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H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043380
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1923
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Einklang mit den Grundsätzen, nach denen er di^ „Schule der 
Weisheit" leitet —, daß der deutsche Mensch durch zielbewußte 
Ausbildung seiner Fähigkeit des Verstehens und EinveihenZ aller 
geistiger Erscheinungen in noch ungeahnte Abgründe des „Sinnes" 
hinabzusteigen habe, um derart, wie er sagt, nach dem Vorgang 
des Christentums vor zweitausend Jahren dem Geiste gleichsam 
eine neue „TiefeMmension" Zu eröffnen. Eine so gerichtete innere 
Umwandlung, der unsere gegenwärtige Abgeschlossenheit sogar zum 
Segen werden mag, ist ihm Bedingung für die Vormachfftellung 
Deutschlands in der künftigen ökumenischen Kultur. 
Die Botschaft klingt gut und freundlich und wer ließe sich 
heute nicht gerne trösten? Indessen, so scheint es, ist auch 
bei Keyserling der fromme Wunsch alleiniger Bildner seiner 
Ideale. MenschheitsÖkumene! Verwechselt man politische Zu ¬ 
sammenschlüsse und abflachende zivilisatorische Ungleichungen 
der Völker nicht mit ihr, so wird man vergeblich auch nur den 
Ansatz zu rhr suchen. Vorerst weist viel eher alles darauf hin, 
daß Kulturen und Nationen ihre Selbständigkeit genau wie 
früher zu behaupten streben, und nicht einmal Faszismus und 
Bolschewismus/ die Keyserling, wie sämtliche Welterscheinun 
gen, auf einen Generalnenner bringen möchte, begegnen, ein 
ander so ohne weiteres. Gesetzt aber selbst, ein ökumenisches 
Reich fei der Menschheit verheißen, so wird es. sich gewiß nicht 
als ein- neue, nur weiter gespannte Kultureinheit darstellen, 
! die die alten, überwundenen Kulturen einfach ablöst, und über 
haupt nicht in der Richtung liegen, in der Keyserling es M 
sichten glaubt; nein, es wird ein Reich sein, das an ganz 
andere Bedingungen als an das Vergehen und Entstehen von 
AlemauML-LZchLspiele. Der Film dieser SpielwMe: 
„Fraulein Raffke" entspricht nur zum Teil seinem Titel, 
da Raffke-Züge lediglich sporadisch auftreten. Es handelt sich um 
ein Parvenu-Ehepaar, dessen Tochter, ein von LeePerry ge 
spieltes amerwan sich nicht, wie der Papa will, in den vom 
väterlichen Reichtum .angelockten Baron v. Geldern, sondern in 
einen armen Schlucker von Angestellten verliebt. Das junge 
Paar wird verstoßen und der Ehemann ist so unwahr 
scheinlich gesinnungstüchtig, daß er trotz Not und Armut 
den freundlich sich ihm nahenden Raffke zurückstößt und 
seinen Milliarden die Annahme verweigert. Eine tränenreiche 
Zeit folgt, in der auch Raffkes Enkelkind eine sehr rührende 
Rolle spielt, und man erkennt wieder einmal, daß Geld allein nicht 
glücklich macht. Der Ausgang ist durchaus im Sinne der Courths- 
Mahler. Man erlebt die moralische Genugtuung, daß der nach 
gerade gemeingefährliche Baron von der Bildfläche verschwindet 
und stellt befriedigt eine Wiederanbahnung der Beziehungen 
zwischen Raffkes und ihren Kindern fest, die Fröhliches für die 
Zukunft verheißt. — Immerhin, auch der Typus Raffke kommt 
zu seinem Recht, freilich nicht der Typus des Schiebers, der unbe 
denklich seine Netze auswirft und nichts anderes kennt, als 
unmetaphysische Spekulationen, sondern der über Nacht reichge- 
gewordene Mann aus dem Volk mit gesunden Säften, ein 
Kerl, der lebt und leben läßt und von seinem Reichtum 
auf eine entzückend barbarische Weise Gebrauch macht. 
Werner Kraus verleiht ihm die Züge eines Menschen. 
Schlechthin liebenswert ist die Art, in der sein Raffke von einem 
Schloß mit Ahnengalerie nicht ganz ohne Respekt Besitz ergreift, 
und dort Feste solchen Ungeschmacks gibt, daß die Ahnfrau bei 
ihrem Anblick, wie mit Recht bemerkt wird, Wohl im Grab rotieren 
würde. Dieser große Schauspieler verwirklicht sogar das Un 
glaubhafte: er entwächst für wenige Augenblicke der Sphäre des 
Nur-Komischen und breitet über Raffke, wenn er etwa in seinem 
Schlosse an verödeter Festtafel sitzt oder betrunken im Palais äe 
clawe seinem Schwiegersöhne einen Auftritt macht, einen Schimmer 
von Tragik aus. Ihm zur Seite steht Frau Raffke, deren Be 
nehmen alle jene unfreiwilligen Raffkewitze rechtfertigt, die ihr 
nachgesagt werden. Zum Ruhme des Films, der auch dort zu 
lachen gibt, wo man vielleicht nicht nur lachen sollte, sei noch die 
vorzügliche technische Aufmachung hervorgehoben. — Außer den 
Raffkes produziert sich in einem Einakter der amerikanische 
-Komiker Lloyd, ein wahrer Geschwindigkeitsteufel, der ohne 
viel. Gemüt in jeder Situation heillose Verwirrung anrichtet. rae. 
--- Mhronik der KüAste.Z Frankfurt: Der Frankfurts 
Kunstverein bringt eine große, sorgsam durchgebikdete Lithographie 
von der „Friedberger Warte* heraus, die erneut oaS reife 
und so liebenswerte Künstlertum Fried Sterns bezeugt. Nie 
derem Gehöft entsteigt der jedem Frankfurter vertraute massige 
Turm, der mit der Landschaft zu einer festgefügten Komposition 
verwächst- Reine Naturinnrgkeit beseelt das heimatlich anmutende 
Vkrtt, das gewiß zu den schönsten Gaben des Kunstvereins gehört. 
l I 0) kTe , iF - O t». 
" „Freifahrkarte «ach Jerusalem". Au unserer Notiz im 
„Stadt-Blatt* vom 11. Oktober haben wir aus unserem Leserkreis 
verschiedene Zuschriften erhalten, di« beweisen, welche Ausmaße 
der von uns gerügt» Unfug angenommen hat. Ein jüdischer Herr 
teilt uns mit, daß feinem Sohne, der eine hiesige höhere Lehr» 
anstatt besuche, eine Unzahl jener .Freifahrkarten* von verschie. 
denen Mitschülern auSgehändigt worden sei. Er rühmt mit Recht 
das Verhalten des Direktors, der auf seine Beschwerde hin die 
Schüler sofort energisch vorgenommen und ihnen gedroht habe sich 
in Wiederholungsfällen an ihre Mern Zu wenden. Freilich ist 
damit — auch hierin sind wir mit dem Einsender einer Minung 
— das Uebel noch nicht an der Wurzel behoben. Um dem Un 
wesen wirklich zu steuern, müßte man schon wissen, wer die Ehren- 
manner sind, die Schulkinder auf diese Wpise mißleiten, und wo 
her sie die Mittel zu wahren Massenauflagen der bewußten Karten 
beziehen. 
— ^„Durch die Wüste".^ So lautet der Titel eines be 
kannten Wenteuerbuches von Karl May. Aber um jedem 
Mißverständnis vorAub engen: das neueste Werk von Ernst 
Bloch (bei Paul Cassirer), das diesen Titel trägt, ist nicht von 
Karl May, sondern wirklich von dem Philosophen Ernst Bloch, 
der uns durch die geistige Waste unserer Zeit zu führen vor- 
nimmt. Jedoch sind die schriftstelleriM Mittel Blochs nicht 
minder abenteuerlich als die seines begabteren Kollegen. Auch 
bereichert man dabei keineswegs seine geistes-geographischen 
Kenntnisse, weil einem die literarpolemische Aufwirbelung des 
Wüstensands die Aussicht benimmt. Da einige der indivi 
duellsten Mitarbeiter der „Frankfurter Zeitung" von dem ich- 
sprechenden Herrn Bloch mit philosophischen Dattelresten und 
Kamels mist Leworfen werden, interessiert sich die Redaktion 
hauptsächlich für diese Seiten des Blochschen Wirkens, dessen 
Gefamtbesprechung wir uns nach solcher Einsicht gerne ersparen. 
Es handelt sich um emen polemischen Wut-anfall gegen ^Wul 
Bekke r, der Blochs „Geist der Utopie" auf seine musikalischen 
Erkenntnisse hin besprochen hat, und gegen Dr. Siegfried Kra- 
cauer, der seinerzeit den pseudo-prophetischen Geist des 
„Thomas Münzer"-Buches sum Gegenstand einer tief argumen 
tierenden Kritik gemacht hat. Man sollte nun denken, daß ein 
Philosoph vom Selbstbewußtsein Blechs sich um Kritik der An 
dern wenig kümmerte und gelassenen S nnes seine Wüsten 
weiter pflügte. Aber was tut Mach? Nicht allein, daß er ein 
aus lobenden Erwähnungen zusammengeleimtes Waschzetteln 
Potpourri deZ eigenen Ruhmes zu singen anhebt, nein: er wür 
digt auch die von ihm ob ihrer Winzigkeit verachteten Gegner 
eines gigantischen Gezänks. Statt auf die gründlichen Aus 
führungen des Kracauerschen Aussatzes sachlich einzugehsn — 
mit jener Sachlichkeit, die Lessing auch einem Herrn Klotz gegen 
über wahrte — verlästert der Weise den redlichen Gegner m.L 
„dummem Mittelmaß", mit „Kümmerlichkeit", mit „purer In 
suffizienz" und „niederträchtig mit Methode". Ja, Herr Mach 
alaubt es seiner philosophischen Biederkeit schuldig zu sein, sogar 
Kracauers äußere Erscheinung mit einem nicht gerade edlen 
Witz zu- kritisieren. Der verblüffendste Zug im Schachsviel 
unseres Polemikers ist aber ohne Zweifel dieser: daß Bloch 
zur Zermalmung des von ihm ungek-Men Mannes einen jour 
nalistisch-ironischen Bericht aus dem „Büberblatt der 
Frankfurter Zeitung" heranzicht, um aus der zufällig-pcriphew- 
schen Berufsarbeit ums tägliche Brot — die allerdings mit 
Philosophie allein nicht zu bestreiten ist und jedermann auch 
zu den Banalitäten des Alltags zwingt — seinen Kritiker lächer 
lich zu machen. Lächerlich wird damit aber nur Herr Bloch. 
Herr Bloch würde Wohl auch den Spmoza philosophisch wider 
legen, weil er Brillen schliff; und den Jaoob Böhme, weil eben 
die Schusterei nicht zur Philosophie gehört 
Jedenfalls haben wir nun erkannt, wie Bloch den Lesern 
seines Wüstenbuches Sand in die Augen streut, und immer 
nur von der eigenen Oase redet, die doch auch nur eine FaL« 
Morgana ist. Die armen Kamele aber, die zu dieser vorgespre- 
gelten Weiheitsquelle traben, mögen einem leid tun. 
«Die deutsche Zukunft." 
Vortrag des Grafen Keyserling. 
Gr-af Keyserling eröffnete in seinem gestrigen Frank 
furter Vortrag weltumspannende Fernblicke auf Deutschlands 
Zukunft, die viele Hörer ' - tröstlich anmuten mochten. Es geht 
nicht anders, so lehrte er, wir Müssen das, was heute geschichsi 
aus d'er Perjpektve von Jahrtausenden betrachten. Und da be 
merkt man denn — Sjxngler hat nach ihm unstreitig recht hierin 
— daß die alte AulLurstele rettungslos' dem Untergang verfallen 
ist. Symbol: der Versailler Vertrag, der das Ende des alten 
Europa letztgültig besiegelt.- Aber fvMch, jene Kulturseele g-oht 
nur unter, mn in einer höheren wieder aufz-Gehen, sie dankt ab 
HU Gunsten einer neuen ökumenischen Kultur, die einst die 
ganze Menschheit umgreifen wrrd. Keyserling will allenthalben 
schon die ersten schwachen Keime des Kommenden gewahr werben. 
Ein neuer Europäertypus sei in Bildung begriffen, der sich mit 
dem modernen JnDier etwa vortrefflich verstehe, auch der Islam 
erwache und beteilige sich an dem allgemeinen geistigen Völker- 
.gespräch — kurzum: der ökumenische Mensch reife langsam und 
sicher heran. 
Und Deutschland, das hinter den Stacheldrähten gefan 
gene Deutschland? Muß es nicht angesichts dieser welthistorischen 
Perspektiven sich sozusagen völlig verkriechen? Keyserlings Ueber 
zeugung geht im Gegenteil dahin, daß die anbrechende ökumenische 
Epoche zugleich die deutscheste Periode der Geschichte sein werde. 
Begründung: das deutsche Volk ist noch jung, und da es zudem 
die Sinnlosigkeit der «Werbenden Kultur so Lief wie kein anderes 
Volk erfahren hat, mag es dank dieser Erfahrung zur Auffindung 
eines neuen Sinnes am ehesten tauglich sein. Auch hegt Keyser 
ling die Hoffnung, daß die nahende Menschheitsökumene, die cr 
sich vorwiegend geistig und unpolitisch geartet denkt, gerade der 
deutschen Wesensanlage besonders günstige Ausdrucksmöglichkeiten 
gewähre. 
In den Schoß allerdings fällt dem deutschen Volk diese Welt 
geltung nicht, es muß sie vielmehr wollen und sich zur Führer- 
schüft selber erziehen. Wie das geschehen könne, deutet Keyserling 
leDer ctWM Mu dunkel an. Er meint ungefähr — gewiß im
	        

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