DLA Viewer Logo Full screen
  • First image
  • Previous image
  • Next image
  • Last image
  • Show double pages
Use the mouse to select the image area you want to share.
Please select which information should be copied to the clipboard by clicking on the link:
  • Link to the viewer page with highlighted frame
  • Link to IIIF image fragment

H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Access restriction


Copyright

The copyright and related rights status of this record has not been evaluated or is not clear. Please refer to the organization that has made the Item available for more information.

Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

daß 
letzte, äußerste Größe setzt? 
nisten, Werteinsichten und politischen Ueberlegungen 
Handelns. Der marxistische Theoretiker Lenin hat 
zu erstreben wäre, 
-als Folge eines von 
Zweck politischer Aktivierung 
steckt der eigentliche Kon 
Buchs. Denn wie könnte 
sondern 
Erkennt- 
gelenkten 
den Ar^ 
Italien 
Schauweise, der er sich wie selbstverstän' -b einfügt, geht er 
sichtlich auf Spengler zurück. Ja, Speu^ hat bei diesem 
Buch Pate gestanden; bis in die Sprache hinein, die kriegerisch 
tut, über alle möglichen Dinge diktatorisch verfügt und manch 
mal an Tagesbefehle gemahnt. Man brauchte auf diese Be 
Ziehung weiter kein Gewicht zu legen, stimmte Jünger nichts 
mit Spengler in einem entscheidenden Punkt überein: darin 
nämlich, daß er die Gestalt met ap h h sizi ert. „Eine 
Gestalt ist, und keine Entwicklung vermehä oder vermindert 
sie . , . Die Geschichte bringt keine Gestalten hervor, sondern 
sie ändert sich mit der Gestalt... Ebenso wie die Gestalt jem 
seits des Willens und jenseits der Entwicklung zu suchen ist, 
steht sie auch jenseits der Werte; sie besitzt keine Qualität." 
Satze von Jünger.» Ihr Inhalt entspricht durchaus dem 
kontemplativen Gestaltbegriff Spenglers. Nur daß dieser ihn, 
in seinem Hauptwerk wenigstens, vorwiegend auf die gewor 
denen, abgelaufenen Kulturen anwendet, die man tatsächlich 
verwirklicht werden, 
gebraucht. Hier, genau hier 
struktionsfehler des 
je eine Gestalt dadurch 
man sie von vornherein als 
Sie ist nicht etwas, das 
ergibt sich allenfalls hinterher 
beiterstaat der Sowjetunion geschaffen, und das 
Mussolinis ist gewiß nicht aus irgendeiner Gestaltschau ent- 
mit einigem Recht so auffassen wag, als seien sie die Dar 
stellung irgend einer nicht ableitbaren Gestalt; während Junger 
denselben Gestaltbegriff Zum 
Gegenteil über alle ständischen Ansprüche hinaus..Das 
heißt, Jünger entreißt das Wort Arbeiter seiner gewohnten 
Umgebung und verleiht es den eigenen Konstruktionen ein. 
Ein Begriffsraub, der ihm durch die Tatsachen selber ge 
boten zu sein scheint. Denn überall in unserer Zeit sind, wie 
er meint, Anzeichen sichtbar, die auf die kommende Herrschaft 
eines Typus hindeuten, der unter liberalen oder marxistischen 
Begriffen nicht mehr Zu fassen ist. Dieser Typus, der sich schon 
heute durchsetzt, gilt hier aber darum als der des „Arbeiters", 
weil ihm Arbeit nicht „Tätigkeit schlechthin" ist, „sondern der 
Ausdruck eines besonderen Seins, das seinen Raum, seine 
Zeit, seine Gesetzmäßigkeit Zu erfüllen sucht". Er lebt, den 
Gegensatz Zwischen dem Individuum und der Masse auf 
hebend, in den „organischen Konstruktionen" der Aufmärsche, 
der Ärger, der Gefolgschaften; er Zieht dem Zustand einer 
Freiheit, mit der er nichts anfangen kann, einen Zustand vor, 
in dem Freiheit und Gehorsam Zusammenfallen; er schließt 
das Elementare nicht aus, das (nach Jünger) durch den 
Idealismus und Materialismus außer Kurs gesetzt wird, 
verkörpert vielmehr einen „heroischen Realismus". Verzicht 
auf Individualität, Maskenhaftigkeit, soldatisches Wesen, Be 
reitschaft zum Trauring jeder Art, Freude an der gemein 
samen Arbeitstracht usw.: das wären einige Merkmale, an 
denen man ihn erkennt. Im übrigen ist der Kintopp mehr sein 
Fall als das Theater, literarische Fragestellungen bedeuten 
ihm nichts, und von den zeitgenössischen Presseerzeugnissen 
interessieren ihn am meisten Photos und dokumentarische 
Berichte. 
Aus den in der Gegenwart Vorgefundenen Ansätzen ent 
wickelt nun Jünger die Welt, die der von ihm charakterisierte 
Typus zu verwirklichen strebt. Ihrer ganzen Beschaffenheit 
nach drängt die Gestalt des Arbeiters darauf hin, die liberale 
Gesellschaftsdemokratie durch die Arbeits- oder Staatsdemo 
kratie zu ersetzen und den Uebergang von der heutigen „Werk- 
stättenlandschaft", in der noch anarchisch und zusammenhangs- 
kos experimentiert wird, Zur „Planlandschaft" zu vollziehen. 
Rußland und auch Italien sind wohl die vagen Muster dieses 
Zukunftsreiches. In ihm verwandelt sich die Technik aus einem 
seine Gebraucher mißbrauchenden Instrument Ziellosen Fort 
schritts in ein Instrument planmäßiger Herrschaft. Sie erfüllt 
überhaupt erst dann die ihr zubestimmte Funktion, wenn sie 
nicht wie heute noch teilweise dem individuellen Belieben dient, 
sondern „ein Mittel zur Mobilisierung der Welt durch die Ge 
stalt des Arbeiters" wird Das ferne Ziel, auf das Jünger 
schaut, ist die Planetarische Planung, die eines Tages die 
emzelstaatlichen Planungen ablösen mag. Je mehr wir auf 
einem durch furchtbare Kriege und elementare Ausbrüche ge 
kennzeichneten Wege in die „Planlandschaften" einrücken, desto 
reiner wird sich die Gestalt des Arbeiters enthüllen. Bis sie, 
im vorgeahnten Endzustand, den gesamten Lebensstil bestimmt 
und kultische Bedeutung erlangt. 
Soweit die Konstruktion Jüngers. Verschiedene Parteien 
täten gut daran, sich mit ihr zu befassen, nimmt sie doch ihren 
Ausgang von der Realität eines großen Teils unserer 
Jugend. Diese Jugend .— vor allem die norddeutsche — 
ist in der Tat so,' wie Jünger sie schildert. Sie hat 
eine besondere Beziehung zur Technik, ist dem bürger 
lichen Milieu entglitten, ohne doch im spezifischen Sinne 
proletarisch sein zu wollen, und hegt Wunschträume, in 
denen das Nationale mit einer vagen Vorstellung von 
planmäßiger Wirtschaft verschmilzt. Stark ausgeprägt ist 
auch ihr Hang zu festen Zusammenschlüssen militärischer oder 
mehr Lündischer Art, die den einzelnen von der jetzt nicht ver 
wertbaren individuellen Freiheit befreien und ihm die Chance 
totaler Eingliederung eröffnen. Vorhanden ist nicht zuletzt die 
Lust am Elementaren und die Gegnerschaft gegen den Geist 
oder was man sich darunter denkt; aber mag selbst der Liberale 
pder der Marxist, der mit teuflischen Zügen an die Wand ge ¬ 
malt wird, völlig verzeichnet sein, so dient sein Zerrbild 
darum doch nicht minder der Bekräftigung eines greifbaren, 
sehr wirklichen Daseins. Diese Jugend, deren Existenz ja nur 
unsere allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse 
widerspiegelt, ist bisher gerade von den politischen Willens 
mächten kaum beachtet worden, gegen die sie sich wendet. So 
geht es nicht fort. Man wird das politische Vokabularium 
erweitern und sich mit ihr auseinandersetzen müssen. 
Denn, wie auch die Konzeption Jüngers beweist: die 
Kräfte der hier gemeinten Jugend wissen sich in der politischen 
Sphäre nicht zu entfalten und werden immer wieder in eine un 
mögliche Richtung gedrängt. Der Hauptbegriff, mit dem Jünger 
operiert, ist die Gestalt. Unzählige Male heißt es, daß die 
„Gestalt des Arbeiters" realisiert werden solle, und schon die 
Nennung dieses Begriffs genügt seinem Benutzer beinahe, um 
das liberale oder marxistische Denken zu verfemen. Die Ge 
stalt ist alles; sie erschließt eine Dimension, in der sämtliche 
von Jünger einfach dem^lü. Jahrhundert zugeordnetsn Be 
griffe und Verhaltungswersen hinfällig werden. Kein Gedanke 
daran, daß er sich etwa ernsthaft mit dem Prinzip des Fort 
schritts und der Klassenkampf-Theorie beschäftigt; er glaubt 
solche Prägungen vielmehr durch den schlichten Hinweis auf 
Aue neue GchaM tilgen zu können. 
Es wird also notwendig sein, den von Jünger so belasteten 
Begriff der Gestalt näher zu untersuchen. Die Denk- oder ^ 
standen. In der ganzen Geschichte existiert keine „Gestalt", die 
als Gestalt dem Blick vorgeschwebt hätte, und statt das Prinzip 
der Prinzipien zu sein, ist sie viel eher die Erdenspur großer 
Prinzipien. Indem Jünger die „Gestalt des Arbeiters" ver 
goßt, schlägt er daher auch nicht, um in einer ihm gemäßen 
Sprache zu reden, die feindlichen Begriffsheere in die Flucht, 
sondern hebt sich von ihnen ab und entweicht ins Imaginäre. 
Er stellt sich gar nicht den politisch wirksamen Lehren, die er 
bekämpft; er erklärt sie von einer Dimension aus für nichtig, 
die keine politische Realität hat. Sein Buch erhebt den An 
spruch, ein Ziel zu weisen und politisch aktiv zu sein; es be 
trachtet faktisch das Werdende aus der Scheinperspektive des 
Gewordenen und verhält sich ästhetisch-kontemplativ. 
Kurzum, die Schau Jüngers ist alles andere eher als eine 
politische Konstruktion. Ich sehe davon ab, das Sein zu kenn 
zeichnen, dem sie entstammt. Es ist so geartet, daß es sich kultisch 
äußern möchte, ohne die Frage nach dem Sinn des Kults zu- 
zulassen, und sich Zu unausgegorenen Behauptungen wie diesen 
versteigt, man könne „bereits heute inmitten der Zuschauerringe 
eines Lichtspieles oder eines Motorrennens eine tiefere Fröm 
migkeit ... beobachten...als man sie unter den Kanzeln und 
vor den Altären noch wahrzunehmen vermag". Wesentlicher 
als die Betrachtung dieses dumpfen und schwierigen Seins 
scheint mir hier der Nachweis zu sein, daß ihm die politische 
Selbstdarstellung gründlich mißlungen ist. Wahrhaftig, Jüngers 
Buch enthält Widersprüche, die sogar eine Gestalt sprengen 
müssen. Auf der einen Seite wird die Wendung zum Elemen 
taren vollzogen und das Schlachtfeld als „der spezielle Fall 
eines totalen Raumes" vor Augen geführt; auf der anderen 
Seite wird der Eintritt in „Planlandschaften" angestrebb 
Merkt Jünger nicht, daß die Tätigkeit des Planem den Ein 
satz einer Vernunft verlangt, die das Elementare zwar nicht 
auszulöschen, aber doch zu übergreifen und zu beherrschen hat? 
Ohne diese Vernunft entscheidend einZukalkulieren, vereint 
er naiv Tendenzen, die einander entgegengesetzt sind. Der 
gleichen mag metaphysisch sein; politisch praktizieren läßt es 
sich nicht. Und um einer derartigen politisch undurchkonstru- 
Lerbaren Gestaltschau willen soll der Begriff des Arbeiters mit 
allen seinen Wurzeln aus dem Boden gerissen werden, in dem 
er noch immer haftet? Eine Verpflanzung, die am Ende auch 
vom Standpunkt Jüngers aus sehr bedenklich wäre. Denn da 
Jünger nicht anders als die Arbeiterparteien die Ablösung 
der kapitalistischen Privatwirtschaft im Sinn hat, handelt er 
seinen Interessen entgegen, wenn er durch die Ausweitung des 
Wortes Arbeiter zu einem politisch unverbindlichen Begriff 
diese Parteien Zu schwächen sucht. Oder meint Jünger, daß die 
„Arbeitsdemokratie" uns gewissermaßen von selber Zuwachse? 
Ich weiß nicht recht, was er meint und was er will. Er 
lehnt hier die Restauration ab und tut dort nichts, um ihr 
Kommen zu hindern. Er befürwortet die Planung und wider 
strebt ihr haltungsmäßig zugleich. Diese Gestaltschau eröffne! 
nicht so sehr einen Weg in die Politik als eine Fluchtwöglich- 
keit aus ihr heraus- Sie ist zweifellos bis zu einem hohen. 
Grad nichts weiter als der ideologische Ausdruck gewisser 
Schichten, die im Interesse ihrer sozialen Behauptung der 
Illusion bedürfen. 
Und doch wird der von Jünger angesprochene und ver 
tretene Typus früher oder später zur wirklichen Politik durch 
dringen müssen. An zwei Bedingungen ist die Fruchtbarkeit 
dieser Begegnung geknüpft. Die eine: daß die Jugend, deren 
Wortführer Jünger ist, sich nicht über politische Kräfte wie 
den Marxismus oder den Liberalismus hinwegsetzt, um 
schließlich im Leeren leer dazustehen, sondern die Tuchfühlung 
mit ihnen aufnimmt, die sie allein zur politischen Realisierung 
befähigt. Die andere: daß jene politischen Mächte, auf die es 
ankommt, die in dieser Jugend investierte Substanz An fassen 
ernen.
	        

Hinweis zum Volltext

Die OCR-Ergebnisse sind experimentell.

Cite and reuse

Cite and reuse

Here you will find download options and citation links to the record and current image.

Manuscript

METS MARC XML Dublin Core RIS Mirador ALTO TEI Full text DFG-Viewer OPAC
TOC

Image

PDF ALTO TEI Full text Mirador
Download

Image fragment

Link to the viewer page with highlighted frame Link to IIIF image fragment

Citation links

Citation links

Manuscript

To quote this record the following variants are available:
Here you can copy a Goobi viewer own URL:

Image

To quote this image the following variants are available:
Here you can copy a Goobi viewer own URL:

Citation recommendation

Please check the citation before using it.

Image manipulation tools

Tools not available

Share image region

Use the mouse to select the image area you want to share.
Please select which information should be copied to the clipboard by clicking on the link:
  • Link to the viewer page with highlighted frame
  • Link to IIIF image fragment

Contact

Have you found an error? Do you have any suggestions for making our service even better or any other questions about this page? Please write to us and we'll make sure we get back to you.

What is the fifth month of the year?:

I hereby confirm the use of my personal data within the context of the enquiry made.