Getrennt
die Gemein-
schaftsarbeit der Ufa und eines Fabrikunternehmens, das auf die
sem nicht ungewöhnlichen Wege sein Erzeugnis unter den Bäckern
propagieren will. Ohne mich den technischen Einzelheiten näher zu
widmen, begnüge ich mich mit der Feststellung, daß das vorgeführte
Verfahren zur Fabrikation guten Roggenbrotes ingeniös ersonnen
zu sein scheint und der Film selber glänzend gemacht ist. Er ist
ein Bäckertonf i l m, mit einem Wort; ein umfassendes Epos,
in dessen Roggenteig alle löblichen Taten des ehrsamen Bäcker
standes hineingeknetet worden sind. So veranschaulicht es etwa die
Sangesfreude der Bäcker' durch Aufnahmen vom Sängerfest des
Mittelsächsischen Bäckermeister-Bundes in Roßwein oder gestaltet
den Kummer der Meisterin, die kein Brot mehr im Laden hat und
daher die Kunden unbefriedigt abziehen lassen muß. Manchmal ist
es.gar kein Spaß, ein Bäcker zu sein. Die Rosinen im Kuchen
sind natürlich jene Bilder, die das betreffende Fabrikationsverfah
ren zum Gegenstand haben. Sie dringen tief in die Geheimnisse
des Sauerteigs ein und fördern mit vollendeter Deutlichkeit die
folgenschweren Prozesse zutage, die sich in seinem Innern unsichtbar
sbspielen. Aber welcher Mittel bedienen sie sich zu diesem Zweck!
Ich stehe nicht an, sie kriegerisch zu nennen.
Es handelt sich darum, mit Hilfe von Trickzeichnungen den
Nachweis Zu erbringen, daß sich die Hefem und die Sauerteigbak-
texten im Sauerteig unter verschiedenen Bedingungen entwickeln.
Dieser Vorgang wird nun so demonstriert, daß man die winzigen
und wahrhaftig friedfertigen Körperchen einfach in Uniformen
steckt. Und zwar müssen die einen zur Kavallerie einrücken, während
Ne anderen, die nur schlecht vorwärts kommen, der Infanterie zu-
,MeilL werden. Dann schmettern Militärmärsche drauf los, und
ein unendlicher Zug von Hefen- und Bakterientruppen vollführt in
strammer Haltung die vorgeschriebenen Evolutionen, Paraden im
Brot, ausgerüsteter Sauerteig und FriderieW Mikro ¬
skop: soweit also hätten wir's glüMch gebracht. Bald werden sich
Ue Elektronen nicht mehr wie die Planeten-bewegen^sondern links
sein werden. Und dennoch...
Der Kulturfilm, von dem ich hier rede, heißt:
marschieren, vereint schlagen" und ist
brauchsanweisung verrat, daß er Tränengaspatroneü enthalt, mit
denen man einen Angreifer' ein paar Minuten lang DampfunsWg
machen kann. Man braucht nur auf ein Knöpfchen zu-drücken, und
gleich Zischt das Tränengas aus der Hülse hervor. In der Tat ist
ein unauffälliges Knöpfchen am Meistiftlauf angebm denO lch
freilich nie die Funktion zugetraut hätte, die es in Wahrheit er
füllt. Es erweckt viel eher den Eindruck, als bewirke es den Wchs
schub neuen Graphits? Nachdem die Gebrauchsanweisung das. Ver
fahren beschrieben hat, kommt ste auf die Vorteile dieser Ver^
Leidigungsmethvde zu sprechen und stellt enthusiastisch fest: „Mit
dem schießenden Bleistift bewaffnet, kann die brave Geschäftsfrau
jeelenrnhig auch den unheimlichsten Kunden hinter dem LadeNHsch
bedienen." '
Seelen ruhig — ich sehe die brave Geschäftsfrau mutters
elenruhigallein im Laden und auf der Theke in Reichweite den
schießenden Bleistift. Es will Abend werden, und sie fertigt noch
einen letzten Kunden ab. Sein Aeußeres ist furchterregend, aber
sie fürchtet sich nicht im geringsten, sondern nimmt wie iw Spiel
den Bleistift Zur Hand. Kaum macht der Kunde die erwartete ver
dächtige Bewegung, so sinkt er auch schon betäubt nieder. Die
brave Geschäftsfrau alarmiert dann seelenruhig die Polizei, die
in dem Kunden einen lang gesuchten Kunden entdeckt. Das alles
hat der schießende Bleistift getan.
So wenig er die Ausgeburt eines Detektivromans
ebenso wenig schwelgt die Gebrauchsanweisung in erfündM'M
Szenen. Ihr Text enthüllt vielmehr drastisch die Zeit, in der wir
das Vergnügen haben zu leben. Mit einer SeWverstLndtt
die erschüttert, setzt er voräus, daß, heute die. unheimlichen AlMen
unter uns umgehen und ein schießender Bleistift nicht minder Not
wendig ist als das Brot oder der Schlaf. Jedermann sein eiKMr
Tränengaserzeuger, sagt dieser Text, denn überall kann ein- An
greifer lauern, gegen den wir chemisch gerüstet sein müssen. Die
Straßenschlachten, Ueberfälle und Einbrüche sind zur Alltäglichkeit
geworden, die Detektivromane spielen mitten in der normalen
Wirklichkeit. Empfänden wir noch das Außervrdent^
Zustandes! Aber wir haben uns bereits so an ihn gewöhnt wie
an die Ernährung im Krieg. Und vielleicht mMt M GM^
anweffung nicht. Zu Unrecht, daß wir. sofort leelenrM An
werden, wenn wir nur im Besitz" schießender B
Ein Bedenken kann ich allerdings dabei Mcht M
Es ist anzunehmen, daß sich auch die Kunden, dieser Bleistifts
sichern, ün^daun wüden die braven GeWftGMewW
-Nachsch^ Eine Garantie M SeM
falls nicht. VORrnonusk.
schwenken und rechts schwenken wie Rekruten. Die ganze Natur
wird dann ein Kasernenhof sein, und ich sehe schon die Heuschrecken
im Aufklärungsdienst beschäftigt und die Maülwürfe als Pioniere/
Ernsthaft gesprochen: die Ereignisse im Sauerteig wären nicht
minder verständlich geworden, wenn man die Hefen und Bakterien
zum Beispiel in Sportsleute verwandelt oder ihnen irgendeinen
anderen Passenden Friedensberuf zugedacht hätte. Mußten sie wirk
lich militarisiert werden, damit der Sauerteig aufgeht und dem
Publikum eingeht? ES scheint beinahe so. Wenn ich in Zukunft
Roggenbrot esse, wird mir die Kavallerie und die Infanterie jeden
falls schwer im Magen liegen.
Uarade im Mrot.
Mx Berlin, im Januar.
Brot ist eines der friedlichsten.Dinge auf Erden, und sogar
das Roggenbrot macht keine Ausnahme davon. Nur wenn es ein
mal fehlt, entstehen unter Umständen Hungerrevolten, die ihrer
seits vielleicht wieder militärische Aktionen bedingen. Ist es aber
vorhanden, so sind die Menschen beruhigten Gemütes und geben
sich gerne dem Glück des Friedens hin. Sie träumen bei ihrer!
Bürostulle vom nächsten Sonntagsausflug oder schmieden schon
Pläne für die Ferien, in denen sie ebenfalls mit Brot versorgt
Seelenruhig.
Berlin, im Januar«
In den Detektivromanen, die ich lese, treten mitunter Mord
instrumente auf, deren Konstruktion äußerst geistreich ist. So ent
sinne ich mich eines Verbrechens, das mit Hilfe eines Blasrohres
begangen wurde, aus dem der Mörder eine vergiftete Nadel auf
sein Opfer schoß. Vermutlich wäre die Untat nie entdeckt wor
den, wenn nicht ein besonders fähiger Detektiv eingsgrisfen hätte.
Wer zum Glück sind solche Detektive in den Detektivromanen
immer Zur Stelle, und das jeweilige Verbrechen wird überhaupt
nur darum möglichst geschickt inszeniert, damit sie ihren Scharf
sinn in ein Helles Licht setzen können. Von einer seht raffinier?
ausgedachten Waffe las ich erst kürzlich m folgendem Zusammen
hang: Ein Wann dringt in das Laboratorium eines Gründers ein
und reißt besten Pistole an sich, um ihn zu Loten. Der Erfinder
— er ist der edle Held des betreffenden Romans — bleibt still
vergnügt sitzen und warnt seinen Gegner davor, den beabsichtigten
Gebrauch von der Pistole zu machen. Der richtet ungeachtet der
Warnung die Waffe auf den Erfinder^ drückt ab und — erschießt
sich selber. Die Pistole entlud sich nämlich nicht wie andere ihres
gleichen nach vorne, sondern nach rückwärts. Ich füge nur noch
hinzu, daß der Erfinder in aller Heimlichkeit auch für eine kine
matographische AufnahM des Vorgangs gesorgt hatte, mit der
er später sonnenklar seine Unschuld bewies...«
Bei der Lektüre dieser Romane habe ich allerdings bisher nie
die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß ihre Angaben der Wirklich-
ckeit unseres Lebens entsprachen^ I ich hult sie für
Erzeugnisse einer mehr oder weniger strotzenden KolM
tasie und ließ mich desto lieber von ihnen spannen, je ungebro
chener ich der Ueberzeugung war, daß ste um der Spannung willen
die Wahrscheinlichkeit opferten. Und jene merkwürdigen Waffen
schienen mir nur märchenhafte Requisiten zu sein, die im Inter
esse blendender Effekte den Mördern oder Detektiven in die Hände
gedrückt worden waren.
Nun stellt sich leider heraus, daß ich in einem Irrtum be
fangen gewesen bin. Es gibt diese Waffen, und sie existieren nicht
allein in den Detektivromanen, sondern führen eine WtagsexiftenZ,
die schlechterdings unbezmeifelbar ist. In einem Schaufenster des
Berliner Zentrums hangt ein Tüschenbteisüft, der so harmlos aus-
Mt Witz nndere BleiWLe auch Ein schöner schwarzer Bleistift,
mit etnn Spitze ZE einer Klammer,"E
Befestigung in der Rocktasche dient. Memand merkt ihm an. baß
er-nur ein unfrommer Tmg ist, und doch wird, er zu gefährlicheren
Zwecken als zum Schreiben benutzt.
Er ist ein BeLaubungsrnstrument und nennt sich „der
jchießtzkdz Bleistift", Die neben ihm befindliche Ge