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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

bereitschaft der Völker aufpeitschen will. Ein Phantast, wie er M 
schlechten Büchern steht; ein astronomischer Hanswurst, der tieri 
scher Angst abpretzt, was bestenfalls die menschliche Vernunft zu 
erzwingen vermag. 
Trotz der Schauerlichkeit des Weltspektakels: seine Inszenie 
rung enträt nicht einer gewissen Größe. Häusereinstürze, Ueber- 
schmemmungen und Erdbebenkatastrophen aus Wochenschauberichten 
sind kunstgerecht ineinanderzewoben und durch raffinierte Mon- 
togeeffekte überhöht worden. Ausgezeichnet das Bild von der toll 
gewordenen Börse. Aber das Gelingen im einzelnen vertieft nur, 
noch den Eindruck vom Unsinn des Ganzen. 
Der Kurfürstendamm als Siegesallee. 
BerLm, im Mai. 
Der KuMrstendamm ist die moderne Siegesa!!.es. Statt 
mit Herrschermarmordenkmälern, die ein Bein vorstellen, ist er mit 
Photos von Prominenten übersät, die etwas vorstellen 
ode^ doch vorstellen wollen. 
In diesen schönen Sommertagen, in denen dort alle Bäume 
grünen, die man noch nicht gefällt hat, die Luxuswagen auf- und 
aörollen und die Cafehausterrassen mit Menschen vollgepfropft 
find jetzt während der Nachmittagsstunden ist die richtige Zeit, 
um von Lichtbild zu Lichtbild zu schlendern. Auf Schritt und Tritt 
folgen sich die hochkünstlerifchen Photographen. Ihre Vitrinen 
schmücken die Vorgarteupfostm, beleben die Wände und ziehen sich 
tief ins Dunkel der Hauseingänge aus Kunststein hinein. Gefüllt 
sind sie mit Porträts, die nicht durch ihre Licht- und Schatteneffekte 
entzücken, sondern mehr noch durch die in Zierschrist beigefügten 
Namen der Originale. Wer in dieser Bilderallee verewigt ist, dessen 
Ruhm ist besiegelt, der, hat das Rennen gemacht. Und die paar 
Namenlosen, die sich mitunter doch eingeschlichen haben, hängen wie 
arme Verwandte unbeachtet zwischen den Größen. 
Zwar auch Kinder sind der Siegesparade eingereiht worden, 
unschuldige Kinder, die von ihrem Triumph noch nichts wissen. 
Aber sie gehören vornehmen Eltern und heißen alle besonders 
schön. Ina und GriL, Marie-Luise und Regina, Vera und Sylvie 
— da stehen sie in ihren Kostümchen, lächeln ahnungslos und sind 
schon ausevwählt vor anderen Kindern. Meistens neigt sich noch 
eine Dame zu ihnen herab, die ihre Mutter ist, und das Ganze 
ist dann ein Bild ungetrübter Mutterliebe aus gutem Haus, wie 
es die illustrierten Zeitungen gern zeigen. 
Häufig ziehen die Damen vor, sich von den kleinen Engels 
wesen zu trennen und ganz allein auf der Bildfläche zu erscheinen. 
Sie tragen Pelze oder Gesellschaftskleider und immer einen aristo 
kratischen Namen. Ist eine von ihnen aber einmal einem reichen 
Bürgerlichen angstraut, um noch aristokratisch auftreten zu kön 
nen, so wird bestimmt ausdrücklich erwähnt, daß sie eine geborene 
Baronesse ist. Ein Hauch von großer Welt umgibt diese Damen, 
sie sind selber von den Photographen ehrfürchtig hingehaucht wor 
den. Die Jungen sehen einander Zum Verwechseln ähnlich, die 
Netteren strahlen Huld aus, und hinter allen ist ein Zu 
ahnen, dessen Wogen noch höher gehen als die am KurfürstendamM. 
Bon den Heeren der Schöpfung ist selbstverständlich jeder eine 
illustre Persönlichkeit, ein Adelsmensch sozusagen, sei es nun von 
Geburt, von Geld oder von Geist. Botschafter^ Generaldirektoren 
und Ministerialdirektoren geben sich hier ein Stelldichein — eins 
erlesene Versammlung, -der zur Zeit Exz. von Seeckt mit blitzen 
dem Monokel präsidiert. Auch mfter Reichspräsident hat sie schon 
wiederholt mit seiner Anwesenheit beehrt. Starrem Kastengeist 
abhold, gewährt sie Dichtern wie Heinrich Mann und DMiu, die 
der Dichterakademie angehäreu, willfährig ein Asyl und ver- 
schtteßt sich sogar nicht dem poetisthen Revolutionär Toller. Wir 
leben in einem demokratischen Land. Die Photographen haben es 
darauf abgesehen, den Mannerköpfen bedeutende Züge Zu ver 
leihen. Manche entwachsen dämonisch den Schatten, andere wirken 
durch die Augen, die Haarpracht oder scharstmodellierte Konturen. 
Wären sie aus Stein oder Bronze, sie stünden weithin sichtbar 
auf einem Postament, 
Ihre richtige Leuchtkraft erhält die Gesellschaft erst durch die 
Stars. Marlene Dietrich, Gerda Maurus, Lee Parry; sämtliche 
Filmdiven find in den feenhaften Toiletten zugegen, in denen sie 
die Rennplätze besuchen oder nach Premieren an der Rampe er 
scheinen. Sie gleichen den Lilien auf dem Feld und schimmern. 
In ihrer Rahe drangen gefeierte Schauspieler mit interessanten 
Stirnfalten, -Tänzer, die sich verrenken, und die Muskeln von 
Boxern. Einige Künstler und Künstlerinnen sind im Schaufenster 
eines Friseurs ausgestellt, dem sie die Güte seiner Frisuren eigen 
händig bestätigen. Es ist der Himmel auf Erden. 
Der Marmor ist zum Photo geworden — aber wo sind die schnei 
digen Leutnants geblieben? Auch für sie gibt es Ersatz. Eine 
Sorte modischer Jünglinge bevölkert heute den Kurfürstendamm, 
die sich der neuen Siegesallee genau so natürlich eingliedsrn wie 
jene Leutnants der alten. Um treffendsten könnte man sie als 
männliche Girls bezeichnen. 
In diesen schonen Sommertagen grünen sie unter den Bäumen, 
lustwandeln auf und ckb wie Luxuswagen und füllen die Cafe 
Hausterrassen. Jünglinge, die sich wie die photographierten Mädchen 
aufs Haar gleichen, aber trotz ihres einförmigen Aussehens den 
Eindruck von Qualitätsfabrikaten machen. Jedenfalls sind sie mit 
Geschmack hergestellt worden. Die Hosen sitzen ihnen straff um die 
Hüften, Hemden, Schlipse, Schuhe und Seidentuchwimpe! passen 
zusammen, urrd das gekrärrselte Haar ist augenscheinlich mit 
WasserstossiupM gebleicht. Ihre Augen blicken leicht seemän 
nisch, ihre Haltung ist ein Gemisch aus Anmut urG Stadion. Sie 
sind den Mädchen, um die sie sich kaum kümmern, ein Wohlge 
fallen, und noch mehr den Männern, die nach ihnen Ausschau 
halten. Manche von ihnen haben sich aus Freude an Abenteuern 
in verschiedenen Erdteilen umgetrieben und dann einige Beobach 
tungen mit nach Häufe gebracht. Die schreiben sie nieder. Oder sie 
gehen zum Film; oder sie leben, ohne etwas zu tun. Wovon sie 
leben, ist rätselhaft. Es ist, als habe der Kurfürstendamm sie 
gezeugt. Wie Sieger befchreiten sie ihn. Und die Prominenten, die 
etwas vorstellen, blicken auf sie herab. 
S. Kracauer.
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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Die OCR-Ergebnisse sind experimentell.

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