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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

er, und nicht auf das Klatschen. 
scheint man sehr aufpassen zu Gründen, sondern bedaure nur, in ihrem eigenen Interesse, daß 
' sie ineinemfort nackt zusammen sind. Daß sie aus unserer Unkultur 
erwarteten Darbietungen selber. lnrausverlangen — wie gut ist es Zu begreifen! Aber ihre prin- 
gezogen, und heraus springt ein zipielle Nacktheit ist sa keineswegs eine reinere Natur, sie ist viel- 
Auf die Tat komme es an, sagt 
Wo so viel Weltanschauung ist, 
müssen, 
Es folgen die mit Spannung 
Die Schneegipfct werden beiseite 
„HM schön, haben die'.Herrschaften schon unser neuestes Heft: 
Freude am Körpers 
So fragt im G r o ß e n S cha u sp i e lha u s ein halbwüchsiges 
Mädchen mit Zöpfen, das die Körperfreude in einem ähnlichen 
Ton verkauft wie Zündhölzer, Schnürriemen oder Blumen. Zahl 
lose Menschen füllen das Theater bis unters Dach. Was hat sie 
an dem strahlenden SonntagworgLn herbergelockt?'Eine F r e i - 
As r'ch erku! Ärbnter,'./Angestellte,' kleine'. B§- 
amtt — dichtgedrängt sitzen sie teils Mischen den Stalaktiten 
Poelzigs, teils zwischen den Dekorationw Zum Meißen RM, 
schön gemalten Almen und GebirgSdörfern, die sich rundum ziehen. 
Mich wundert nur, 
Bor den dunklen Waldhintergrund M der offenen Bühns, Wer 
dem die Schnsegipfe! gleißen, tritt Herr Adolf Koch» der Letter- 
der fozialpädagogischeu KorperkulLurschulL, und begrüßt namens 
aller möglichen angeschlossenen Verbände die anwesenden Abgeord 
neten, Schulräte, sozialistischen AerZts, Pressevertreter und über 
haupt das ganze Publikum. Herr Koch Mahlt uns, daß die kleine 
Sekte derer, die sich um 1900 Zum nackten Körper bekannten, Heute 
Zu einer Massenbewegung anaewachsen sei, nennt Ziffern von 
erstaunlicher Höhe und befaßt sich dann in der Hauptsache mit den 
Zielen der so zie l i sti s ch § n F r s i k ö r p e r k u l L u rh e w e- 
g u n g. Dieses Wort ist genau so umständlich Zusammengesetzt wie 
die Ziele selber. Wären sie nur hygienischer Art, man müßte 
sie mit Freuden b e s ahe n; denn nichts ist erwünschter als Vor 
kehrungen, die der werktätigen Bevölkerung zur Gesundheit ver 
helfen. Aber die Freikörperkultur begnügt sich nicht mit 
Gymnastik, Brausen usw„ sondern begibt sich noch dazu aufs höhere 
Gebiet der Weltanschauung. Man kann bei uns kaum eine Zahn 
bürste einkaufen, ohne gleich eins Weltanschauung als Dreingabe 
zu erhalten. Aus Weltanschauungsgründen also erMren Herr Koch 
und seine Jünger der Badehose den Krieg. Die Badehose, sagt 
Herr Koch, ist ein Aberglaube, der bekämpft werden muß. Nacktheit, 
sagt er ferner, ist Ehrlichkeit innerlich und äußerlich. Und Zum 
Ruhme der Nacklerziehung weiß er nichts Besseres Zu sagen, als 
daß durch sie all das Schwüle fortsalle, das in der Pubertätszeit 
sonst Wer die Wenschen komme, er preist das badehoselofe Bei 
einander wie eine Porwegnahme des Paradieses hie^ 
Metaphysik der Nacktheit, die ihn übrigens auch zu der Auffassung 
verführt, die Freikörperkulturbcwe sei ein Bollwerk gegen die 
kulturpolitische Reaktion in Deutschland., 
Begeisterte Zuhörer klatschten an verschiedenen Stellen des Vor- 
trags, ohne in ihrer Ahnungslos mit der WeltanM ge 
rechnet Zu haben, die ihm aus allen Poren quillt. Eben aus Weltt 
ansKauung nämlich lehnt Herr Koch kategorisch das Klatschen ab. 
nacktes Mädchen, das in Unschuld sein gymnastisches Können Zeigt. 
Andere nackte Mädchen springen ihr nach, und dann treten mehrere 
Jünglinge auf, wie Gott sie geschaffen hat, und haben ebenfalls 
Freude an ihrem Körper. Ein wenig später/und beide Geschlechter 
üben gemeinsam. Als einzig Lekleideter m diesem Garten Eden 
sitzt Herr Koch am Klavier und gibt seinen Eleven die Tempi an. 
Manchmal entfesselt er die Gruppen Zu bacchantischer Wildheit, um 
sie danach sofort wieder Zu sänstigen, wie es der Hygiene entspricht. 
DaS sagt sich/hüpft, legt den Körper nach rechts und nach links 
und verschränkt die Arme hinter dem Nacken. Zuletzt geht eine Art 
von Massendemonstration der Nacktheit vonstatten. 
Gegen Zweihundert Körper bevölkern das Podium, männliche und 
weibliche, junge und alte, kunterbunt durcheinander. Einige häß 
liche Exemplare sind in den Hintergrund abgeschoöen worden, aber 
man sieht leider Loch, was man besser nicht sahe: überschäumende 
Brüste, dicke Beine, ausgemergelte Leiber. Ihr Anblick, den die 
Humanität verböte, scheint die Beteiligten nicht weiter zu stören. 
Vergnügt hopsen sie alle nach Vorschrift he m, singen sich ein 
Liebchen dazu und treiben überhaupt ihre gatt^ Freikörperkultur 
mit' der seligen Unbefangenheit von Kindern. — — — .. 
Ich weiß nicht, ob es anderen Zuschauern bei der Matinee so 
ergangen W aber mich hat das Mitgefühl mit diesen Menschen 
ohne Badehose erfaßt Es sind vermutlich zum überwiegenden Lei! 
geplagte weM sich durch das Bekenntnis zur 
Nacktkultur ihren Anteil an der Lebensfreude zu erobern hoffen. 
Werden sie ihn auch wirklich erhalten? Mir scheint viel eher, daß sie 
sich durch das ständige Abstreifen des Lendenschurzes um entschei 
dende Freuden betrügen. 
Nicht so, als ob der Einwand der Mucker zuträfe, nach dem 
der nackte Körper angeblich sündhaft ist. Er ist es nicht, und gerade 
dann, wenn man ihn gewohnheitsmäßig zur Schau trägt, wird 
kein Anblick am allerwenigsten die Lüsternheit wecken. Im Gegen 
teil: dieser AM die Sinne nur über das gebotene 
Maß hinaus ab. Das aber ist genau die Gefahr, der die Anhänger 
des NaLLkultes leicht unterliegen. Um so willfähriger unterliegen, 
als sie den Kampf gegen dis arme Mne Badehose mit weltt 
anschaulichen Argumenten führen, die sie am freien Umblick ver 
hindern. 
Nacktheit ist Ehrlichkeit, meint Herr Koch. Wer zeigt man denn 
seine Seele immer nackt und spricht man von allem Zu allen? 
Man tut es mit Recht keineswegs und verzichtet auch mit dem 
gleichen Hecht gemeinhin auf die völlige Entblößung des Körpers. 
Das ist nicht etwa der Prüderie Muschreiben — die Prüderie 
übertreM höchstens das legitime Verlangen der Menschen, sich nur 
bei besonderen Gelegenheiten wechselseitig zu offenbaren. 
: Wenn die Fre^ die Nacktheit zum Grund ¬ 
satz erhebt, so schüttet sie, wie ich fürchte, das Kind mit dem Bade 
saus und Legt mit der Badehose Empfindungen ab, die nicht un 
gestraft verletzt werden. Einen Beweis hierfür erblicke ich in der 
Feststellung von Herrn Koch, daß durch das nackte Zusammensein 
während der Pubertätsjahre die Schwüle beseitigt werde, die in 
dreier Zeit heraufzuziehen M die Erfahrungen, die er 
als Schwüle entwertet, nicht ein kostbares Besitztum erwachender 
Menschen? Und so machen noch andere Regungen den Menschen 
zum Menschen, die dort zu ersticken drohen, wo die Nacktheit Zum 
Mäaa.wird.. . - 
Ich will nicht falsch verstanden werden. Ich protestiere nicht 
gegen die Freunde der Nacktkultur aus sogenannten moralischen 
mchr lediglich das Widerspiel des mechanisierten Lebens, dem sie 
entrinnen möchten. Und dadurch, daß sie ihre Körper mit philo 
sophischer Konsequenz hüllenlos voreinander preiZgeben, ver 
armen sie sich freiwillig und erschweren sich den Eintritt in 
manche realen Beziehungen, die unter anderem auch der leiblichen 
Scham bedürfen. 
Arme, kleine Badehose — man sollte sie wenigstens nicht aus 
Weltanschauung fallen lassen» S. 
Kampf gegen die Badehose. 
Berlin, Ende März.
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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