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H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043386
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1930
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

wesensfremd 
Bindungen zurückzubegeben, die 
ihnen durch ihre antimarxistische Gebäroe empfiehlt. Sie treiben 
der Diktatur zu, und meinen durch die Anwendung von Ge 
walt der Unzufriedenheit Herr werden zu können. Sie schließen 
sich den nationalistischen Elementen an, und hoffen so den 
Karren der Wirtschaft aus dem Dreck zu ziehen. Indem sie sich 
den chauvinistischen Hetzern verschreiben, die den Patriotis 
mus für sich beschlagnahmen, und den starken Männern, die von 
Heroismus schwatzen, glauben sie ideologisch ausgesorgt zu 
haben und das Heft in Händen zu behalten. 
Frankf«rt, 1. September. 
Kann das deutsche Unternehmertum 
sich leisten, reaktionär zu sein? Die 
Zeit ist gekommen, in der es zwangs 
läufig zu einer geistigen Entscheidung 
gedrängt wird. Man darf sagen: end 
Me geistige 
Entscheidung 
des 
Unternehmertums. 
Zweifellos führt sie weniger das Vertrauen zum Ideen 
gehalt der politischen Reaktion als die geistige Notdurft und 
die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation ins Lager der 
Rechten. Sie erblicken keine Möglichkeit, mit der Sozialdemo- 
kratie fertig zu werden, und entdecken bei der Suche nach einer 
zugkräftigen Losung nur die fascistische. Aber einem solchen 
Schritt widerrät doch auch dem Unternehmertum jede wirt 
schaftliche und politische Einsicht. Eine Diktatur in Deutsch 
land, das nicht Italien ist, hätte unter den jetzigen Ver 
hältnissen unweigerlich einen verzweifelten Kampf und das 
quantitative und moralische Anschwellen der radikalen Links 
parteien zur Folge. Es ist nicht auszudenken, in welches 
Chaos uns die Katastrophe eines Bürgerkrieges stürzte. 
Aber der eigentliche Gefahrpunkt ist noch ein anderer: er 
besteht darin, daß die Verquickung der wirtschaftlichen mit 
den politisch-reaktionären Interessen jenen auf die Dauer 
Abbruch tun muß. Ist die Wirtschaft in der Republik 
darum von den Bindungen befreit worden, die ihr auch noch 
in den späteren Dezennien des kaiserlichen Deutschland durch 
die Vorherrschaft des militärisch-feudalen Regimes auferlegt 
waren, um jetzt die Republik zu verleugnen und sich wieder in 
lich. Denn die Art, in der bisher unentschieden und ungeklärt 
gewirtschaftet wurde, ist für die Wirtschaft selber kaum länger 
tragbar. Nicht wenige fortgeschrittene Wirtschastsführer haben 
diese ideologische Entkräftung des Unternehmerstandes fest 
gestellt und beklagt. So etwa Direktor Karl Lange, der vor 
einiger Zeit in sehr beachtenswerten Ausführungen darauf 
hinwies, daß die weltanschauliche Fundierung des Unter 
nehmerstandpunktes im eigensten Interesse der Wirtschaft not 
wendig sei. 
Wie war es denn während des vergangenen Jahrzehnts? 
Die deutschen Unternehmer, wo nicht alle, so doch viele und 
einflußreiche, haben gewissermaßen im Dunkel gearbeitet, das 
heißt, sie haben den Ideen, die gerade von links her gegen 
sie anprallten, kleine selbständige Ideen entgegenzusetzen gewußt. 
Es gibt genug Milderungsgründe für dieses Versagen. Einmal 
waren die Unternehmer überhaupt erst nach dem Krieg dem 
Druck entronnen, den vorher der alte Obrigkeitsstaat auf sie 
ausgeübt hatte, und mußten sich nun mit der neuen Verant 
wortung vertraut machen, die ihnen ihre Unabhängigkeit auf 
erlegte. Zum andern wurden sehr viele von ihnen durch die 
Revolution und in den Jnflationsjahren aus alten Positionen 
herausgeworfen und weiterer ideeller Stützen beraubt. Schließ 
lich nahm die unerhört schwierige Umstellung der Wirtschaft 
soviel Kraft in Anspruch, daß zur Selbstbesinnung keine mehr 
übrig blieben. So geschah es, daß viele in einen Zustand 
geistiger Lähmung gerieten, der ihnen nicht nur Vertrauen 
entzog, sondern sie auch selber entmutigte. 
Die Unausgesprochenst dieses Zustandes bedingt ein 
schwankendes, viel zu wenig positiv unterbautes Verhalten zu 
den Arbeitnehmerorganisationen. Man erkannte die Gewerk 
schaften an und suchte doch wieder ihren Einfluß möglichst zu 
schwächen. Man kam, unter politischem Zwang, manchen 
sczialdemokratischen Forderungen entgegen und bekämpfte zu 
gleich den Zwang mit politischen Mitteln. Aber weder der 
Kompromiß noch die erklärte Absage an ihn erwuchsen aus 
einer Hellen, selbstbewußten Ideologie. Wollte man die Haltung 
der Unternehmer innerhalb eines langen Zeitraumes kenn 
zeichnen, so war sie viel eher dumpf und verschlossen. Ihr fehlte 
eine den Massen einsichtige Rechtfertigung. Sie berief sich zu 
letzt immer auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die sicher 
lich niemand unterschätzt, die aber selbst durch geistige Not 
wendigkeiten begründet werden müßten, um den breiten 
Schichten der Bevölkerung faßlich zu werden. Sobald sie sich 
anders als rein wirtschaftlich Zu legitimieren suchte, geriet sie 
in verschwommene Konstruktionen. Da sie sich angesichts der 
Massenorganisationen und der veränderten Wirtschaftsform 
nicht, mehr an den Individualismus alten Schlags anlehnen 
konnte, bemühte sie sich entweder darum, den Wirtschaftsegois 
mus vag zu verschleiern, oder nahm ihre Zuflucht zu einer so 
schwachen Theorie wie jener, die das Werk als solches zum 
Selbstzweck erhebt. 
Kurzum, die Unternehmer-Haltung entbehrte allzu lange 
der ideologischen Stoßkraft. So geht es nicht weiter, denn die 
Verhältnisse selber fordern gebieterisch, daß nun Farbe be 
kannt wird. Die Wirtschaftskrise hat eine politische Konstella 
tion herausbeschworen, die ein weiteres Ausweichen vor der 
„weltanschaulichen" Auseinandersetzung unmöglich macht. Zu 
ihr drängen die Massen hin, die bald ihre Äimmzettel ab 
geben werden. Sie nahen mit Fragen und Lösungen, die über 
das rein Wirtschaftliche hinausgreifen, und das Unternehmer 
tum wird sich ihrem Ansturm wohl oder übel stellen müssen. 
Von seiner Entscheidung hängt das Schicksal des Volkes und 
unserer Wirtschaft ab. 
Unverkennbar ist, daß viele Funktionäre des Großkapitals 
schon seit einiger Zeit bewußt scharf rechts steuern. In Er 
mangelung einer Ideologie, die aus der Wirtschaft selber auf 
stiege, suchen sie Schutz bei einer politischen Ideologie, die sich 
sind: Sie grübe sich selber ihr Grab, wenn sie augenblick 
licher Vorteile wegen den Pakt mit einem engstirnigen Natio 
nalismus schlösse, der ihren Bedürfnissen widerstrebt, und auf 
ein völkisches Gewaltregiment baute, das sich ebensogut gegen 
sie richten kann. 
Die Wirtschaft ist nur dadurch zu behaupten, daß sich 
die Unternehmer den ihr innewohnenden Entwicklungsten 
denzen an-vertrauen, statt Zuflucht bei reaktionären politischen 
Maßnahmen zu suchen, die diese Tendenzen beeinträchtigen. 
Das ist die große Verantwortung und zugleich die Chance 
des Unternehmertums heute: sein Selbstbewußtsein auf die 
gewaltigen Aufgaben zu gründen, die unsere moderne Wirt 
schaft zu erfüllen hat. Die Technisierung de^ Welt, die zivilisa 
torische Durchdringung der Völker, die Schaffung eines 
Netzes internationaler Beziehungen keine andere Macht 
vermag einstweilen die Unternehmer von der Bewältigung 
solcher Probleme zu entlasten. Sie haben es nicht nötig, 
stumm zu sein, sie können sich auf ihre Mission berufen. Zu 
gegeben, daß die Funktionen, die ihnen obliegen, menschlich 
nicht ohne weiteres einsichtig sind. Darum sind sie aber doch 
nützlich und im historischen Prozeß unentbehrlich. Sie ver 
kehren sich erst ins Unmenschliche, wenm sie sich blindwütig 
mit Hilfe der ihnen nicht entsprechenden fascistischen Methoden 
! durchsetzen möchten. 
Es kommt in dieser Stunde darauf an, daß die Unter 
nehmer erkennen: die Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben 
verbindet sie dem menschlichen Fortschritt und nicht 
dem menschlichen Rückschritt. Aus dieser Erkenntnis heraus 
muß sich ihnen aber von selber ein aufgeschlossenes Verhältnis 
zur Arbeiterschaft ergeben. Mehr als ein aufgeklärter Indu 
strieller weiß ja schon, daß man nur mit der Arbeiterschaft 
wirtschaften kann, nicht ohne sie und keinesfalls gegen sie. Im 
Interesse der Wirtschaft selber darf das Bewußtsein hier 
von auch nicht durch ihr Ressentiment gegenüber der Sozial- 
demokratie zurückgedrängt werden. So schwierig sich die Aus 
einandersetzung mit der Sozialdemokratie in der nächsten Zu 
kunft gestalten wird, es erscheint ausgeschlossen, daß man die 
Arbeiterorganisationen auf dem undialektischen Wege der 
Diktatur bezwingen wird. Denn die sozialen Ideen, denen die 
Massen anhangen, weisen nach vorwärts und haben eine ge 
waltige Lebenskraft; während die zur Diktatur chrängenden 
Kräfte das Rad der Geschichte nach rückwärts drehen wollen. 
Es ist nun einmal so, ob es auch viele Unternehmer zur Stunde
	        

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