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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Wöbet auf Weisen 
Damen und außer dem Reichsbankpräsidenten bestimmt noch eine 
Anzahl anderer Prominenter — vor diesem Auditorium hielt 
Albert Einstein einen Vortrag, den er: „Amüsantes aus 
der Physik" betitelt hatte. Es war ganz reizend, und niemand 
wäre so leicht auf. den Gedanken gekommen, daß hier der Ent 
decker der allgemeinen Relativitätstheorie oder gar ein Universi 
tätsprofessor vor der Schiefertafel stand und mit dem Schwamm 
hantierte. Er dozierte nicht und er gebrauchte auch keine Formeln; 
er sprach wie ein guter Onkel, der den Kindern Märchen erzählt. 
In eine Kinderschar — freilich nicht in eine notleidende — ver 
wandelte sich aber das Publikum nicht nur darum, weil Einstein 
von vornherein annahm, daß es „physikalisch unschuldig" sei, 
sondern auch dank der freundlichen und charmanten Art, in der 
er der geringen Verständniskraft der Hörer entgegenkam. Ich er 
innere mich der physikalischen Märchen: „Seifenblasen" von Kurd 
Laßwitz, die ich vor vielen Jahren mit großem Genuß gelesen 
habe. Wurden aber dort Utopien und Wunder gewissermaßen als 
natürliche Vorgänge beschrieben, so verlieh Einstein umgekehrt 
diesen den Charakter des Wunderbaren. Woher rührt es, daß am 
Abend häufig eine dem Segler unangenehme Tendenz Zur Wind 
stille eintritt? Wie erklärt sich die Möglichkeit des Fliegens und 
wie die Wogenbewegung? Oder auch: aus welchem Grund ist 
trockener Sand weich, Sand im Wasser ein schmieriger Brei und 
Sand, auf den es geregnet hat, hart? Alle diese Tatsachen und 
Ereignisse, die man gewöhnlich im blinden Vertrauen auf die 
Naturgesetze einfach hinnimmt, wurden zunächst in ein frag 
würdiges Licht gerückt, so daß man unwillkürlich um den Fort 
bestand ihrer Existenz zitterte, und dann mit einer Sicherheit neu 
erschaffen, die jeden Zweifel an ihnen benahm. Das war nicht 
der Sand mehr, auf den man bisher gedankenlos getreten hatte; 
das war ein innerlich durchleuchteter Sand, von dem man nun 
ein für allemal weiß, daß er seine Mission getreulich erfüllt. Und 
hätte Einstein diesem Sand selbst Aufgaben Zugewiesen, denen 
er noch niemals nachgekommen ist: ich bin fest überzeugt davon, 
daß er sie von jetzt an hätte übernehmen müssen. Denn die Er 
läuterungen, zu denen Einstein ausholte, waren so bezwingend 
wie die Argumente der Märchenvernunft, und hätten sie sich gleich 
dieser unversehens von der Wirklichkeit entfernt: der Wirklichkeit 
wäre nichts anderes übrig geblieben, als ihnen Folge zu leisten. 
Nach dem Vortrag gab es noch einen Tee zum Besten der 
notleidenden Kinder. Vor dem Harnackhaus standen die Autos in 
langer Reihe. 8. Lraeauer. 
los in die Höhe, Klaviere, deren Politur abgeschabt ist, verlieren 
durch die Konfrontation mit den kahlen Hausfaffaden den letzten 
inneren Halt, und die Fruchtkränze am Nachtkästchen, die hold 
selig sein sollen, lächeln blöd und verwirrt. Leerer Schmuck einer 
endgültig abgelaufenen Zeit: hier, an der Schwelle seines kommen 
den Bestimmungsortes, wird er ohne Erbarmen entzaubert. 
Ob die Stuhlbeine, die Platten, die Füllungen und Säulchen 
je wieder zu richtigen Möbeln gedeihen? Sie ziehen in Zimmer 
ein, die kleiner sind als die Preisgegebenen, und gleich über ihnen 
beginnt schon die Decke. Ich fürchte, daß sie fortan mit den 
Quadratzentimetern genau so rechnen müssen wie ihre Besitzer 
mit den Pfennigen, und die Zeit des Glanzes unwiderruflich für 
sie dahin ist. Z. Lraeauer. 
Berlin, 1. Oktober. 
Am heutigen Lag hat in Berlin eine wahre Völkerwanderung 
der Möbel eingesetzt, es ist, als führen sie ins Weekend hinaus. 
Vor allem in den Großwohnungen des Westens und in den 
Grunewaldvillen hat sie die Unruhe gepackt. Dort standen sie lange 
Jahre so sicher, als seien sie mit den Zimmerfluchten und Dielen 
verwachsen und rührten sich nicht. Jetzt aber sind sie, durch die 
Krise aufgescheucht- zu richtigen Wandermöbeln geworden, in denen 
allerdings nicht der Frühling juckt, sondern der Herbst. 
Zur Bewältigung ihres Ansturms hat man wie in den Tagen 
der Mobilmachung sämtliche 'Verkehrswerkzeuge requiriert, die es 
nur irgend gibt. Ich schweige von den großen Möbelwagen, die 
gestern abend schon leer und düster in vielen Straßen standen und 
das Signal des Aufbruchs erwarteten. Sie sind zwar geräumig, 
aber sie reichen für die zehntausend Einrichtungen nicht aus, die 
mit einem Schlag ihre heimische Scholle verlassen. So ist denn die 
ganze rollende Reserve angerückt, eine Ersatzarmee auf Rädern, 
die noch die ältesten Jahrgänge von Lieferwagen, Kohlenfuhr- 
werken und Gemüsekarren umfaßt. 
Geduldig harren sie vor den offenen Haustüren und lassen 
sich übermäßig beladen. Stück für Stück wird der Hausrat heraus 
geschleppt, ein Prozeß der Ablösung, der äußerst schmerzlich sein 
muß. Da hat das Büfett seit unvordenklicher Zeit neben dem 
Diwan gestanden und findet sich nun auf einmal mutterseelen 
allein in einer ungewohnten Umgebung. Schutzlos dem Tageslicht 
preisgegeben, gerät es in die gemischte Gesellschaft der Küchen- 
schränke und Betten, die es kaum von Ansehen her kennt. Kräftige 
Seile umschnüren die ausgehobene Herrlichkeit, und dann be 
wegen sich die Vehikel, von pensionierten Schlachtrössern gezogen, 
ächzend der ungewissen Zukunft entgegen. Hinter ihnen aber 
wehen in verlassenen Zimmern, die vielleicht nie wieder bewohnt 
werden, Tapetenfetzen wie Trauerfahnen von den Wänden herab. 
Nach stundenlanger Fahrt treffen die Möbel endlich am Ziel 
der Wanderung ein. Weit draußen in einer- Vorortstraße bleibt 
ihr Beförderungsmittel mit einem Ruck stehen, und da nichts 
weiter erfolgt, kampieren sie einstweilen im Freien. Sie warten, 
und während des Wartens angesichts der neuen Behausung ent 
hüllen sich alle ihre Gebrechen. Das sind keine Möbel mehr, das 
ist altes Sack und Pack. Gedrechselte Säulchen schrauben sich sinn 
Berlin, Ende September. 
Studenten diskutieren. 
Vor einigen Tagen diskutierten zwei Studenten im Ber 
liner Rundfunk unter Leitung von Pros. Otto Hoetzsch 
über die aktuelle Frage der Arbeitsdienstpflicht. „Es wird wertvoll 
sein", so stand in der Progvammnotiz, ,Mch die studentischen Auf 
fassungen über das Problem kennen zu lernen". Nun, man erfuhr 
weniger die studentischen Auffassungen, die es vielleicht gar nicht 
gibt, als die Standpunkte der Parteien, denen die beiden Sprecher 
angehören. Der eine ist Fungdomann, der andere Sozialdemokrat, 
und den bekannten Parteiprogrammen entsprachen denn auch die 
bekannten Argumente, mit denen sie sich bekämpften. Nachdem sie 
sich über die Ablehnung jedes Zwanges einE geworden waren, er 
wogen sie zunächst konkret das Für und Wider; wobei der Jung 
deutsche den Siedlungsgedanken verteidigte, während sein Gesprächs 
partner die Partei seiner Partei ergriff und die Verwirklichung der 
Gewerkschaftsforderungen (40 Stundenwoche und 9. Schuljahr) 
empfahl. Der Dialog schraubte sich, wie es in Deutschland meistens 
geschieht, zu weltanschaulichen Höhen empor, und am Ende stand 
der Idee eines auf Selbstverwaltung gegründeten Volksstaates die 
der sozialistischen Planwirtschaft gegenüber. Doch es handelt sich 
hier nicht um die Auseinandersetzung mit den politischen Zielen, 
sondern um die Veranstaltung selber. Sie war insofern gelungen, 
als man nicht den Eindruck hatte, daß die Debatte nach einem ge 
nau ausgearbeiteten Manuskript verlaufe. Die Unterhaltung wurde 
gewissermaßen frisch vom Faß verzapft und vollzog sich so spotan, 
als seien nicht einmal unsichtbare Hörer zugegen. Wahrscheinlich 
sind überhaupt diese studentischen Rundfunkdiskussionen für die 
Redner wichtiger als für das Publikum. Die Studenten werden 
durch den begrenzten Termin Zur Schlagfertigkeit erzogen und 
schulen sich in der halben Oeffentlichkeit des Rundfunkraums für 
die ganze. Der einigermaßen kundige Hörer lernt zwar aus solchen 
Gesprächen nicht viel hinzu, überzeugt sich aber gerne wieder einmal 
davon, daß die Weitergabe des Wissens reibungslos funktioniert 
und Verstand und Unverstand so bald nicht aussterben werden. 
Einstein plaudert über Physik. 
Im Harnackhaus fand zum Besten notleidender Kinder eine 
Veranstaltung des Vereins Jugendheim Charlottenburg statt, die 
wahrscheinlich nicht so sehr der Kinder als des Redners wegen 
sehr gut besucht war. Mädchen und nochmals Mädchen, viele 
Außerhakö der MmverstM
	        

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Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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