DLA Viewer Logo Full screen
  • First image
  • Previous image
  • Next image
  • Last image
  • Show double pages
Use the mouse to select the image area you want to share.
Please select which information should be copied to the clipboard by clicking on the link:
  • Link to the viewer page with highlighted frame
  • Link to IIIF image fragment

H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Access restriction


Copyright

The copyright and related rights status of this record has not been evaluated or is not clear. Please refer to the organization that has made the Item available for more information.

Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043383
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1927
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

das Transparent des Gegenstandes aber wird von dem Kunst 
werk vermittelt. Es gleicht darin einem Zanderfpiegel, der 
den ihn befragenden Mensche« nicht zurÄSwirft, wie er 
erscheint, sondern wie er zu sein wünscht oder von Grund auf 
ist. Auch das Kunstwerk zerfällt in der Zeit; dich aus ftkmn 
zerbröckelten Elementen steigt das mit ihm Gemeinte auf, 
während die Photographie dis Elements verstaut. 
Dir in die zweite HAfts des vorigen Jahrhunderts West« 
wurde das LichMIdverfahre« häufig von früheren Malen: 
aus geübt. Der nicht durchaus entpersönlichten Technik jener 
Uebergangszeit entsprach eine räunckiche Umwelt, i« der 
noch Bedeutungsspuren stch verfangen mochten. Mit der M- 
nehmenden Ablösung der Technik und dem gleichzeitigen Aus 
zug der Bedeutlmg aus den Gegenständen verliert die künst 
lerische Photographie ihr Recht; sie gedeiht nicht 
zum Kunstwerk, sondern zu seiner Imitation. Kinderbilder 
find Zunwuschs, bei LaudschaftS-Jmpvssstonen hatMonet Pate 
gestanden. Die Arrangements, die über die geschickte A«- 
lehnung an bekannte Manieren nicht hinausweiftn, verfehlen 
genau die Darstellung des Naturrestes, die der entwickelten 
Technik in gewissem Umfange möglich wäre. Modern« Maler 
haben ihre Bilder aus Photographischen Fragmenten zusam 
mengesetzt, um das Nebeneinander verdinglichter Erscheinun 
gen zu unterstreichen, die in den räumlichen Relationen auf 
gehen. Dieser künstlerischen Absicht widerstrebtet die der künst 
lerische« Photographie. Sie arbeitet nicht den der photo 
graphische« Technik zugeordneten Gegenstand heraus, sondern 
möchte das technische Wesen stilvoll umkleiden. Der künstlerische 
Photograph ist ein dilettantischer Künstler, der eine Kunstweise 
unter Abzug ihres Gehaltes nachahmt, statt das Gehaltlose 
zw treffen. So will auch die rhythmische Gymnastik die Seele 
einbeziehen, von der sie nichts weiß. Sie stinimt mit der 
künstlerischen Photographie darin übereil«, daß sie das ge 
hobene LÄsn zu beschlagnahmen trachtet, um ein Verfahren 
zu heben, das am gehobensten ist, wenn es feiner Technik den 
Gegenstand findet. Dis Photographierkünstler wirke« in« 
Sinns jener sozialen Mächte, die an dem Schein des Geistige» 
interessiert sind, weil sie den wirklichen Geist fürchten; er 
könnte den Untergrund sprengen, dem der Schein als Ver 
klärung dient. Es verlohnte der Müh«, di« engen Beziehun 
gen zwischen der bestehenden Gesellschaftsordnung und der 
künstlerischen Photographie aufzuL-eSen. 
Die FßoLsgrapßie 
Von Siegfried Kraearrer* 
(Fortsetzung und Schluß,) 
niedergelegt. Unter der Photographie eines Mensche« ist seine 
Geschichte wie unter einer Schneedecke vergraben, 
M, 
Bei der Beschreibung einer ihm von Goethe vsrgÄegten 
Rubensschen Landschaft'bemerkt Eckermann zu seiner Ueber- 
Vaschung, daß das Licht auf ihr vrm zwei entgegengesetzten 
Seiten komme, »welches aber ja gegen alle Natur ist". Goethe 
antwortet ihm: »Das P es, wodurch Rubens sich groß er 
weist, und an den Tag legt, daß er mit freiem Geiste über 
der Natur steht und sie seinen höheren Zwecken gemäß traktiert. 
Das doppelte Licht ist allerdings gewÄtsam, und Sie können 
immerhin sagen, es sei gegen dis Natur. Mein wenn es gegen 
die Natur ist, so sage ich zugleich, es fei höher als die 
Natur, so sage ich, es sei der kühne Griff des Meisters, wo 
durch er auf geniale Weise an den Tag legt, daß die Kunst 
der natürlichen Notwendigkeit nicht durchaus unterworfen 
ist, sondern ihre eigenen Gesetze hat? — Ein Porträt ist, 
der stch durchaus der »natürlichen Notwendigkeit" unterwürfe, 
schüft bestenfalls Photographien. In einer bestimmten Epoche, 
die mit der Renaiffanos begonnen hat und jetzt vielleicht ihrem 
Ende sich zuneigt, hält sich das »Kunstwerk" gewiß an sie 
Natur, deren Sondersetn sich während dieser Epoche mehr und 
mehr eröffnet; aber durch die Natur hindurch richtet es sich 
auf »höhere Zwecke". Es ist Erkenntnis im Material der 
Farben und Konturen, und je größer es ist, desto,mehr nähert 
es sich der Transparenz des letzten Gedächtnisbildes an, in 
dem stch die Züge der .Geschichte" zufammenschließen. Ein 
von Trübner porträtierter Warm bat den Künstler, der Run 
zeln und Falten auf seinem Gesicht nicht zu vergessen. Lrubner 
deutete zum Fenster hinaus und sagte: »Da drübe wohnt a 
Photograph. Wenn Sie Rmrzeln und Falten haben wolle, vo 
müssen Sie den komme lassen, der machts Jhns alle rein; i 
mal Geschichte..." Damit die Geschichte sich darstelle, muß 
der bloße Oberflächenzusammenhang zerstört werde«, den die 
Photographie bietet. Denn in dem Kunstwerk wird dis Be 
deutung des Gegenstandes zur Raumerscheinung, während m 
der Photographie die Raumerscheinung eines Gegenstandes 
seine Bedeutung ist. Beide Raumerscheinungon: die »natür 
liche" und die des erkannten Gegenstands, decken sich nicht. 
Andern das Kunstwerk jene um dieser willen aufhebi, verneint 
es zugleich die von der Photographie erziüts A e h n li chk e i t. 
Sie bezieht sich auf das Aussehen des Gegenstands, das nicht, 
ohne weiteres verrät, wir er der ErkemckriK sich seist: allein' 
Die Photographie bewahrt nicht die transparenten Züge 
eines Gegenstandes, sondern nimmt ihn von beliebigen Stand 
orten als räumliches Kontmuum aus. Das letzte Gedächtnis 
bild überdauert seiner Unvergeßlichkeit wegen die Zeit; die 
Photographie, die es nicht weint und faßt, muß wesentlich 
dem Zeitpunkt ihrer Entstehung zugeordnet sein. „Das Wesen 
des Films ist Lis zu einem gewissen Grade das Wesen der 
Zeit/ bemerkt E. A. Dupont in seinem Filmbuch von dem 
Durchschnittsfilm, dessen Thema die phoLographierLare nor 
male Umwelt ist (zitiert nach Rudolf Harms: „Philosophie 
des Filnls"). Ist aber die Photographie eine Funktion 
derfließenden Zeit, so wird ihre sachliche Bedeutung 
sich ändern, je nachdem sie dem Bereich der Gegenwart oder 
irgend einer Phase der Vergangenheit angehört. 
Die aktuelle Photographie, die eine dem g e g e n w Lr ti- 
gen Bewußtsein vertraute Erscheinung aLLildet, gewährt in 
begrenztem Umfang dem Leben des Originals Einlaß. Sie 
verzeichnet jeweils eine Aeußerlichkeit, die zur Zeit ihrer 
Herrschaft ein so allgemein verständliches Ausdrucksmittel ist 
wie die Sprache. Der Zeitgenosse glaubt auf der Photo 
graphie die Filmdiva selber zu erblicken; nicht ihre Ponnh- 
Frisur nur oder die Pose ihres Kopfes. Aus der Photographie 
allein vermochte er sie freilich nicht zu ermessen. Aber die 
Diva weilt Zum Glück unter den Lebenden, und die Titelseite 
der Illustrierten erfüllt die Aufgabe, an ihre leibhafte Wirk 
lichkeit zu erinnern. Das heißt: die gegenwärtige Photo 
graphie leistet VermiLLlerdienste, sie ist ein optisches Zeichen 
für die Diva, deren Erkenntnis es gilt. Ob ihr entscheidender 
Zug die Dämonie sei, darf am Ende bezweifelt werden. Auch 
die Dämonie indessen ist weniger eine Mitteilung der Photo 
graphie als der Eindruck der Kinobesucher, die das Original 
auf der Leimvand erfahren. Sie erkennen es als die Dar 
stellung des Dämonischen an, gut denn. Nicht wegen seiner 
Ähnlichkeit, sondern trotz seiner Ähnlichkeit denunziert 
das Bild die Dämonie. Sie gehört einstweilen dem noch 
schwankenden Gedächtnisbild der Diva an, auf das sich die 
photographische Ähnlichkeit nicht bezieht. Das aus der An- 
schmmng unserer gefeierten Diva geschöpfte Gedächtmsbild 
aber bracht durch die Wand der Ähnlichkeit in die Photo 
graphie herein und verleiht ihr so einige Transparenz. 
Verjährt die Photographie, so ist der Unmittelbare Bdg 
i auf das Original nicht mehr möglich. Der Körper eines Ge 
storbenen erscheint kleiner als seine lebendige Gestalt. Auch 
die alte Photographie gibt fich als die Verkleinerung der 
gegenwärtigen. Das Leben ist aus ihr gewichen, dessen Raum 
erscheinung die bloße räumliche Konfiguration überdeckte. Um 
gekehrt wie die Photographien verhalten sich die Gedächtnis 
bilder, die sich zu dem Monogramm des erinnerten Lebens 
vergrößern. Die Photographie ist der aus dem Monogramm 
herabgesunkene Bodensatz, und von Jahr zu Jahr verringert 
sich ihr Zeichenwert. Der Wahrheitsgehalt des Originals 
bleibt in seiner Geschichte zurück; die Photographie faßt den 
Restbestand, den die Geschichte abgeschieden hat. 
Wenn die Großmutter auf der Photographie nicht mehr 
anzutresfen ist, muß das dem Familienalbum entnommene 
Bild in seine Einzelheiten zerfallen. Von der Ponny-Frisur 
der Diva kann der Blick zu ihrer Dämonie wandern; aus dem 
Nichts der Großmutter wird er in die Chignons zurück 
gebannt, die Modedetails halten ihn bei sich fest. Der Zett- 
gebundenheit der Photographie entspricht genau die der 
Mode. Da sie keinen anderen Sinn als den der gegen 
wärtigen menschlichen Hülle hat, ist die moderne durchscheinend 
und die alte verlassen. Das um die Taille eng geschnürte Kleid 
ragt auf der Photographie in unsere Zeit hinein wie ein 
Herrschastsgebäude aus früheren Tagen, das der Zerstörung 
preisgegeben wird, weil das Zentrum in einen anderen 
i Stadtteil verlegt worden ist. In solchen Gebäuden nisten sich 
i gewöhnlich Angehörige der unteren Klassen ein. Die Schön 
heit der Ruine, erlangt erst die ganz alte Tracht, die jede 
Fühlung mit der Gegenwart verloren hat. Das vor kurzer 
Frist getragene Kostüm wirkt komisch. Die Enkel sind über 
die großmütterliche Krinoline von 1864 belustigt, die den Ge 
danken austommen läßt, daß moderne Mädchenbeine in ihr 
verschwänden. Das jüngst Vergangene, das Leben bean 
sprucht, ist abgelebter als das vor langem Gewesene, dessen 
Bedeutung sich gewandelt hat. Die Komik der Krinoline 
erklärt sich aus der Machtlosigkeit ihres Anspruchs. Auf der 
Photographie wird das Kostüm der Großmutter als ein ab 
geworfener Rest erkannt, der sich fortbchaupten möchte. Es 
geht in der Summe seiner Einzelheiten auf wie eine Leiche 
imd gebärdet sich groß, als sei Lehen in ihm. Auch die Land 
schaft und jede andere Gegenständlichkeit ist auf der alten 
Photographie ein Kostüm. Denn was im Bild erhalten wird, 
sind nicht die Züge, die das freigesetzte Bewußtsein meint. 
Die Darstellung trifft Zusammenhänge, aus denen es aus 
gezogen ist, umfaßt also Bestände, die eingeschrumpft sind, 
ohne es zugeben zu wollen. Je mehr das Bewußtsein sich 
den natürlichen Bindungen entzieht, desto mehr verringert sich 
die Natur. Auf alten Stichen von photsgrsphifcher Treue
	        

Hinweis zum Volltext

Die OCR-Ergebnisse sind experimentell.

Cite and reuse

Cite and reuse

Here you will find download options and citation links to the record and current image.

Manuscript

METS MARC XML Dublin Core RIS Mirador ALTO TEI Full text DFG-Viewer OPAC
TOC

Citation links

Citation links

Manuscript

To quote this record the following variants are available:
Here you can copy a Goobi viewer own URL:

Image

To quote this image the following variants are available:
Here you can copy a Goobi viewer own URL:

Citation recommendation

Please check the citation before using it.

Image manipulation tools

Tools not available

Share image region

Use the mouse to select the image area you want to share.
Please select which information should be copied to the clipboard by clicking on the link:
  • Link to the viewer page with highlighted frame
  • Link to IIIF image fragment

Contact

Have you found an error? Do you have any suggestions for making our service even better or any other questions about this page? Please write to us and we'll make sure we get back to you.

What is the fifth month of the year?:

I hereby confirm the use of my personal data within the context of the enquiry made.