fortgesetzt erinnert werden, die Schweizer sind auf biderbe
Weise raffiniert). Der Besuch dieser photographischen Schau
ist nicht nur für Architekten lohnend.
kleine technische Apparate zu sehen, die schon seit Jahren so
hergestellt Wochen sind —- Dinge knappster Gestaltung, auf die
letzte Formel gebracht. Während sie aber früher fremd in den
Räumen saßen, für die sie verwandt wurden, starren, bereits
historisch gewordenen Räurne kunstgewerblicher Art, bildet sich
heute die Wohnung heraus, in die sie von Rechts wegen gehören.
Das präzise Wafferhähnchen, das seiner Umwelt voraus war,
findet jetzt Häuser, die ihm technisch ebenbürtig sind, und die
Badewannen brauchen sich der Speisezimmer nicht mehr zu
schämen.
Das Wichtigste ist dies: daß die gesamte Schau einer I n -
ventaraufnahme der von der Industrie tatsächlich an
gefertigten Gegenstände darstellt. Nicht mehr wie vor zwei
Jahren noch bei der Stuttgarter Ausstellung: „Form ohne
Orament" sind Dinge eigens zu Demonstrationszwecken aus
gebildet worden, sondern alles Gezeigte befindet sich wirklich
im Umlauf, wird gekauft und verbraucht. Freilich war die
Auswahl aus den vorhandenen Beständen mit Schwierigkeiten
verknüpft. Um das passende Material zu erhalten, hat sich die
Werkbundleitung in der Regel an die g r o ß e n V e r b L n d e
gewandt, die sich leichter als die Einzelfirmen von dem Sinn
der Sichtung überzeugen ließen und fast durchweg ein nicht
genug anzuerkennendes Entgegenkommen bewiesen. Schon
heute darf als Ergebnis des neuen Ausstellungsprinzips ge
bucht werden: daß es die Industrie mehr zu gewinnen und
anzueifern vermag als die frühere Methode.
Kämpfe waren vor allem mit den vorwiegend kunstgewerb
lich eingestellten Industriezweigen auszufechten. Die Ta
petenfabrik anten etwa, die alljährlich eine Menge
neuer Muster auf den Markt werfen, mit immer anderen Be
lebungsversuchen von Familienhintergründen, führen begreif
! licherweise Klage darüber, daß die konstruktiven Hausgerippe
von ihren zweidimensionalen Produkten nicht mehr viel wissen
! wollen. Nur wenige lichte und enthaltsame Rollen sind aus
! der ganzen Mannigfaltigkeit erwählt. — Sonderbar liegt der
> Fall bei der Gardinenindustrie. Die gleiche Technik,
die heute der Wohnung sich bemächtigen möchte, hat, seit den
sechziger Jahren schon, Maschinen hervorgebracht, denen die
Zierate mühelos entquellen. Die Maschinen verlangen nach
Nahrung, und der Werkbund sieht sich gezwungen, ihnen, vor
erst wenigstens, das Futter zu verweigern. Er fetzt sie auf
Hungerration — eine dialektische Entwicklung, eine Beschrän
kung der technischen Möglichkeiten aus technischen Gründen,
ein in sich selbst begründeter Umschlag, kraft dessen die ur-
prüngliche Potenz der Maschinen verringert werden soll, weil
le noch nicht in strengem Sinn maschinenhaft ist. Vielleicht,
ägen die Werkbundleute, kommt später wieder eine neue Fülle,
einstweilen aber ist Kargheit geboten, und die Gardinen-
maschinerie muß sich den Bauchgurt enger schnüren. — Auch
die eisernen O-efen sind Zu üppig dekoriert. Einzig das !
schon früher ausgestellte Kramersche Modell hat Bestands
Um einige wohlgestaltete Oefen zu retten, hat man ihnen die'
-.Ornamente abgeschlagen wie den Häusern vomKurfürsten- j
Das Wohnhaus hat die Entwicklung der
Technik und des öffentlichen Lebens aufzu-
holen begonnen: Das ist der entscheidende Eindruck,
den die Weißenhof-S red lung erweckt. Sie liegt noch
im Rohen, noch ist die Innenausstattung nirgends vollendet;
darum wäre der Bericht über Einzelheiten und die unerläßliche
kritische Sichtung vorerst verfrüht. Gewisse Grundzüge des
neuen Bauens, die sich, wie die Siedlung drastisch beweist,
von allen Seiten her durchsetzen, sind indessen jetzt schon deut
lich zu erkennen. Es geht darum, mit den Mitteln der moder
nen Technik Menschen eine Wohnung zu schaffen, die in ratio
nellen Großbetrieben stehen, Auto und Flugzeug benutzen, rm
Stadion den notwendigen Sport treiben und durch ihr Massen
Haftes Auftreten im Wesen bestimmt sind. Die neue Wohnung
nmß zu dem veränderten Raumgefühl dieser Menschen Passen,
sie hat sich polemisch Zu verhalten Zu der privaten AbgeM
heit, die eine noch an vielen Orten in die Gegenwart wirkende
vergangene Epoche mit ihren Innendekorationen erstrebte. Das
nach dem die Dinge angeordnet sind, bleibt geheim oder prägt
sich doch jedenfalls an der Oberfläche nicht pathetisch aus.
Die Werkbund-Parole: Los vom Kunstgewerbe
hat sich noch niemals so sichtbar dargestellt. Simpel und puri
tanisch sind die beiden Kennworte, die als Motto über
dem Eingang stehen könnten. In jenen, schönen ange
nagelten Groteskbuchstaben Willy Baumeisters,' die, rot
oder grau, den einzigen ornamentalen Schmuck der Wände
bilden. Auch sie kein Ueberfluß, ein Zweckornament viel
mehr, das Firmen nennt. Verschwunden der Krimskrams,
der Zu den umständlichen Dessous der noch nicht Sport
treibenden Frauen von früher gehörte.
Das neue Hauen.
Dur Stuttgarter Merkbuud-Ausßelluug: „Dre Mshmmg"
Diese Häuser sind Gerippe aus Eisenstützen, Backstein
fragmenten, Beton und anderen Substanzen -- Gerippe, die
jede konstruktive Möglichkeit auskosten, jede ihnen durch die
heutige Bautechnik eingeräumte Freiheit Nutznießern Welchen
Gebrauch machen sie von der neu errungenen Freiheit? Im
Innern verzichten sie auf durchgehende Wände; so sind die 24
Wohnungen des Miethausblocks von MiesvanderRohe
verschiedenen Architekten zur individuellen Aufteilung über
lassen worden. Viele Kombinationen sind derrkbar, Parteien mit
und ohne Kinder können sich einrichten. In den Einzelhäusern
wird fast überall das Speisezimmer in den großen Wohnraum
einbezogen, die Durchreiche zur Küche,idie man auch von den
Frankfurter Siedlungen her kennt, ist Allgemeingut geworden.
Darüber hinaus herrscht das Bestreben, die Scheidewände
zwischen den Zimmern durch Schiebetüren nach Möglichkeit
beweglich zu halten; wenn nicht gar sie auszuheben wie in dem
einen Haus LeCorbusiers, in dem Schlafzimmer, AnKeide-
und Badegelegenheit von dem Hauptraum nicht mehr deutlich
abgetrennt sind. Das alles im Dienst von Licht und Helle, ver
bunden mit einer rationell durchdachten Apparatur. Was die
Fassaden betrifft, so sind sie die eingesetzten äußeren Abschlüsse
des Gerippes, ohne tragende Funktion. Gelagerte Fenster
können sie ihrer ganzen Länge durchbrechen, und durchbrechen
sie darum auch. Ausdrücklich wehren sich die Fassaden dagegen,
ein Gesicht zu haben, als geschlossenes Bild von einem festen
Blickpunkt aus betrachtet zu werden; denn Menschen, die sich
nnt hundert Kilometer Geschwindigkeit fortbswegen, tragen
mit Recht kein Verlangen nach solchen Bildern. Nicht der an-
gewurzelte Beobachter ermißt die Häuser, sondern der sie um-
streifende und durchdringende; oder der Flieger, dem sie ihre
flachen Dächer Mehren, auf denen sich ihm die Familien in
mitten gärtnerischer Anlagen bieten.
Im Ganzen also: Auflösung des Hauses als einer per
spektivisch auszuwertenden Baumasse eine Auflösung übrigens,
die bereits im generellen Bebauungsplan von Mies van der
Rohe sich darstellt, der die Häuser ineinander spielen läßt, statt
sie zur einheitlichen architektonischen Gruppe zusammenzu-
fassen; Gelenkigkeit aller Glieder innerhalb eines sich wenig
bemerkbar machenden RahnreM; Hygiene; kein Drum und
Dran. Ein Gerippe, mager und behend wie der Mensch in
Sporthemd und Hose. Das geschickte Wasserhähnchen kann zu
frieden sein. Wenn Frauen und Männer abends aus Fabriken
und Büros nach Hause kommen, werden sie nicht mehr in das
vorige Jahrhundert zurückversetzt.
Ein Hinweis nur auf die Plan- und Modellaus
stellung, die von Amerika und fast allen europäischen
Ländern mit gut ausgewählten Beispielen moderner Architek
tur beschickt worden ist. Sie ist als Materialsammlung so
wertvoll, daß man sie erhalten wissen möchte. Musterhaft die
Veranschaulichung durch Photographische Vergrößerungen
riesigen Formats; Photographien von solchen Dimensionen
sind dem Raum gemäß, den die gegenwärtigen Menschen und
ihre Bauten erfüllen. Zu erkennen ist hier: die starke Ab-
In der großen Hallenausstellung der Stuttgarter Werk-! hängigkeit des heutigen Bauens von amerikanischen Weg
bundschau sind einige Wasserhähnchen, Ladeeinrichtungen und bereitem — es wäre richtig gewesen, auch dem nicht minder
vorbildlichen englischen Landhausbau eine Stelle zu gönnen;
die Einheitlichkeit des Prozesses der Dhnamisierung aller
stabilen Elemente, die gleichbedeutend ist mit der Abschaffung
der europäischen Perspektive alten Stils; die Abwendung von
der kunstgewerblichen Ausfiaffierung zur technisch einwand
freien Hausorganisation, die nur den notwendigen Bedarf
locker und unaufdringlich erstellen will; die Beharrlichkeit
nationaler Eigenarten, die wie ursprüngliche Farbtöne immer
wieder durchschlagen (Gropius etwa wirkt ein wenig doktrinär
neben der Eleganz Le Corbusters, die Italiener können die
Säulen nicht vergessen, an die sie freilich durch Mussolini
sind Forderungen und Zwangsläufigkeiten, die nicht inner- b e h r li c h en Sc h e id ew ä n d e :
ästhetischen Motiven entspringen, sondern sich aus den Da- Frankfurter Werkbundhaus, sondern ein offenes Neben-
seinsbedingungen der industriell wirtschaftenden Nationen einander der Waren. Manche Firmen, die sich dagegen an
ergeben, und sich nur deshalb auf dem Gebiet des privaten fänglich sträubten, sollen inzwischen die Vorteile einer solchen
Wohnens bisher nicht verwirklicht hatten, weil sie das Leben Grenzverwischung eingesehen haben. Wie in der Siedlung
des Einzelnen später als das öffentliche erreichten. auch die Unterdrückung perspektivischer Aspekte. Das System,
Ihnen kommt die Mehrzahl der Siedlungshäuser entgegen. nach dem die Dinge angeordnet sind, bleibt geheim oder prägt
Die Hallen-Ausstellung vereinigt eine Auswahl von
Haus gerät, für die neue Grundsätze maßgebend ge
wesen sind. Bezeichnend schon allein die Art, in der Lilly
Reich, die verantwortliche Leiterin dieser großen Schau,
die Räume gestaltet und aufgeteilt hat. Helle Hintergründe,
die Wände treten zurück. Die alte Haupthalle, die mit ihren
ausführlich verschnörkelten Eisenträgern an einen verschollenen
Bahnhof gemahnt, erstrahlt in einem weißen Glanz, von dem
der rührende Prunk der Balustraden und der Dachkonstruktion
sich dünn und dunkel abhebt; durch die Verwandlung wird
das Gebilde aus der Gegenwart gerückt und beinahe schön.
Entscheidend ferner, daß die Auflösung so weit wie möglich
getrieben ist. Wie in der Siedlung draußen fallen die errt-
: keine Kojen mehr wie noch im
offenes Neben-
sich dagegen an-