sind. Mitunter wird uns Zeit Zum Aufatmen in prunkvollen
Tropenhotels vergönnt. Alles in allem: es läßt sich leben auf
dieser Welt, wenn man genügend Geld hat und sie nicht gerade
aus der Perspektive eines "Kohlentrimmers sehen muß. Der Film
ist darum zu loben, daß er zum Hintergrund die ungestellten
Dekorationen einiger Kontinente hat. Seme Handlung, nun ja,
sie ist eben der Vordergrund der Dekorationen, und enthält immer
hin ein Paar n-ette Episoden. Warum schließlich sollte man sich
nicht mit närrischen Leuten einlassen, wenn man auf diese Weise
ohne viel Kosten die Welt und ihre Städte besichtigen kann.
K a eL.
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Der Sohn des Scheich. Rudolf Valentins, der Held
dieses in der Neuen Lichtbühne gezeigten Films, ist vor
wenigen Jahren gestorben. Aber noch immer entzückt er auf der
Leinwand wie zu seinen Lebzeiten der Welt. Seine Rolle ist den
Rollen von Douglas Fairbanks verwandt; sie zeigt ihn als einen
edlen Menschen, der aller Gefahren Herr wird und ein kühnes
Stückchen nach dem andern liefert. Aber wo Fairbanks unverstellt
männlich ist, gibt er sich Zart, wo jener sich beherrscht und aus dem
Willen heraus handelt, schmiegt er sich an und folgt dem Instinkt.
Ueber das Stück ist nichts weiter zu sagen, als daß es in der
Wüste spielt, geschickte Milieuszenen vorführt und eine höchst
romantische Handlung, in der Valentins nach Herzenslust posieren
kann. Zum glücklichen Ende bringt. Die internationale An
erkennung, die der Film gefunden hat, ist zu verstehen. — In
dem zweiten Hauptfilm: „Bräutigam auf Abbruch"
gerät Raymond Griffith in unglückliche Situationen. Er ist
der vollkommenste Gentleman Amerikas, und ein komisch-zauber
hafter Glanz geht von ihm aus. Fast könnte er ein Franzose
sein, so graziös, quecksilbrig und elegant tritt er auf. Witzig besiegt
er das Mißgeschick, das ihn verfolgt, weil er es sucht.
— Reinhold Schünzel im Ufa-Theater. Wer diesen Film:
„In der Heimat, da gibts ein Wiedersehn!" er
funden hat, verdient mit Strafe belegt zu werden. Kaum ist je
ein schlimmeres Gemisch aus Verlogenheit, Irrealität und rühr
seliger Mache über die Leinwand gezogen. Der Krieg — un
nötig, ein Wort über ihn in diesem Zusammenhang zu verlieren
— ist hier zur Zimmerdekoration gemacht worden, zum Hinter
grund und Vorwand für das Auftreten von spaßhaften Leuten
mit ihren privaten Liebesgeschichten. Solche Filme wären zu
verbieten; sie schänden das Andenken des Ereignisses, das im
Gedächtnis aller Lebenden steht, sie beschmutzen die Trauer und
vernichten die Größe. Nahezu unbegreiflich ist, daß ein demrtiges
Machwerk rn den Kinos austauchen kann, ohne einmütige Erbit
terung heworzurufen. Wir schätzen ReinhM S ch ü n z e l als den
ausgezeichneten Darsteller einiger Typen, die auf dem Berliner
Asphalt gedeihen; als den Soldaten Gustav Knospe schätzen wir
rhn nicht. —-Herr Schünzel war gestern persönlich erschienen,
sprach etlrche Worte, und durfte den Dank des Publikums quit-
tleren, der wohl im wesentlichen auf die Rechnung seiner besseren
Rollen von ernst zu setzen war. ir-eu
Hludokf Kaßner über UMogrrounk.
DannsLavt, M. Mai.
Die Darmstadter Gesellschaft für freie Philosophie hatte gestern
abend zu einem Vortrag von Rudolf Kaßner geladen. Der
bekannte Wiener Denker entwickelte die Grundgedanken seiner
Physiognomik, die er in mehreren Essaybänden medergelegt
hat. Ihn Zu hören, war gerade für den Kenner seiner Werke
ein Gewinn; in den Prägungen der mündlichen Rede gab sich
unmittelbar, was die eigenwillige Diktion der Schriftsprache ara-
Leskenhast aufzuzeichnen strebt.
Aum Unterschied von der aristotelischen Physiognomik, die,
statisch durchaus, jedem Einzelzug der menschlichen Gestalt eine
Eigenschaft zuordnet, erfaßt die Physiognomik Kaßners den. Men
schen in der Bewegung. Ihr geht es um die Auswertung von
Spannungsverhältniffen, nicht um gegeneinander abgesetzte Eigen-
schrsten, die ihr nur Grenzfälle sind. Während die Antike, indem
sie an dem Einzelnen haften bleibt, ihre Zugehörigkeit zur
Raumwelt erkennen läßt, ist das moderne Denken, das nach
dem Vorgang Newtons und Leibniz' die Bewegung ergreift,
in die Zeitwelt eingebrochen. Jene hat den Mythos geschaffen
und besitzt Größe; diese drückt sich im rhythmischen Leben aus und
hat Tiefe.
Die Welt der Physiognomik im Sinne Kaßners erschließt sich
der Deutung. Es ist eine Welt der bewegten Gestalten, deren
Sinn durch die geschulte Intuition ergriffen werden mag. Gleich
viel, ob diese Methode der Deutung theoretisch einwandfrei ist oder
nicht: die Beispiele Kaßners bezeugten seine außerordentliche Gabe.
als praktischer Physiognomiker. Er wies etwa auf die vielen mög
lichen Beziehungen Zwischen Kinn und Stirne hin und kennzeich
nete das mit der jeweiligen Spannung beider Gesichtsteile Gemeinte.
Schlagend auch seine Beurteilung des Verhältnisses von Auge zu
Mund. (Bei den Franzosen, die noch am meisten ein Raum
volk sind, befinden sich diese Elemente in größerer Uebereinstim
mung als bei dem Zeitvolk der Deutschen.) Die Nase ist ihm das
Sinnbild der Artung der Raste. Auch das „Drama",, das sich
zwischen den Lippen abspielt, wird von ihm interpretiert. Eine
lehrreiche Feststellung: daß das Bild des Sokrates, de^ als«
erster antiker Mensch den Mythos bekämpft, zugleich das erste
„häßliche" Bild der Antike gewesen ist. Die wichtigste Spannung
N für Kaßner die zwischen der Front des Gesichts und seinem
Profil. Ernem guten Profit kann eine versagende Vorderansicht
Leigegeben sein und umgekehrt. Me diese Beziehungen sind deu-
tungsfayrg, und es war reizvoll genug, den Gedankenerperimenten
A solgen, die Kaßner im nahezu mathematischen Spiel mit den
Konstellationen vornahm. Seine Ausführungen gipfelten in dem
Hinweis auf das gesamtmenschliche Gesicht, das Ohr-Augen-Ge-
nach ihm total durch das Genie allein verkörpert wird.
Als Ausnahme wurde das reine Musikergesicht Mozarts genannt,
das nur Ohr zu sein scheint und als Ganzes das GesiM der MuLtev
übernimmt. " , .
Den Beobachtungen liegen Gedanken zugrunde, die Kaßnev
wenigstens m Andeutungen durchschimmern ließ Der Statik der i
griechischen Mythologie, deren Zeichen die zahlenmäßige Vereinze
lung der interpretierbaren Naturzüge ist, entspricht nach ihm die
Geschlossenheit des antiken Gesichts. Schwindet diese Geschlossen
heit, so geht die Mythik nicht verloren, sondern was früher als
äußere Ordnung sich darstellte, ist nun in den rhythmischen Span-
nungsverhältniffen enthalten; sodaß, immer nach Kaßner, die
heutige verwandelte Mythologie der Gegenstand der
Physiognomik wäre. Die Physiognomik hat es nicht mehr mit dem
Einzelnen zu tun, Her Zahl, sondern bricht aus dem in sich ge
schlossenen Naturkreis heraus, um die immer neuen, nicht wieder-
Holöaren rhthmischen Konfigurationen zu verstehen, die sich aus
den unerschöpflichen Beziehungen zwischen Körper und Geist er
geben. — So etwa lautet die Aufgabe, die Kaßner der Physiog
nomik stellt. Ob seine Interpretationen mit der Statik des antiken
Weltbildes bereirs durchaus gebrochen haben: diese Frage mag
Zum Schlüsse noch aufgeworfen werden. Xr-.
— Derby. Ein Fum mit Gestüt und Rennbahn, einer dann-Ni-
schen.. Frau, einem Baron und — Otto Wallburg, der als Neu
reicher in seiner Sportmütze und mit einem kleinen Schnurrbart
angetan sich im Flug die Sympathien gewinnt. Der Film läuft in
den A l e ma n.n i a-L icht sp i el e n. Die Handlung zu be
richten, erübrigt sich, da sie in den gewohnten Bahnen verläuft.
Genug, daß Pferdeliebhaber und Freunde des Trabrennsprtos auf
ihre Kosten kommen. Manche nette Regieeinfälle sind zu verzeich
nen. Voran geht ein guter Buster Keaton-Film, in dem
Buster mit unerschütterlichem Phlegma Akrobatenstückchen verrichtet,
deren eins schöner als das andere ist. X a e a.
-- Die Frauengaffe von Algier. Dieser neue Film der Ufa
tz sich tspieleist unter der bewährten Leitung von Dr. Wolfgang
Hoffmann-Harnisch gedreht. Die Darsteller haben sich für
die Außenaufnahmen von Marseille nach Afrika eingeschifft und
dort einen großen Teil der Arbeit geleistet. Sie haben wundervolle
Bildstreifen mit nach Hause gebracht. Alle landschaftlichen Hinter
gründe — um die Hintergründe aber handelt es sich zunächst —
sind aus charakteristischen Perspektiven erfaßt und vermitteln wirk
lich eine Vorstellung der südlichen Natur. Die Meerfahrt von Mar
seille aus, die afrikanische Küste und Fragmente des Hinterlandes
prägen sich ein. Das gleiche gilt von den Städtebildsrn. Glück
liche Einblicke in Basarstraßen mengen sich mit schönen Ueber
sichten über die Hafenstadt, phantasieerregenden Treppensätzen,
Sausdetails und Aufnahmen des Landungsplatzes. Die blendende
Weiße der afrikanischen Architektur kommt greifbar heraus. Wer
Marseille liebt, mag sich an den Ansichten des Alten Hafens er
freuen. Die Handlung freilich, es muß gesagt sein, ist kolportage
haft. Die Mutter eines jungen Mädstens führt ein Doppelleben:
sie spielt eine Rolle in der europäisch-algerischen Gesellschaft und
ist zugleich die ^Zesitzerin eines FreudenArufes in dem^ dunkelsten
! Teil der Stadt. Mr wehren in die Geheimnisse des internationalen
Mädchenhandels eingeweiht, beobachten dir Verschleppung
der Opfer und einige Tricks. Von diesem Treiben darf die LoHttt
nichts wissen. Camilla Horn stellt sie dar, sie ist sehr schön und
unschuldig, ihrer Rolle gemäß. Das mütterliche Doppelleben führt
zu seelischen Konflikten und zu rohen Eingriffen des Staatsan
walts, der zugleich — welche Komplikation! — der Verlobte der
Tochter ist. Es kommt zu einem Mord, und da keine andere Lösung
übrig bleibt, opfert sich zuletzt die doppelte Mutter dem Glück des
jungen Paars. Das ist eine grelle Handlung, in der es toll hergeht,
aber wenn es nicht anders sein kann, nimmt man sie schließlich
für die schöne Welt, in der sie sich abspielt, mit in Kauf. Einzelne
Zwischenstücke sind gelungen, auch etliche Typen vortrefflich. Lydia
Potechina ist eine famose komische Alte, Warwick Ward ein
rumänischer Mädchenhändler eonnne L! kaut. X a c L