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Schilderungen des Hotelmilieus.
Bälle werden jetzt nicht nur im ,,Hotel Savoh" auf der Bühne
gefeiert. Auch in den wirklichen Hotels herrscht ein ziemlich aus
gedehntes Balltreiben, das aus den Sälen in die Hallen und
wieder Zurück in die Säle flutet. Ja, der Eindruck ist nicht abzu-
weisen, daß sich*das gesellschaftliche Leben in oiesem Jahr stärker
als im vergangenen entfaltet. Wenn man die glänzenden Bilder
betrachtet, die es bietet, hat man durchaus das Gefühl, als gingen
wir wieder einmal herrlichen Zeiten entgegen . . . Eine Kombina
tion aus Hotelleben und gesellschaftlichem Ereignis ist die von der
„Genossenschaft Deutscher Bühnenangeho eigen" verunstaltete Ur
aufführung des Films: „Mensschen im Hotel" gewesen.
Lauter Prominente im Parkett "und auf dem Balkon, und als
Auftakt ein Bühnenteil unter Mitwirkung von Generalmusik
direktor Lert, Willi Domgraf-Faßbänder und Frau
Salvatini. Warum das chinesisch vermummte Laban-Ballett
der Staatsoper so verkrampfte Bewegungen machen muß, ist nicht
recht einzusehsn. Oder spiegelt es die Zuckungen unseres politi
schen Lebens wider? Zu erwähnen wäre noch das Programm
blatt, das ein kalligraphisches Wunder ist. Uebrigens ist es jetzt
nachgerade Zur allgemeinen Sitte geworden, bedeutende Filme so
festlich herauszubringen. Die Einladungskarte zum Cecil de
Mille's Millionenfilm: „Im Zeichen des Kreuzes", dessen Premiere
in diesen Tagen stattsindet, hat die Form einer römischen Urkunde
und ist mit einem Siegel versehen, das durch seine Amtsmiene
den Empfänger zunächst in Schrecken versetzt. In besonderen Fällen
werden die Filme sogar von Mitgliedern der Reichsregierung aus
der Taufe gehoben. Der Film: „Menschen im Hotel" ist, wie man
weiß, nach dem gleichnamigen Roman von Vicki Baum gedreht
worden und zeichnet sich durch eine Besetzung aus, deren Prominenz
die bei seiner Berliner Uraufführung versammelte fast in den
Schatten stellt. Scin Wert fällt aber auch in der Tat mit dem der
darstellerischen Leistungen zusammen, die dank der Regie Goul«
dings spielerisch gut niemand ergreifen. Denn die Handlung
selber, die das grausame Nebeneinander im Hotel veranschaulichen
möchte, verdicht sich nicht zu irgendeiner Gestaltung, sondern ist
eine Mittlere Unterhaltungsware, der in der Hauptsache jene
PuLMumsschichten Bchall spenden werden, die in den großen
Hotels rvcht verkehren. Äennt man solche Hotels nicht von. innen,
so hört man wenigstens gern etwas über sie, und wem liefe nicht
ein angenehmes Gruseln über den Rücken, wenn er eine ange
messene Zeit in der Gesellschaft einer russischen Tänzerin, eines
aristokratischen Hoteldiebs, eines Generaldirektors usw. verbringen
darf? Vor allem dann, wenn sich Zeigr, daß auch diese unnahbaren
Hotelgäste nur arme, geplagte Menschen sind. Die Autorin hat die
Bedürfnisse ihres Publikums richtig erfaßt. Allein das Star
Ensemble erhebt den Film Zum Rang eines interessanten und
wichtigen Dokuments. Greta Garbo als russische Tänzerin:
seit sie vor Jahren, ebenfalls unter der Regie Gouldings, Anna
Karenina verkörperte, hat sich die Natur und das Spiel -dieser
einzigen Frau nicht mchr so voll und hinreißend dar gestellt.^ (Ich
werde über sie noch gesondert berichten.) Ivan Erawfords ^teno-
tvpistin ist die sehr exakt ausgeformte Figur eines durch den
Existenzkampf abgebrühten Mädchens; John Barrymore, ein
heruntergekommener Edelmann, dem trotz seiner Di.bstähle innere
Sympathie gehört; Wallace Berry, ein Generaldirektor mit
parvenuhasten und Läppischen Zügen. Das Zusammenspiel dieser
ausgezeichneten Kräfte, aus dem eigentlich nur Lyonel Barry-
mores viel zu aufdringlich gestalteter Buchhalter Kringelem
herausfällt, zwingt zu starker innerer Beteiligung. Sie wird noch
vertieft durch die Genauigkeit des Details und die hervorragenden
"''seinen mal.
B? liu.
Ja der Technischen Hochschule CharloLtenburg sind seist .
Ergebnisse des engeren Wettbewerbs zur Erlangung von Borste
gen für das bei Bad Berka geplante Reichsehrenma l aus
gestellt. Zur Beteiligung aufgefordert waren die Schöpfer der beim
ersten Wettbewerb ausgezeichneten Entwürfe, über die wir hier
seinerzeit berichtet haben (vgl. „Frankfurter Zeitung" vom 18. Juni
1932). Im Preisrichterkollegium, dessen Zusammensetzung annähernd
erhalten blieb, saß diesmal an Stelle eines ausgeschiedenen Herrn
auch Pros. Schultze-Naumburg.
Unter den drei preisgekrönten Entwürfen befindet sich der von
Wackerle und Bieder (München) an der Spitze. Er unter
scheidet sich von der Mehrzahl der Projekte dadurch, daß er die
' große Waldlichtung, die in den meisten Fällen als eine Art natür-
s licher Vorhof aufgefaßt wird, mit einer Architektur erfüllt. Treppen
führen zu einer riesigen Plattform, auf der sich eine Gebäudekompo-
- sition erhebt, die aus einem Glockenturm, einer Ehrenhalle und einem
, Kriegerheim besteht. Diese architektonische Anlage, die sich von dem
wichtigsten Blickpunkt aus als geschlossenes Ganzes darstellt, er
möglicht zweifellos eine klare, wirkungsvolle Gruppierung der Be
sucher. Unverkennbar ist auch, daß sie sich sowohl im Aeußern wie
im Innern um Schlichtheit bemüht. Die Silhouette ist unpathetisch,
die rechteckige Ehrenhalle ein einfacher, von einer Balkendecke über
dachter Raum. Dennoch erregt der Entwurf gewisse Bedenken. Um
davon abzusehen, daß er den Wald architektonisch kaum mitreden
läßt, so wirkt er nicht eigentlich wie ein Ehrenmal, sondern eher
wie ein Kloster. Rein durch die Anordnung der Bauten erinnert
die Ehrenhalle an eine Kirche, und das Kriegerheim, dessen Zimmer
um einen Mittelhof gelagert sind, an ein Wohngebäude für Mönche.
Es fragt sich überhaupt, ob das Heim hier sinnvoll unterbracht
ist; wenn auch manche Erwägungen für seine Einbeziehung sprechen
mögen. Jedenfalls sollten Affoziationen ferngehaUen werden, die
mit einem Ehrenmal unmittelbar nichts zu tun haben.
Im Entwurf der Stuttgarter Professoren U. Janssen und
H. Wetzel wird die Architektur auf ein Minimum beschränkt
und der Bedeutung des Waldes bewußt untergeordnet. Auf der
Lichtung ist am Schnittpunkt der drei in sie einmündenden Wege
ein Glockenturm vorgesehen; ferner eine längliche, das abgestufte
Naturgelände bekrönende Ehrenhalle; schließlich eine auf diese
Halle ausgerichtete Zufchauertribüne. Von dem Hauptplatz aus
geleiten kurze Waldwege zum „Merheiligsten", einem mit sym
bolisch gemeinter Architektur susgestatteten Rondell, und zum
Denkmal der „Mutter". Der Reiz dieses Projektes ist, daß es den
Stimmungswert der Landschaft voll ausnutzt und jedes künstliche
Pathos vermeidet. Die Ehrenhalle entfaltet sich unterhalb der
Baumwipfel, und die Gegebenheiten des Terrains spielen.eine
aktive Rolle. Allerdings bringt die architektonische Selbstbescheidung
den Nachteil mit sich, daß das Ehrenmal gar zu sehr ins Idyll
entgleitet. Nicht so, als ob eine pompöse Monumentalität zu
fordern wäre; aber der Gedanke des Mals kann doch nur durch
eine Gestaltung verkörpert werden, die sich vom natürlichen Hinter
grund deutlich abgrenzt. Hier dagegen ist das Architektonische so
aufgelockert, daß es fast schon als Nebenwerk erscheint. Es ist so
zusagen in einen Naturpark zerstreut hineingesetzt, statt aus diesem
gesammelt aufzusteigen. Daran ändert auch nichts die Tatsache,
daß die Rundung, die sich das „Ällerheiligste" nennt, einen be
sonderen architektonischen Akzent erhält. Im Gegenteil, durch die
betonte Ausbildung dieses abseits gelegenen Punktes tritt der
bloße Naturcharakter des zentralen Platzes nur desto stärker
hervor.
Am genauesten durchdacht ist entschieden das Projekt von Pros.
Wilhelm Kreis (Dresden), das wirklich allen Notwendig
keiten eines Reichsehrenma'ls gerecht Zu werden sucht. Unstreitig
hat es einsn viel monumentaleren Zug als die Leiden andern
Entwürfe, einen Hang zur ungebrochenen Großartigkeit, der zum
mindesten fragwürdig ist. Die nun einmal gestellte Aufgabe drängt
jedoch schon von sich aus Zu einer wuchtigen Lösung, und außer
dem legst sich Kreis eine kluge Mäßigung auf. (Wir erkannten
bereits Leim ersten Wettbewerb die von ihm geübte Zurückhaltung
an.) Er gibt der Idee des Reichsehrenmals, was ihr gebührt,
ohne darum in leere Phrasen zu verfallen. Das gelingt ihm zu
nächst durch die straffe architektonische Organisation. Von einem
Sammelplatz aus, der vor dem großen Freigelände liegt, zieht
sich durch ein aus drei Kreuzen gebildetem Tor eine abgetreppte
Waldschneise zum Ehrenhof hinan, der das Grabmal enthält,
sechzehn schwere Pfeiler umgeben die Stätte, die der Mittelpunkt
der Feiern ist. Erst der Rückweg von hier führt dann zum Frei
gelände selber. Es ist als Ausklang der Wanderung gedacht und
mit einer plastischen Gruppe geschmückt, die das Lied vom Kame
raden versinnlichen soll. Dank dieser GesamtkompoW erreicht
Kreis aber noch etwas anderes: die sonst nirgends so gut geglückte
Verbindung von Monument und Natur. Der Kommende nähert
sich auf einem architektonisch ausgeformten Weg dem Monument
des Ehrenhofs; der Gehende wird allmählich wieder in die Natur
entlassen. So untersteht er von Anfang bis zu Ende einer sinn
reichen Leitung. Schließlich schweift Kreis dort, wo er monumen
tal sein muß, nicht willkürlich aus, sondern hält sich nach Möglich
keit an die vom Thema bedingten Symbole. Wie die Kameraden
gruppe den Abschluß bildet, so bezeichnet ein Mauerrelief, das die
so lassen sie sich doch ebenso wenig aus einzelnen Individuen zu
sammensetzen. Man erhalt sie überhaupt nicht durch die Addition
individueller Einheiten, sondern kann sie höchstens in kleinste Be
standteile zerlegen, in Girl- und Boy-Atome, die aber für sich
allein keinen Eigenwert haben. Wie ein ins Freundliche gewendetes
Widerspiel der Massen treten diese LanZkompanien auf. Sie sind
harmlose Kulissen und vollführen ein paar nette Pauschalbewe-
Mngm, bei denen dem Publikum ganz leicht zumute wird. Wenn
so die Welt wäre ... Das Glück erfahrt eine letzte Steigerung in
der SchlußapoHeose, die eine einzige MasserwerLrüderung ist. Zur
Feier Madeleines durchmißt das Ensemble den Zuschauerraum und
verschmilzt so mit der nun vollends aktivierten wirklichen Masse
des Publikums. Um sie anzusprechen, unterstreicht die Regie auch
noch das Groteske. Aus den gleichen Gründen, aus denen sich
das Variete dem Theater annähert, kommt das auf breite Konsu
mentenschichten berechnete Theater dem Varietö entgegen Der
Hauptakzent liegt nicht nur auf der bezaubernden Stimme und den
schönen Toiletten Gitta A! pars, sondern auch auf dem Paar
Rosy Barsony und Oscar Denes, deren Leistungen zum Teil
artistische Solonummern sind. Ihre Grotesktänze, ihre komischen
Zungenverrenkungen usw.: das alles sind Produktionen, die in der
Scala nicht minder zu Hause wären wie im „Großen Schauspiel
haus". Der Aktionsradius der Operette wird durch sie unstreitig
erweitert. Die Groteske schlägt gewissermaßen die Brücke zwischen
dem hergebrachten Operettenstil und jenem Stil, den die heutigen
Zwischenschichten verlangen, deren Dasein sich tief in das der Massen
hinein erstreckt. Sie haben ihre Sprache noch nickt gefunden und
neigen eben darum zur ausdrucksvollen Stummheit der Groteske.