kehrsverein Dank gebührt, schlössen mit der Beleuchtung des 
Doms, dessen Pfeiler sich steil und rot über dem Leben in 
der Tiefe erhoben. 
! gelegt. Man wünscht dem Kind, das so freundlich glänzt, 
Jubiläen in Menge und hält ihm einstweilen den Daumen. 
Wasserkünste. 
Während des Wartens belebt sich der Fluß. An der Insel 
wird Schiffer stechen geübt, Männer plumpsen ins 
Wasser, es lacht von den Ufern. Dem Main huldigen 
Schwimmer, die von dem Eisernen Steg sich entschlossen in 
die Fluten stürzen. Gruppen in Schwimmwesten halten Cercle 
im Wasser ab. Kleine Kähne kreuzen privat im immer beleb 
teren Strom, streifen die Wangen der Schiffe. Vergnüglich 
paddelt man in Badehosen zu zweit, viel Volk fährt dicht an 
einander gedrängt vorüber. Alles ist noch verkapselt-u 
währt sein Geheimnis. 
Die Fahrstraße. 
Nun es dunkelt, setzen sich die Schiffe in Bewegung. In 
einer langen Kavalkade ziehen sie von Brücke zu Brücke. 
Ein einziges Wandelbild entfaltet sich vor den Augen. Die 
Schwimmbäder sind in Budenstädte umgewandelt, Zeltdörfer 
bauen sich am Mainkai auf. Jede Fensterluke ist mit Gesichtern 
gefüllt. Langsam bilden sich Lichtreihen, feine rote und blaue 
Linien, die an den imaginären Hausfronten bis zur.Schönest 
Aussicht sich entlang Ziehen und verschwinden. Das Ueber- 
einander der venetianischen Glimmerstriche schließt einen 
Tummelplatz ein, der sich selbst genügt. 
Ja, ein einziger Tummelplatz ist jetzt aus dem so 
stillen Main geworden. Nichts steht mehr fest auf ihm, 
Tausende von Vehikeln schwimmen auf und ab. Rheindampser 
Lauchen auf, aus Koblenz, aus Neuß. Mehr Schiffe scheinen 
vorhanden, als das Wasser zu tragen vermag. Man grüßt und 
winkt, dreieckige Wimpel erfüllen die Luft, ein gewaMger 
Korso. Die Planken berühren sich, es wäre ein Leichtes, von 
Ufer zu Ufer unbenetzt zu entschreiten. 
Buntes Leben. 
Allmählich wird das Geheimnis der Lampions gelüftet. 
Gelbe, grüne, rote Farbenbälle gondeln im Dunkel. Sie ent 
zünden sich aneinander, kein Ende der Buntheit ist abzusshen. 
Gleißende Liebesinseln nähern sich, ein Fisch schwebt dahin,, 
eine winzige chinesische Dschunke strahlt silbern. Mit der-Ent- 
faltung des Lichtspektakels mehrt sich das Gebrause der 
Menschenstimmen. Jedes Schiff spielt seine Valencia, aus 
ihrer Vermischung entsteht ein neuer Jazz. Auf einem leuchten 
den Wasserfleck stauen sich Schwimmer, mit einem Neptun an 
der Spitze, ihre Unterlage ist ein unsichtbares Floß. Frank 
furter Firmen verkünden glühend ihren Namen. Nun 
kommt herrlich auf einem Riesenkahn die Alte Brücke 
selber angeschwommen, in strahlender Röte, ein Phantom. Es 
jauchzt, es.klatscht, es tanzt sogar, die ganze Bevölkerung be 
geht das Geburtsfest, mitten im Licht. 
Feuerwerk. 
Eine Detonatron eröffnet das Luftgefunkel. LichLgarhen 
knallen nach oben und schütten feurige Blumenbüschel in die 
Tiefe. Vor der Insel drehen sich weiße Räder, kreisen 
Schnecken, die zischend versprühen. Die .Brückenmühle, ein 
Bild der Vergangenheit, ersteht in Hellen Konturen, ihr Rad 
kommt in Schwung. Orchideen, Palmbäume und Pfauen 
federn bilden sich für Augenblicke, gleich einer Fata Morgana. 
Auch die neue Brücke schreibt ihren Willen mit Feuer 
schrift in die Luft. „Nord und Süd verbünde n": so 
leuchtet es von ihr auf. Dann stürzen glänzende Bäche von 
ihr nieder, die auf dem Wasserspiegel verlöschen. Die Schiffs 
sirenen erheben Beifallsgebrüll. 
Eine Pause, und der Dom gewinnt rotes Leben, 
seine^trebepferlsV wachsen sichtbar aus dem dunkleren Grund 
hervor. Von drüben grüßt ihn sein Gegenbild, die DtH- 
königs k i r ch e, und auch zwischen den Jnselbäumen Aänzt 
es bengalisch. Die Menge auf dem Fluß singt das Deutsch 
landlied. ' - 
Das Ganze ein schönes Volksfest, für dessen Gelingen 
man dem Frankfurter Verkehrsverein mit feinem Direktor 
Max Bache nhe im er dankbar sein muß. Nächst ihm der 
Windstille des Abends. Wenn er ein Omen ist, so stehen der 
Brücke gute Jahrhunderte bevor. Rr. 
Ksrr Haas, äer Herausgeber cker Lra 
Verlag Lrust KoMokIt ersobeiueuäeu „b-ite- 
rarisebeu s! L" ist errurut über uns. Lr 
sa^L uns ru äer „I^iterariseben Well" unter äer 
IledersellrM: ,Meine Neiuuu^" seine NeinunZ. 
Wornit baden ^ir uns äsn OroH äes Herrn 
Haas LUFbLOZen? 8edr einkaed: er d!a§L uns an, 
äaü ^ir der „biterarisellen Well" seit idrern 
Lrsolleinen niedt ^eckaedt datten. Herr Haas 
Zaudert niedt, LoB^ied äsn anZedlieden Orunä 
unserer 2urüeddaltun§ rnit äetedtivisekern 8edark- 
sinn LU entdüllen. Lr sedreidt, an unsere ^äresse 
Ze^anät:,, Wir daden in unserer ersten Rurnrner 
einen Hauptautor Idres Verlages, äer ^krand- 
kurter Loeietäts-Druederei", ^ritr v. II n r u d, sedr 
sedark an§e^riiken. Der Verlag dat eine Verteidi 
gung Cnruds bei uns duredLusetLen versuedt. 
Wir daden diese Verteidigung niedt ^sdraedt — 
^veil ^vir der ^nsiedt ^varen, äak ein diedtenäer 
LavallsrieoktiLier (! v. Ueä.) Nanns Fsnuk sei, 
sied seldst Lu verteidigen, varaukdin dat äer 
Verlag den Lo^dott über uns verdankt, und die 
ktedadtion dat sied äiesern Lo^dottdekedl kü^sn 
rnüssen." ) 
Herr Haas baut seine Keiäüsse ins Blaue Nn- 
sin; ^vsnn sie sied au! ^.nalo^ien aued visHsiedt 
aukdauen rnoZen. Lr sedeint niedt ?u wissen, 
was er von jeäein Ilnterriedteten leiedt datte er- 
kadren dünnen: äak sied die Redaktion äer 
„Rrankkurtsr 2eitun§" in ^esiederter Ilnaddän- 
ssi^keit von idrern Verlage dekinäet. 0d er uns 
nun B^dt oder niedt, die Beuilleton-Reäakteure 
äer „Rrankkurtsr 2situn§" sind keine Rekruten, 
und Ro^kottdeiedls an sie sind in keinem Ralle 
er^LNZsn. Wären sie es in diesem, so dätte erst 
reedt niedt das LedaRen des Dramatikers Dnrud 
in unserem eiFenen Feuilleton der Rritik unter- 
Lv^en werden dulden; wie es taisäedlied ^e- 
sededen ist. Der wadre Drunä kür unser Zedwei- 
- §en der „Diterariseden Well" ^e^enüder muü 
also anderswo liefen. Doed von idm später. 
! ^unäedst daden wir uns noed eines weiteren 
^n^riRs des erzürnten Herrn Baas ?u erwedren. 
Dr dektaZt sied darüber, äak wir, ent^e^en tradi 
tionellen Depllo^endeiten, die in der „Ditera- 
riseden Welt" ersedienene Artikelserie: „Wie 
sie starden" von Raul Wie ler auk§6FriRen 
und 2um Oe^enstand einer Rolemik ^emaedt 
datten (ver^l. den ^uksatr „Routine" von Rrnst 
Rkeikker, Rrstes NorFendlatt vom 26. luni). Dr 
deutet 2art an, äaü es sied bei diesem Artikel 
wodl um einen Oe^ensedlaF §e^sn die Dnrud- 
Rolemik äer „Diterariseden Welt" Mdandell 
dade. 
Wiederum müssen wir Herrn Haas deriedti- 
Fsn. Der von idm inkriminierte ^uksatr war 
keine krie^erisode Handlung von Verlag 2U Ver- 
Die Mainbeleuchtung. 
Vorspiel. 
ist nochhell, zwischen sechs und sieben Uhr, doch schon 
ist ganz Sachsenhausen an seinem Ufer versammelt, und auch 
A baumeln die Beine. Der Eiserne 
Steg hat betrachtllche Lasten zu tragen, seit den Nachmittags 
stunden harrt rnan dort unentwegt. Die Schiffe liegen ge- 
du^L^re Lampions und Papiev-Aufbauten laffen 
zarroensche Effekte vermuten. 
lelber dem die Festlichkeiten gelten, 
AE heiter-unschuldig rn die Welt. Sanft leuchten die Sand- 
pemflachen, fast violett. Alles noch unberührt, kaum trocken
	        
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