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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

2,-1' 
Eine kleine LeiPiöliotheK 
mehr, ob sie Konserven in der Gestalt von Schoten oder 
von 
Werken anbietet; schon versteht sie sich auf die Behandlung der 
eine 
die geringste Neigung 
Kundsngeschmacks zu 
Spiel der Wolken zu 
r 
l 
T 
d 
§ 
veränderten Kundschaft, die ja tatsächlich immer dieselbe ist. 
Eingerichtet hat den auf eigenes Risiko erworbenen Laden 
zum Glück eines starken Zulaufs erfreuen. 
Mit Recht verspürt die Besitzerin nicht 
dazu, die etwaigen Gesetzmäßigkeiten des 
ermitteln. Sein Wechsel scheint ihr dem 
Gott sie geschaffen hat, so stehen sie in ihren Originaleinbänden 
da, halten aus sich, als sollten sie verkauft werden, und funkeln, 
als seien sie Delikatessen- 
Vielleicht ist ihre Verwandtschaft E Feinkost nicht zufälliger 
Art. Jahre hindurch hat die Besitzerin in einem LebensmiLLel- 
geschäft gearbeitet, ehe sie sich zu ihrer jetzigen Tätigkeit entschloß. 
So wunderbar der Uebergang von Milch und Butter zu Büchern 
erscheint, er ist in Wahrheit nichts weiter als eine natürliche 
Lesefrucht. Anders verdanken der Lektüre Unterhaltung oder gar 
geistige Belehrung; die Besitzerin jedoch, die während ihrer Lebens 
mittelzeit eine eifrige Benutzerin von LeihbiLliotheken gewesen ist, 
hat aus den verschlungenen Bänden nur die eine, aber wirklich 
anwendbare Erfahrung geschöpft, daß der Umgang mit Büchern 
nicht allein schon, sondern-auch zweckmäßig sei. Und dann ist sie 
eben eines Tages in die neue Branche geglitten. Rasch und tüchtig 
hat sie sich in ihr umgetan. Schon macht es ihr keinen Unterschied 
blai^n 'ch mrt der Bescher!» meines 
OEmismus ^ 7 E -m-n gesunden 
C K h uanndceenn a z u u f p1 l 0a0 u 0 d erens . tie I men s H eeinr b sA t, ucsoh h neou ff e t sK i er , im w in i ra d lro d m i ean Z ea h s l ol d leenr 
u u gg .u u 
Berlin, im August- 
Wann immer :cy an die Leihbibliothek zurückdenke, der ich 
vor vielen Jahren meinen Lesebedarf entnahm, so taucht ein 
dunkler Raum vor mir auf, in dem zahlreiche eiserne Regale 
nebenelnande-standen, die mit lauter abgewetzten Büchern gefüll* 
waren, deren Einbände ihre Umgebung an Dunkelheit übertrafen. 
Meistens war der Besitzer gar nicht aufzufinden, sondern zwischen 
den Regalen versteckt. Dort fuhr er, bald unten am Boden, bald 
hoch oben in den entlegeneren Ladenregionen, mit einer elektrischen 
Taschenlampe wie ein Glühwürmchen an den Buchrücken entlang, 
um irgendeine Nummer zu suchen- Kam er dann endlich zum 
Vorschein, so brächte er in der Regel eine andere Nummer mit, 
da die gewünschte gerade verliehen war- Das ganze Magazin 
bestand sozusagen aus Ersatzmaterial, das die Fronttruppen aö- 
lösen sollte. Oft traten Damen in den Laden, die ich gewisser 
maßen bewunderte, weil sie immer nur die edelsten Produkte des 
literarischen Fleißes verlangten und sich unter Thomas Mann 
niemals zufrieden gaben. In ihrer Gegenwart bereitete es mir ein 
besonderes Vergnügen, hörbar nach Kriminalromanen zu fragen. 
Ich glaube, die Damen waren im Stillen über meine niedrige 
Sphäre enttäuscht- 
Seit kurzem habe ich die alten schlechten Lesegewohnheiten 
wieder ausgenommen. Schuld daran trägt eine kleine Leihbiblio 
thek, die vor genau 46. Tagen in unmittelbarer Nachbarschaft 
meiner Wohnung eingezogen ist. Das Lädchen, in dem sie Haust, 
erinnert in keiner Hinsicht mehr an die verstaubte Bücherhöhle von 
damals. Wenn ich auch ihrer Dunkelheit und ihrem Scharteken- 
geruch noch insgeheim nachtrauere dieser neue Verleih, dessen 
Schicksal ich vom Tage seines Entstehens an mit Spannung ver 
folge, übt doch eine nicht geringere Anziehungskraft auf mich aus. 
Er ist ein tiefblau gefärbtes Schatzkästchen, das durch seine Appetit- 
verleih in den anderthalb Monaten seines Bestehens gegen 600 
Kunden erworben, und zu den 1500 Banden, mit denen er er 
öffnet worden ist, sind schon 200 neue gekommen. Aus welchen 
Kreisen die Kunden herbeiströmen, zeigt die Bemerkung der Be 
sitzerin an, daß die Hälfte Doktoren seien. Hinzu treten Klein 
bürgerfrauen, junge Leute und sämtliche Chauffeure vom Taxi 
halteplatz gegenüber. Sie sitzen oft stundenlang beschäftigungslos 
im Wagen und teilen die Wartezeit zwischen der Kneipe und < 
Büchern. Ihre Lieblingslektüre bilden Abenteuerromane, deren ! 
Bewegtheit sie ein wenig für die unfreiwillige Muße entschädigt, i 
Einen der Fahrer scheine ich neulich Lei einer besonders aben- s 
teuerlichen Stelle unterbrochen zu haben, denn er hat mich erst nach > 
einem kleinen Zögern befördert. Ich empfand hinterher Reue über 
die durch mich verursachte Störung, da sie womöglich unmittelbar 
vor der Lösung des Knotens erfolgte. Auch raste er zu meiner 
Besorgnis, von der Ungeduld nach dem Abschluß verzehrt, allzu 
bedenkenlos mitten durch den Verkehr... 
Die verschiedenen Neigungen ihrer Kunden hat die Besitzerin 
bereits gründlich erforscht. Sie weiß etwa, daß die Intelligenz sich 
merkwürdigerweise gern an Kriminälromane hält, und verordnet 
älteren Damen- mit Vorliebe die Bücher aus der Abteilung 
„Leichte Lektüre". Was die Neuerscheinungen betrifft, so werden 
sie nach ihrer Meinung nicht selten von Leuten begehrt, die mit 
ihren Kenntnissen austrumpfen wollen. Gewöhnlich rächen sich 
allerdings diese Bücher dadurch, daß sie das Mißfallen der 
Renommisten erregen. So soll zum Beispiel Döblins vorzüglicher - 
Roman „Alexanderplatz" schon wiederholt Enttäuschungen hervor 
gerufen haben; eine Tatsache, die ich nur mit Bedauern ver 
zeichne. Unverrückbar fest im Kurs stehen dagegen auch heute noch 
Presber, Stratz, Greinz und Paul Keller. Die Besitzerin nennt sie 
mit demselben Respekt, den sie früher vor gut gehenden Käse- 
Auf meine Frage, welche modernen Werke zur Zeit die höchste 
Gunst des Publikums genössen, blättert sie ihr Vormerkbuch durch. 
In ihm sind an die 50 Interessenten eingetragen, die sich um den 
in 12 Exemplaren vorhandenen neuen Remarque-Roman bewerben, 
und ebenso viele, die für das Buch: „Die Kathrin wird Soldat" 
20 Pfennig hingeben möchten. Es ist freilich nur acht mal vorrätig* 
Wassermanns jüngstes Musenkind: „Ctzel Andergast" hat immerhin 
6 Exemplare erreicht, eine Zahl, die ich in Anbetracht seiner 
Dicke für ehrenvoll halte. Den Siegern dicht auf den Fersen sitzen: 
Hausmanns „Kleine Liebe ßu Amerika", Georg Finks Roman 
„Mich hungert" und Vandervelde: „Die vollkommene Ehe". Ja, 
die Erotik. Ihr ist in meinem Lädchen das vielbesuchte Gefach: 
„Galante Lektüre" eingeräumt, und vor allem die Sachen von 
Pitigrilli florieren. Doch ich will mich gar nicht in Einzelheiten 
verlieren, sondern nur noch erwähnen, daß auch Thieß zu den 
Stammfavoriten gehört und die Werke von Traven sich neuerdings 
Firma, die sich mit der Belieferung von Leihbibliotheken befaßt. 
So selten diese Kleinbetriebe noch im Berliner Westen anzu- 
Lreffen sind, in den die Inhaberin mit dem Wagemut eines 
Pioniers vorgestoßen ist, so üppig gedeihen sie im Südostsn und 
Norden; vielleicht weil dort die Arbeitslosigkeit besonders nach 
haltig dazu drängt, die leere Zeit auszufüllen. Ahnen allen liegt 
das seit ungefähr zwei Jahren in Berlin eingebürgerte sogenannte 
psandlose System zugrunde, nach dem ein Personalausweis zur 
Entnahme von Büchern genügt. Man zahlt eine einmalige Ein- 
schreibe gebühr von 20 Pfennig und für jedes entliehene Buch pro 
Woche den glerchen Betrag. Neuerscheinungen sind etwas teurer, 
ost 1 Ma?^ übersteigt die Leihgebühr 
Die o, r 
E^ben nur Sport bald eintreffen. Ich freue mich schon darauf; denn die alten Hab 
getrieben wird, es wird auch gelesen, jedenfalls hat der Buch- ich alle gelesen. S. Krakauer. 
gleichen, die da kommen und gehen, und hängt er überhaupt von 
einer festen ^Instanz ab, so allenfalls von der Zeitungskritik, die 
nicht minder eine meteorologische Erscheinung ist. „Wir haben eine 
gute Kritik darüber gelesen"; mit diesen Worten fordern manchmal 
Kunden ein gerade besprochenes Buch. Die Besitzerin händigt es 
ihnen mit der gleichen Bereitwilligkeit aus wie ein unbesprochenes. 
Ob sie noch Zeit und Lust hat, die Bücher selber zu lesend Ich 
denke mir, sie ist überfüttert mit ihnen wie ein Konditor mit 
Kuchen. Und dann ist es ja auch schon herrlich genug, die Bücher 
wn u irrd v uonnd aa u ll ß eenLes z e u ka b rtee t nracm ht iet nd , em zuz D u a h t ö urmens , tem w aesl z ü u b evrerss i eehegneraW u ine t 
w u u p zuv . 
oft bin ich nicht Zeuge dieser entzückenden Tätigkeit gewesen! Die 
"us und kehren zurück, und wahrend ihrer Ab- ' 
l C -r h tigung finde l t d d ie Inh I aber H in b im t mer n h oc f h ft Ze i it, m i i d t m di ir ü Z be h r l r d hre 
lichkeit reizt. Eine Markise beschützt seine Front, und im Innern . 
umgürten übersichtliche Reihen von Büchern den Raum.
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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