Stern; aber der Stern leuchtet nicht und die Beine der Tillcr-
girls sind die abstrakte Bezeichnung der Leiber. Wo die Ver
nunft den organischen Zusammenhang zerfällt und die wie
immer kultivierte natürliche Oberfläche aufrecht, dort redet
sie, dort zerlegt sie nur die menschliche Gestalt, damit die un
verstellte Wahrheit von sich aus den Menschen neu modelliere.
In dem Massenornament ist sie nicht durchgedrungen, seine
Muster sind stum m. Die Ratio, die es hervorbringt, ist groß
genug, um die Masse aufzurufen und aus den Figuren das
Leben zu streichen. Sie ist zu gering, um in der Masse die
Menschen zu finden und die Figuren durchscheinend gegen Er
kenntnisse zu machen. Da sie vor der Vernunft ins Abstrakte
flieht, wächst die unkontrollierte Natur unter dem Deckmantel
der rationalen Ausdrucksweise gewaltig herauf und benutzt
die abstrakten Zeichen zur Darbietung ihrer selbst. Sie kann
sich nicht mehr wie bei den primitiven Völkern und in den
Zeiten der religiösen Kulte in Gestaltungen umsetzen, die als
Symbole mächtig sind. Solche Kraft der Zeichenrede ist aus
dem Massenornament unter dem Einfluß der gleichen Ratio
nalität gewichen, die das Aufbrechen seiner Stummheit ver
wehrt. So gibt sich denn die bloße Natur in ihm, die Natur,
die sich auch wider die Aussage und Fassung ihrer eigenen
Bedeutung sträubt. Es ist die jedes ausdrücklichen Sinnes
bare rationales eerform des Kultes, die im Masssn-
ornament sich darstellt. Damit erweist es sich als ein Rückschlag
in die Mythologie, wie er größer kaum gedacht werden kann —
als ein Rückschlag, der seinerseits wieder die Abgesperrtheit
der kapitalistischen Ratio gegen die Vernunft verrät.
Daß es eine Ausgeburt des bloß Natürlichen ist, wird
durch die Rolle bestätigt, die es im sozialen Leben spielt.
Die geistig Gutsituierten, die, ohne es wahr haben zu wollen,
der Anhang des herrschenden Wirtschaftssystemes sind, haben
das Massenornament noch nicht einmal als Zeichen dieses
Systems gesichtet. Sie verleugnen die Erscheinung, um sich
weiter an Kunstveranstaltungen zu erbauen, die unberührt ge
blieben sind von der im Ltadionmuster gegenwärtigen Realität.
Die Masse, bei der es sich spontan durchgesetzt hat, ist seinen
Verächtern unter den Gebildeten insofern überlegen, als sie im
Rohen die Fakten unverschleiert anerkennt. Mit derselben
Rationalität, mit der die Träger der Muster im wirklichen
Leben gemeistert werden, versinken sie im Körperlichen und ver
ewigen so die derzeitige Wirklichkeit. Preislieder auf die Körper-'
kultur werden heute nicht nur von einem Walter Stolzing
gesungen. Sie sind als Ideologien leicht zu durchschauen,
mag immerhin der Begriff der Körperkultur zwei ihrem Sinne
nach zusammengehörige Worte durchaus rechtmäßig miteinan
der verkoppeln. Die unbegrenzte Bedeutung, die dem Körper
lichen beigemessen wird, ist aus dem begrenzten Wert, der ihm
zukommt, nicht abzuleiten. Sie erklärt sich allein aus der
Bundesgenossenschaft, die das Körperbildungswesen, seinen
Vorkämpfern teilweise unbewußt, mit dem Bestehenden unter
hält. Die körperliche Ertüchtigung beschlagnahmt die Kräfte,
Produktion und gedankenloser Konsum der ornamentalen
Figuren lenken von der Veränderung der geltenden Ordnung
ab. Der Vernunft wird der Zutritt erschwert, wenn die
Massen, in die sie eindringen sollte, den Sensationen sich hin
geben, die ihnen der götterlose mythologische Kultus gewährt.
Seine soziale Bedeutung ist nicht zum wenigsten die der >
römischen ZirkusfPiel e, die von den Machthabern ge
stiftet worden sind.
.VI.
Die Versuchs sind zahlreich, die um der Gewinnung einer
höheren Sphäre willen die von dem MassenornamenL erreichte
Rationalität und Wirklichkeitsstufe wieder aufgeben wollen.
So setzen sich die körperkulLurellen Anstrengungen der rhyth
mischen Gymnastik über die Privathygiene hinaus das
Ziel, schmucke Seelengehalte auszudrücken, zu denen von den
KörpsrkulturdoZenten nicht selten noch Weltanschauungen mit
geliefert werden. Diese Veranstaltungen, von deren ästheti
scher Unmöglichkeit ganz abgesehen werden mag, erstreben genau
das zurück, was das Massenornament glücklich hinter sich ge
bracht hat: die organische Verbindung der Natur mit etwas,
das von den allzu bescheidenen Naturen für Seele oder Geist
gehalten wird; das heißt, die Ueberhöhung des Körperlichen
mit Bedeutungen, die ihm entstammen und zwar vielleicht
seelisch sind, aber von Vernunft keine Spur in sich tragen. Das
Massenornament stellt die stumme Natur ohne jeden Ueberbau
dar, die rhythmische Gymnastik beschlagnahmt ihrer Ansicht
nach auch noch die mythologischen Oberschichten und befestigt
so die Natur nur um so mehr in ihrer Herrschaft. Sie ist ein
Beispiel für viele andere ebenso hoffnungslose Bemühungen,
aus dem Massenwesen Zum gehobenen Leben zu gelangen. Von
ihnen in ihrer Mehrzahl gilt, daß sie echt romantisch auf
Formen und Gehalte sich besinnen, die der zum Teil berech
tigten Kritik der kapitalistischen Ratio längst verfallen sind.
Sie wollen den Menschen wieder fester mit der Natur verketten,
als er ihr heute angehört, sie finden den Anschluß an das
Obere nicht durch den Bezug auf die in der Welt noch unver-
wirklichte Vernunft, sondern durch den Rückzug auf mytholo
gische Sinngehalte. Ihr Schicksal ist die Irrealität; denn
wenn an einer Stelle der Welt die Vernunft hindurchschimmert,
so muß die erhabenste Gestalt vergehen, die gegen sie abblendet.
Unternehmungen, die unter Nichtachtung unseres geschicht
lichen Orts eine Staatsform, eine Gemeinschaft, eine künst
lerische Gestaltungsweise Zu rekonstruieren trachten, deren
Träger ein von dem gegenwärtigen Denken schon angetasteter
Mensch ist, ein Mensch, den es von Rechts wegen nicht mehr gibt
— solche Unternehmungen halten dem Massenornament in
! seiner Niedrigkeit Nicht stand, und die Hinwendung zu ihnen
> ist keine Erhebung über seine leere und äußerliche Flachheit,
sondern eine Flucht vor seiner Realität. Dsr Prozeß führt
durch das Ornament der Masse mitten hindurch, nicht von ihm
aus zurück. Er kann nur vorangehen, wenn das Denken die
Natur einschrankt und den Menschen so herstellt, wie er aus
der Vernunft ist. Dann wird die Gesellschaft sich ändern
Dann auch wird das Ornament der Masse hmschwinden und
j das menschliche Leben selber die Züge jenes Ornaments an
nehmen, zu dem es in den Märchen angesichts der Wahrheit
! sich ausprägt.
— DaH alte Wen. Vor kurzem brächte die „Frankfurter Zeitung"
einen Aufsatz: „Film-Wien", in dem Klage darüber geführt ward,
daß das in den Filmen seit einiger Zeit beliebte Men dem heutigen
Wien gar nicht entspreche. Um eine Komposition aus den Ingre
dienzien des längst verblichenen Wiens handelt es sich auch bei dem
Film: „Wien, wie es weint und lacht", den die
„Bieberbau-L'ichL spiele" zeigen. Bekannte Schauspieler
erscheinen in altosterreichischen Charaktermasken: der General mit
dem feschen Schnurrbärt, der Leutnant, das Wiener Mädel, der
Fiakerbesitzer usw. — alle Typen aus der Anzengruberzeit. sind
vorhanden. Dazu das Heurigen-Milieu, die Wachcharade, der Ring.
Zwischen den Figuren entstehen die üblichen Konflikte, die auf die
übliche Weise aufgelöst werden. Am originellsten die Figur eines
jungen jähzornigen Mannes, der unter keinen Umständen zum
Militär will, das fo verlockend gleißt. Der Film ist an sich gut auf
gemacht und scheint von jener bewährten Mischung, die eine ge
wiss e Zugkraft immer noch ausübt. Uaca.
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inen rnanods Oeküdls dsrbei, äis an Diebs unä Diksr-
suedt erinnern. LiläunMciels vsräsu prsisseLsdsir
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kür inöxlied xcsdnltsn dätts, tut äsnnoed. vns sis
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