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H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043378
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1921
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

selber, die notwendigen Folgerungen aus seiner Auffassung zu ziehen 
Er weicht der Gestalt aus, weil er keine Gestalt hat, und verkündet 
Volk aus der Zerrissenheit herauszuführen, und daß „individual-psy- 
chologische Einzelbehandlung" erst dann einen guten Sinn erlangt 
und wahrhaft förderlich wirkt, wenn feste GlauLensbande die Ge- 
meinschaft umschlingen, 
liche Beeinfluss 
vertiefen, d. h. s 
auch er zu vergessen, datz reine Gesinnungsvettiefung ohne Hinblick 
auf einen bestimmten Gesinnungsgehalt nicht dazu angetan ist, ein 
Keyserling ging von dem Satze aus, daß es nicht auf den bloßen 
Erksnntnisinhalten ankomme, sondern auf den Be- 
lediglich deshalb die Vergänglichkeit eines jeden festgeformten 
Glaubens, weil ihm ein solcher Glaube fehlt. Nur in unserer Epoche 
darum ohne Um- 
von Name und 
der Graf das 
Zusamwenzufaffen. 
Programm der 
Zuwachs an Erksnntnisinhalten ankomme, sondern auf den Be- 
deutungszusawmenhang, auf das menschliche Sein, dem unsere Er 
kenntnisse jeweils entwachsen. An den sachlichen Zielen eines Men 
schen ist wenig gelegen, Tatbestände an sich find völlig belanglos; 
allein durch den „Sinn^ — ein höchst unfaßlicher, nach Keyserling 
aber für den naiven Menschen leicht verständlicher Begriff — 
den wir ihnen mitzuteilen vermögen, erlangen sie selber 
Sinn und werden recht eigentlich erst geschaffen. Der Graf hob die 
Verwandtschaft dieser seiner Lehre mit der Psychoanalyse hervor, 
die auch jedes psychische Einzelphänomen aus der seelischen Ge- 
samthaltung des Menschen Zu verstehen trachtet. Es ist also hier 
nach verkehrt, gedankliche Aeußerungen wie überhaupt irgendwelche 
Sachverhalte losgelöst von dem geistigen Urgrund, in, dem sie ver 
wurzeln, beurteilen zu wollen; ihre Bedeutung hängt vielmehr ledig 
lich von der größeren oder geringeren Liefe der Seinsschicht ab, aus 
der sie emporgetrieben werden. 
der GlaubenslosigkeiL, die wahrlich keinen Fortschritt, eher vielmehr 
ein Ende darstellt, ist eine relativistische Grundgesinnung wie 
die feine möglich, die es ihm gestattet, gleichsam im leeren Raum um- 
herzuschweifen und beliebige Erscheinungen selbst-los ihrer Eigentüm 
lichkeit nach zu würdigen, und die ihn ganz übersehen läßt, daß dk 
Erreichung eines Lieferen Seinsniveaus so lange nichts besagt, als 
man von dem Inhalt abstrahiert, der auf dieser Seinsstufe ver 
wirklicht werden soll. Gesetzt, es ginge überhaupt an — man ist 
geneigt, das sehr zu bestreiten —in der Schule der Weisheit den 
Buddhisten als Buddhisten, den Katholiken als Katholiken, den 
Bolschewisten als Bolschewisten, jeden in seiner Art zu vertiefen, 
ohne selber einen Weg zu weisen: was wird die Folge sein? Die 
allgemeine Ratlosigkeit bleibt dieselbe und die Frage nach dem 
Wohin, die Keyserling zu Unrecht ablehnt, wird nicht verstummen 
Dadurch, daß er es vermeidet, die nach Antwort Hungernden wir? 
lich zu befriedigen, gibt er übrigens auch zu erkennen, datz er seiner 
Gedankenrichtung nach aus dem gleichen Lager wie die reinen 
Idealisten stammt, die er ob ihres Versagens der Lebenspraxis 
gegenüber so bekämpft. Oder ist es etwa kein lebensfremder Jdealis 
mus, wenn er die „schlechthwmge Selbstbestimmung des Einzelnen" 
fordert und an die Herauflunst der vollkommenen Gemeinschaft durch 
reinen Gesinnungswandel glaubt? Verwandte Anschauungen trifft 
man Z. B., trotzdem Keyserling das vielleicht nicht Wort haben 
will, in der idealistisch eingestellten deutschen Jugendbewegung viel 
fach an. Wie manche der von ihm befehdeten Idealisten scheint 
„Pflege reiner Sinneserfaffung jenseits 
Formn: . in dieser kurzen Formel suchte 
Wesen seiner Darmstädter Weisheitsschule 
Man begreift ohne weiteres, daß das 
Schule ihre Prograwmlsfigkeit sein muß 
bestimmte Forderung schon einer Verleibl 
ficht diese Jüngerschaft lediglich M Rückschritten und todgeweihten 
Smnvettörperungen führt. Wer mrß der Schule scheidet, mag die 
Schule vergessen; selbständig wird er fortan den Sinn nach seiner 
Weise zu verwirklichen haben. 
Mit einiger Zurückhaltung und Mr ganz allgemein sprach der 
Graf von seinen Zielen. Sie verblüffen nicht gerade durch ihre 
Neuheit. Ihm schwebt eine Menschheitsepoche vor, in der 
die einzelnen Individuen sich in Freiheit selbst bestimmen und gleich 
sam alle zu Herren werden. Diese Epoche kann aber erst anheöen 
wenn der in der Schule der Weisheit zu Darmstadt erteilte Impuls 
fsrtwirkt, wenn also die Menschen nach reiner SinneZerfassung 
streben. Ist ein tieferes Seinsniveau erreicht, so wird die soziale 
Frage und das äußere Schicksal von innen heraus überwunden 
werden. Man wird dann Z. B. — staune, oh Leser! — emsehen 
und danach handeln lernen, daß qualitative Unterschiede zwischen 
den Menschen bestehen, daß Besitz verpflichtet und auch die niedrigste 
Arbert, sinnvoll ausgeübt, nicht schändet. 
Aus dieser Wiedergabe der Gedankengänge Keyserlings 
laßt pch nicht allzu schwer ein Urteil über ihre etwaige Tragweite 
bilden. Um Mißverständnisse zu kennzeichnen, denen er aus 
gesetzt ist, erwähnte der Graf einmal, daß viele der ihn erstmalig 
aufsuchenden Schüler die Frage an ihn richteten, welche Lehre er 
denn nun selber eigentlich vertrete; er müsse hierauf immer ent 
gegnen, daß es ihm keineswegs um die Jnnehaltung eines Pro 
gramms, um die Ausbreitung eines so und so beschaffenen Glaubens 
Zu tun wi, sondern daß er im Gegenteil die Grundanschauungen! 
emes leden rmangetastet lassen wolle Diese Antwort auf diese Frage > 
enthüllt die ganze Schwache der Keyserlingschen Position. Tat 
sächlich nämlich macht der Verfasser des Meisetaaebuchs", der sich 
mit geschmeidiger EinfühLungskmfL in das Wesen der ver 
schiedensten Kulturen versenkt, nur aus der Not eine Tugend, wenn 
er die Meinung äußert, daß wir Menschen der Gegenwart weit genug 
fortgeschritten seien, um das Schwergewicht statt auf eine bestimmte 
Gestaltung des Sinnes rein auf die Tiefe des Seinsniveaus legen 
zu dürfen. Mit dem Hinweis darauf daß Christus und Buddha? 
die er öfters als Kronzeugen anführt, nicht durch ihr Sein, sondern 
auch durch ihre Lehre gewirkt haben, daß geschrieben steht: 
„Wer nicht für mich ist, der ist wider mich", wird man dem Grafen 
freilich nicht gut beikommen können, da er ja gerade den Verzicht 
auf die Ausbildung einer solchen Material umgrenzten Lehre für 
einen Fortschritt HM In Wahrheit aber bedeutet seine Enthalt 
samkeit ganz etwas anderes. Sie bedeutet einen empfindlichen 
Mängel an eigenen Glaubensgehalten, der keineswegs durch die Er 
klärung beseitigt wird, daß die besonderen Gehalte gegenüber der 
geistigen Gesamteinstellung unwesentlich seien. Die Einstellung 
des Grafen ist jedenfalls nicht wesentlich genug, als daß auf Grund 
dieser überdies unzutreffenden Erklärung die Banalität vieler seiner 
Weisheiten gerechtfertigt werden könnte Soll der Sinn im Zeit 
lichen erscheinen, so muß er sich, wie Keyserling sagt, einen bestimm 
ten Ausdruck schaffen;, indem Keyserling sich jedoch aus Ohnmacht 
weigert, den Ginn in bestimmter Weise W verkörpern, rmtevWt er es 
As vollkommener das Sem eines Menschen ist, um so 
MMMelLLrer redet aus ihm der ewige Kinn. Dieser Sinn hat sich 
M verschiedenen Zeiten je nach den wechselnden Bedürfnissen und 
Umständen einen anderen Ausdruck geschaffen, wovon etwa die 
Momrigfaltigkett des: Religionen und die ViMett der verKtten 
Symbols zeugt. Bei dem Wandel der historischen Situationen und 
menschlichen Verhältnisse muß sich der eine Sinn, wie Keyserling 
eingehend erörterte, stets in einer Fülle von Gestattm ausdrücken. 
Sein genaues Gegenbild im Zeitlichen ist nicht der abstrakte Allge 
meinbegriff, sondern jede einzelne Gestalt, aus der er hervorleuchtet 
und in der er ergriffen wird. 
* 
Als Erscheinung im Zeitlichen stellt die Schule der Weisheit 
immerhin eine bestimmte Sinnverkörperung dar, und die Frage nach 
ihren mutmaßlichen Wirkungen ist nicht von der Hand Zu weisen. 
Da Keyserling Einzelheiten aus dem internen Schulbetrieb nicht 
berichtet hat, kann man über die bisher erzielten Erfolge auch kein 
Urteil abgeben. Ausdrückliche Erwähnung verdient jedenfalls seine 
Mitteilung, daß Angehörige sämtlicher Bevolkerungsschichtsn m 
die Schule eingetreten sind und ärmere Schüler nach Möglichkeit 
materielle Unterstützung erhaltem Man braucht es durchaus nicht 
zu bezweifeln, daß die Schule den einen oder den anderen Menschen 
auf die richtige Bahn bringt: datz sie aber dem deutschen Geistes 
leben den von Keyserling erhofften mächtigen Impuls erteilt, er 
scheint aus den angeführten Gründen nicht glaubhaft. Nach Ein 
drücken von der Tagung zu schließen, handelt es sich, wo nicht bei 
der Schule selbst, so doch zum mindesten bei der um sie sich an- 
NstMsiErden „Gesellschaft für freie Philosophie" vorwiegend 
AM harmlose, für die Mgem^ nicht sonderlich wichtige Ange 
legenheit der Gesellschaft des Linien reZirrr-s. Und es hat gewiß 
> seinen guten Grund, daß sich gerade Mitglieder dieser Kreise um 
Keyserling sammeln. Hinter seiner aufgeklärten, an das 18. Jahr 
hundert gemahnenden Lebensanschauung, der zufolge die ver 
schiedensten Gestaltungen gleichberechtigt nebeneinanderstehen, lauert 
nämlich eine gewisse Resignation, eine, man möchte beinahe sagen: 
weiter gesüßte Müdigkeit, wie sie am ehesten noch den kulturell ge 
hobensten aristokratischen Schichten als Endstimmung eignet. Daß 
Keyserling auf sie eine offenbar starke Anziehungskraft ausübt, ist an 
sich erfreulich, da durch seine geistige Beeinflussung möglicherweise 
innere Widerstände gegen soziale Umwandlungen, die nun einmal 
unvermeidlich sind, sanft beseitigt werden. Damit aber, daß 
Keyserling vielleicht solches leistet, wird weder er zu einem 
praeeSptor OerwÄMLe, noch seine Gründung zu einer Pflanz 
stätte neuen Glaubens, wie unsere Zeit sie ersehnt. 
Dr. S. Krakauer. 
Wie alles Zeitliche, so unterliegen aber auch die „Sinnbilder" 
dem unablässigen Wandel. Symbole sterben, Formen und Ge 
stalten verlieren ihren Bedeutungsgehalt. Wenn wir nun wissen, 
daß jede Form vergänglich ist, darf es da noch unsere Aufgabe sein, 
dem Sinn immer und immer wieder einen neuen Leib zu bilden, 
der ja nach kurzem doch dem Tod anheimfällt? Keyserling ver 
neinte es grundsätzlich, daß eine solche Verpflichtung für uns vor- 
liege. Während frühere Völker den Sinn nur im Symbol, im 
religiösen Gewemschaftskultus usw. zu finden vermochten, sind wir 
Menschen der Gegenwart nach ihm dank der Schulung unserer Er- 
kenntniskräste so weit fortgeschritten, daß wir den wechselnden Aus 
druck vom bleibenden Sinn trennen und diesem 
schweif zustreben können. 
Schule ihre Prograwmlsfigkeit sein muß, kommt doch jede 
bestimmte Forderung schon einer Verleiblichung des Sinnes 
gleich, die gerade vermieden werden soll. Angehörige aller 
Berufe, Bekenntnisse und Parteien finden laut dem Bericht Keys^r-! 
lings in der Schule Aufnahme, und niemandem wird in ihr seiner 
Ueberzeugung geraubt oder die Bindung an eine andere ihm nicht 
gemäße Lehre anöefohlen. Mit allem Nachdruck betonte er wiedrr- 
holt, daß ihm die Ausstellung irgendwelcher materieller Leitsätze 
gänzlich femliege, daß er keinen wie immer gearteten inhaltlich um 
grenZten Glauben künden wolle. Jeder Schüler wird vielmehr einer 
individual-psychologischen EinzelbehandlunZ unteHSMl, durch Me 
er einer tieferm Seinsschicht zugeführt werden soll. Daß ein solches 
Verführen gewisse Ähnlichkeiten mit der psycho-analyüfchen Me 
thode Zeigt, gestand der Graf selber Zu, verfehlte jedoch nicht hinzu- 
Mfügen, daß es zum Unterschied von dieser Methode nicht auf die 
Heilung psychisch Ertränkter, sondern auf die Erreichung eines voll 
kommeneren Seinszustandes rÄML. Man hat sich also den Unter 
richt wohl so zu denken, daß m ihm unter VerzichMstung auf sach 
liche Beeinflussung versucht wird, das Niveau des Schülers zu 
vertiefen, d. h. sein Bewußtsein gleichsam von der Wesmsoöerflächs 
nach dem Persönlichkeitszentrum hin zu verpflanzen. Da die Men 
schen, wie Keyserling nicht müde ward Zu versichern, voneinander 
verschieden find, bietet jeder Fall eine neue Aufgabe: immer gilt 
es, mit dem Schüler in seiner eigenen Sprache zu reden, um das 
Organ für den Sinn in ihm Zu erwecken Wie aber kann es ge 
lingen, einen solchen Wandel der geistigen GesamLsinstellung hervor- 
Zurufen? Nur durch suggestive Einwirkung des Seins der Lehrer- 
peryonkchkeit auf das Sem des Schülers. Ausdrücklich verwahrte 
sich allerdings Keyserling gegen die Züchtung einer Nachfolge, wie 
sie dre StrM der -REDEN gestrichen MM, da nach semn An-
	        

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