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H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043386
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1930
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

- 
wie die leer- 
der nmß un- 
ReichsHauPL- 
Die Gruden- 
stehenden großen Wohnungen oder das Roggenbrot, 
willkürlich auf den Glauben geraten, daß die ganze 
stadt unter dem Zeichen dieser Veranstaltungen stehe. 
renkrawalle, die Umzüge der Erwerbslosen und vor 
erwarten muß, es könne doch gleich etwas losgehen. Ich fuhr an 
einem der letzten Abende zum Nollendorfplatz, um mich unter die 
Demonstranten zu mischen. Sie waren wer weiß wo geblieben, aber 
dafür bot der Platz den Anblick einer gerade eroberten feindlichen 
Stadt. Schupoleute patrouillierten an sämtlichen Straßenecken, 
quollen aus dem Untergrundbahnhof, gingen über die leeren Platz 
flächen und behüteten den Mozartsaal, in dem gerade der Film 
Zu Ende ging, der den Deutschen die Achtung vieler Nationen 
eingetragen hat, nur nicht der Deutschen selber. Da mich niemand 
Zum Stehenbleiben ermunterte, kehrte ich wieder um, und auf dem 
Heimweg geschah es; ich roch die dicke Lust. An der Ecke Kurfürsten- 
damm—Ählandstraße, einer Stelle also, die sonst zu den sanfteren 
Himmelsstrichen gehört. Hier war ein Trupp von Polizisten 
postiert, und überdies verteilten sich geringe Scharen junger Bur 
schen über die TrottoirA Sie beschäftigten sich damit, zu warten. 
Einige von ihnen trugen dicke Stöcke, die nicht viel Gutes ver 
sprachen. Das Beklemmende war, daß sich eigentlich gar nichts 
ereignete. Die Taxis und Omnibusse rasten durch, sobald die Signal 
ampeln sich grün färbten, die Pfeile und Schriftbilder der Licht 
reklamen erstrahlten wie immer bunt in der Nacht. Und doch 
breitete sich Panikstimmung über dem Pflaster aus. Sie wurde 
gemildert, ohne darum behoben zu sein, als aus dem Dunkel der 
Uhlandstraße ein Auto austauchte, dessen Bemannung sich sofort 
mit den jungen Burschen durch Geschrei verständigte. Es war das 
Auto der Führer. Ihm folgte ein unabsehbarer nationalsozialisti 
scher Demonstrationszug, der sich in straffer Ordnung vorwärts 
bewegte. Ich habe die betreffenden militärischen Ausdrücke ver 
gessen, aber jedenfalls marschierten die Mannschaften in Reih und 
Glied wie regelrechte Soldaten, und ihre Zivillleider, die sich von 
denen des übrigen Straßenpublikums in nichts unterschieden, schienen 
lauter Uniformen zu sein. Von Zeit zu Zeit unterbrach Schupo die 
Formationen, die ohne Musik einem unbekannten Ziel zuschritten. 
Dies gerade: daß sie so schweigend durch die Straße zogen, be 
drückte am meisten. Keine Erkenntnis leuchtete über ihnen, die 
hell und vernünftig gewesen wäre, und keine Parole ging von 
ihnen aus, es sei denn die sture gegen den Remarque-Film.. 
Wie anders waren damals am ersten Mai die Züge der Demon 
stranten gewesen, Sie marschierten nicht in schrecklicher StummheLt 
dahin, sondern gingen wie kameradschaftlich verbundene Menschen 
Und sie führten Inschriften mit sich, die mindestens zu diskutieren 
waren, statt in der Disziplin einen ihrer obersten Zwecke zu 
erblicken. 
Wie ich anderen Tags in der Zeitung las, machte späterhin 
das von mir beobachtete nationalsozialistische Aufgebot am Knie 
noch Krawall. Zur gleichen Stunde, als der Geist der Sympathie 
GerHauPL noch einen Berliner Bürger, der friedlich ins Büro 
Zehen kann und etwas anderes im Kopf hat als Aufläufe, Schupo 
und ProtestsI Es gibt solche Bürger, denn das Nebeneinander in 
Berlin ist nicht minder unbegrenzt wie die Stadt selber. Vorgestern 
Nacht empfing zum Beispiel Max Reinhardt im Foyer derKam- 
merspiele die Darsteller der Pariser Comedie, die zur Zeit in 
Berlin gastieren, und während der „Geist der Sympathie , , . 
park und willig über dieser Tafel vieler großer Leuchten » » / 
schwebte, wie ein Berliner Blatt zu melden weiß, suchten gerade 
wieder einmal nationalsozialistische Demonstranten durch Stein 
würfe, faule Eier und andere Argumente die Oeffentlichkeit davon 
zu überzeugen, daß der Remarque-Film, den sie nicht kennen, nun 
endlich abgesetzt werden müsse. Ach, Herr Dr. GZbbels will sich 
vom Geist der Sympathie nicht lenken lassen, und die insgeheim 
tagende Oberfilmprüfstelle wird vermutlich seinen Drohungen 
nachgeben, obwohl sie den Remarque-Film doch kennen gelernt hat. 
Das Nebeneinander, wie gesagt, ist sinnverwirrend, und in der 
gleichen Stadt, die vom Aufmarsch der demonstrierenden Kolonnen 
widerhallt, finden sich noch viele ruhige Ecken. Eine davon ist 
etwa die Sophienstraße im Zentrum, eine verschlafene Gegend mit 
einer Kirche darin, das Ganze erinnert von fern an Paris, Dort 
sind jetzt für zwei Wochen eins Menge von Abbildungen und Zahl 
reiche statistische Tabellen ausgestellt, die einen Begriff von der 
Durchführung des Fünfjahresplanes verschaffen sollen. Aber nur 
ein Paar Arbeiter, Erwerbslose vielleicht, füllen den altertümlichen 
Saal, den sie nicht Zu Wen vermögen. Rußland ist weit von 
hier.? sx 
Trotz dieser chaotischen Verhältnisse ist doch im Berlimr Straßen- 
lchen eins leichte Veränderung zu spüren. Die Straßen sind nicht 
mehr wie noch vor wenigen Monaten stumme unbeteiligte Zeugen poli 
tischer Manifestationen, fordern strömen selber ein starkes Unbehagen 
aus. Es ist, als seien sie von den Tumulten angesteckt worden, die 
sich aus ihnen entwickeln. Sie werden bei Tag und bei Nacht von 
Lastwagen mit Schupomannschaften durchfahren, und so drohend 
ist ihre Gebärde, daß schon ein kleiner Haufen friedlicher Passan 
ten, der nur eben den Fahrdamm überqueren will, den Eindruck 
einer Massmansammlung erweckt. Die Menschen sehen auch, was 
kein Wunder ist, gar nicht weihnachtlich drein; mögen immerhin 
Mr Erhöhung der Festesfreude und des Absatzes vor einigen Ge-^ 
Wer außerhalb Berlins von den Straßendemonstrationen liest, 
die jetzt hier so zur Mtagserscheinung geworden sind 
allem die so 
lärmenden wie schlagkräftigen Kundgebungen der Nationalsozia 
listen gegen den Remarque-Film, den sie nicht kennen — gibt es 
über der Tafel Max Reinhardts schwebte. Ta, e'ert werden 
! die Gäste von der Oomsäis daheim ihren Parisern berichten 
können. 
Msten und Kaffeehäusern illuminierte Riesentannenbäume prangen, 
die für viele Erwerbslosenfamilien reichten. Kaum könnte der! 
Ernst unserer innerpolitischen Situation sinnfälliger bewiesen 
werden als durch diese Erregung, die sich heute den Straßen- 
räumen mitgeteilt hat. Freilich, man gewöhnt sich daran, und wir 
haben seit Kriegsbegirm bereits schlimmere Erfahrungen hinter 
uns gebracht. In einem ftanMchen Revolntionsroman: „Die 
-Götter dürsten" erzählt Anatole France, daß während der 
! Schreckensjahre manches Idyll ungetrübt sortbestand. So ist es: 
das Leben geht weiter, und es muß doch einmal Frühling werden. 
Wenn auch der Frühling, der den Deutschen vielleicht blüht, 
bestimmt anders ausschauen wird, als die Anhänger des Dritten 
Reiches wähnen. 
Das genau- Kennzeichen der allgegenwärtigen dicken Lust ist 
^Lie Tatsache, daß man auch dort, wo nichts los ist, jederzeit 
Alle Hage Demonstration; 
Berlin im Dezeinber.
	        

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