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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

/ 7' AH 
Berlin, im Oktober. 
Amerikanisches Volksstück. 
„Der Champ": ein hinreißender Reißer. Erzählt wird in 
ihm die Geschichte eines von seiner Frau verlassenen Exboxmeisters, 
der mit seinem Jungen zusammenlebt. Er säuft und spielt, weil 
er sich über seinen Abstieg grämt, er ist eine Vagabundennatur, 
die sich nicht mehr retten kann. Sein einziges Glück ist der kleine 
Sohn, der ihm Kamerad, Freund und Mutter bedeutet. Tatsäch 
lich begleitet Dick, dieser winzige Kerl, den Champ auf allen 
Wegen und Abwegen, bringt ihn zu Hause ins Bett und sucht 
ihn vor jeder Gefahr zu behüten. Obwohl er noch ein Kind ist, 
hat er durch sein Schicksal doch schon die Erfahrung und Weis 
heit des Alters erlangt. Ich könnte mich nicht entsinnen, daß schon 
einmal eine solche Vater-Sohn-Beziehung dargestellt worden wäre. 
Sie ist merkwürdig und rührend und endet erst mit dem Tod des 
Champ, der aus Liebe zu Dick wieder einen Boxkampf wagt, in 
dem -er siegt und zusammenbricht. 
Ein Hinreißender Reißer- bis auf das letzte (leicht zu streichende) 
Finale, dessen hundertprozentige Sentimentalität die Tränendrüsen 
allzu schrill, allzu amerikanisch alarmiert. Aber was schadet dieser 
feuchte Endspurt in einem trockenen Lande? Er vermag die 
DuW des Films nicht zu beeinträchtigen, sie, die so 
Dmentar ist, daß sie sich trotz der leidigen Verdeutschung unge 
brochen behauptet. Welch ein Schauspieler ist aber auch Wallace 
B eeryl Man erfährt, daß das Schicksal des Boxers ungefähr 
sein eigenes gewesen sein soll. Gleichviel, ob dieser Umstand die 
Echtheit der von ihm geschaffenen Gestalt vertieft hat: der Champ, 
den er auf die Beine stellt, ist ein völlig dreidimensionales, märchen 
haft wirkliches Wesen. Ihm eignet die Gutmütigkeit der Stärke, 
der nicht zu bändigende Freiheitssinn, die Scham über sein Elend, 
die große Naivität^ er der Spiel ¬ 
leidenschaft verfällt, wie er angibt und renommiert und dann wieder 
ganz klein wird, wie er aus Verzweiflung mit den Fäusten gegen 
die Zellenwand hämmert. Das ist nicht eine erfundene, aus- 
getüftelte Figur, das ist ein leibhaftiger, prächtiger Mensch,, dessen 
ungeteilte Existenz noch in der kleinsten Aeußerung steckt. Und 
Jackis Cooper! War der andere Jackie (im „Kid" z. B.) ein 
herziges Kunstbübchen, so ist dieser ein wahres Naturgeschöpf. 
Woher der Junge das Spielen hat? Als sei er selber der Dick des 
Films, so unbefangen und bis auf den Millimeter richtig führt er 
die Rolle durch. Er ist schnöd, besorgt, lausbubenhaft, kindlich, 
erwachsender beherrscht sede von ihm verlangte Nuance. Seinen 
Weinkrampf an der Leiche des Vaters wird man nicht mehr 
vergessen. 
Die nie verblassende Ausdrucksgewalt dieses geschundenen 
ünd sonderbaren Paares ist nicht zuletzt der unvergleichlichen 
Regiekunst Kina Vidors zu danken. Er hat wie kaum ein 
gcment Gerhard Lamprechts und einige wundersckone Bilder lobev 
aber im Grund kommt es in einem solchen Fall auf die bestes 
oder schlechtere Mache gar nicht an. Die Hauptsache ist vielmebr 
der Stoff selber. Und alles ist in bester Ordnung, wenn I 
Paraden imd dergleichen jenc Tendenzen ausbreiten hilft die man 
kennt. 
Nur anhangsweise erwähne ich noch, daß dis Uraufführung! 
nicht nur stark beklatscht, sondern auch durch die Anwesenheit des! 
Kronprinzenpaares ausgezeichnet wurde. Vielleicht hing das eine 
mit dem anderen zusammen. Nach der Premiere staute sich die 
Menge vor den Portalen des Ufa-Palastes und wartete gespanm 
! und geduldig. Als dann der Exkronprinz endlich erschien, schrie 
man ihm Hoch Zu und ließ sich von seinem Lächeln besonnen. 
Nicht alle freilich zogen die Hüte. Und manch einer glaubte wahr 
scheinlich, daß sich der Film jetzt einfach im Freien fortsetze, und 
verglich unwillkürlich die auf der Straße gespielte historische Szene 
mit anderen, inzwischen offenbar längst vergessenen Szenen aus 
dem Weltkrieg, der Revolution usw., die jeder den Schatzkammern 
der Geschichte entnehmen kann. 
Deutsche Plastik. 
Zum Schluß mochte ich auf den schönen Kulturfilm der Uni 
versal: „Die steinernen Wunder von Na um bürg" 
aufmerksam machen. C. Oerte! und R. Bamberger schlagen in 
ihm einen neuen Weg ein. Sie wählen nicht Gegenstände, die in 
Bewegung befindlich sind, sondern suchen umgekehrt ruhende j 
Dinge durch die bewegte Kamera zu erschließen. Dieser Versuch 
zeitigt ein wunderbares Ergebnis. Indem nämlich der Blick im 
Film so gelenkt wird, daß er die Gestalten und Gruppen immer 
wieder auf anderen, geschickt ausgesuchten Wegen umfahren muß, 
beginnt allmählich der Figurenreichtum zu leben. Die Stifter 
werden zu handelnden Personen, die Abendmahlszene etwa tritt 
förmlich aus dem Stein heraus, und alle Kompositionen verwan 
deln sich in Gebilde, deren Wirklichkeitsnahe erregt. Es fehlte nicht 
viel, und sie wandelten wie erweckte Schläfer umher. 
8. LrLSLuer. 
Jene Mine. 
Berlin, im Oktober. 
Geschichte eines Groß st adthauses. 
Der Film: „Mädchen in Uniform", die erste Kollektiv 
arbeit der Froelich-Film-Gesellschaft, ist ein so ungeheurer Er 
folg gewesen, daß es schwer gewesen sein muß, das mit diesem Film 
begonnene Werk fortzusetzen und auszubauen. Welchen Stoss 
wählen, ohne m die übliche Bahn abzugleiten un-d zu enttäuschen? 
Man hat sich für das Hörspiel: „Mieter Schulze gegen 
Alle" von Auditor entschieden, einem Pseudonym, hinter dem 
sich mehrere Frankfurter Juristen verbergen sollen. 
Dieses Stück bietet in der Tat einer Spielgvuppe wichtige Vor 
teile. Es enthält eine Menge von Personen, deren keine eine be 
sondere Bedeutung beanspruchen kann, und legt den Hauptakzent 
auf die Zustandsschilderung. Alle Menschen sind hier Helden, oder 
richtiger: das Gegenteil von Helden, und alle leben sie unter den 
gleichen Bedingungen, von denen sie fühlbar geprägt werden. Sie 
sind Kleinbürger und bewohnen eine Mietskaserne, in der sie so 
dichtgedrängt Hausen, daß sie einander ständig auf die Fersen 
treten. Was geschieht, was muß in einem solchen Falle geschehen? 
Die Klatschsucht feiert ihre heimlichen Siege, die jedesmal öffent 
lich ausposaunt werden, ein Wort gibt und hetzt das andere, und 
das Produkt sind Streitigkeiten, deren Ursache ein Nichts und 
deren Folge eine Kette von Beleidigungsklagen ist. Wie von selber 
gebiert der Urschlamm des Mietshauses solche Prozesse. Sie füllen 
Aktenberge, ohne sie wirklich zu füllen, kosten ein Geld, das sie 
nicht wert sind, und beschwören über die Beteiligten und die Nicht- 
Leteiligten Unheil herauf. Mit dem Ausweis dieses Milieus ver 
bindet das Verfasser-Kollektiv auch die moralische Absicht, das 
Laster der Krakeelsucht zu bekämpfen und die Michael-Kohlhaas- 
Naturen vor sachlich unbegründeten Katastrophen zu bewahren.! 
Sprachrohr der Tendenz ist der geplagte Richter, der am Schluß 
den wildgewordenen Parteien ins Gemüt redet und Lurch einen 
Vergleich dem ganzen Unfug ein Ende macht. 
Carl Froelich hat die Typen, die Zimmereinrichtungen und! 
die verschiedenen Situationen mit Liebe auZgemalt. Er stellt ein 
filmisches Mosaik zusammen, das sich sehen lassen kann, und ver 
anschaulicht vor allem die Atmosphäre trüben Geschwätzes. Wenn 
die Beschreibungen dennoch nicht besonders fesselnd geraten sind, 
so rührt das unzweifelhaft daher, daß hier der Kleinbürgermuff 
auf kleinbürgerliche Art festgehalten ist. Liegt es an der Text 
vorlage oder an der Verfilmung: die Mietshaus-Szenerie ist zwar 
beobachtet, aber nicht durchdrungen. Es fehlt der Blick Hinter die 
Kulissen des Alltags, jener Blich der zu Photographischen Einstel- 
lungen führt, die das Gewohnte in ungewohntem Lichts zeigen 
und es damit zugleich deuten. Dis üblichen Dinge werden, im 
Gegenteil, so konventionell wiedergegeben, wie sie sich gemeinhin 
Zeigen, und kaum je fällt auf den Wirrwarr ein Strahl aus einer 
anderen Welt. Auch der Richter gehört noch zu dieser. 
Ernst Karchow macht ihn zu einer Figur, der man anmerkt, 
daß unter der Decke strenger formaler Sachlichkeit sympathische 
Gefühle sich regen. Der Mieter Schulze Paul Kemps ist nicht so 
sehr eins einheitlich durchkomponierte Gestalt, als eine Erscheinung, 
die in einzelnen Episoden erglänzt. Die mondäne Jda Wüst, dre 
hier allerdings nicht am Platz wäre, ziehe ich für meinen Teil 
der mütterlichen weit vor. Mit Ohrringen, dicker Halskette und 
einem impertinenten Lachen ausgestattet, fegt Drude Hesterberg 
als Metzgermeistersgattin durch das Stück. 
- Husarenstreiche. 
Aus den Schatzkammern der Geschichte hat die Ufa eine Epi 
sode hervorgekramt, die zwar so klein ist, daß man sie kaum sieht, 
aber dafür Zur Zeit der Franzosenherrschaft spielt. Im Jahre 1812. 
, Ein schwarzer Husar mit dem Totenkopf am Tschako erhält vom 
Herzog von Vraunschweig den Auftrag, ihm die Braut wiederzu- 
bringen, die von Napoleon für einen anderen Mann beschlagnahmt 
worden ist. Natürlich gelingt der tollkühne Husarenstreich Und die 
Freude über ihn wird noch dadurch erhöht, daß die aus den 
Franzosenhänden befreite Braut sich vom Herzog abwendet, um 
fortan ihrem Husaren anzugehören. 
Mag sich die Geschichte in der Wirklichkeit auch weniger sinn 
reich Zugetragen haben, im Film: „Der schwarze Husar" 
spielt sie sich jedenfalls Zwangsläufig so ab. Denn der schwarze 
Husar mit dem Totenkopf am Tschako ist kein anderer als Kon 
rad Veidt, der doppelt verführerisch wirkt, wenn er in einer Uni 
form, die ihn womöglich noch schlanker macht, verwegene Attacken 
reitet. Wie sollte Mady Christians ihm widerstehen können? Außer 
dem Anblick dieser beiden werden uns zum Ueberfluß einige kriege 
rische Plänkeleien, der komische französische Gouverneur Wallburgs i 
und bedeutende militärische Schauspiele geboten. Das Ganze klingt 
in die übliche pompöse Schlußapotheose aus, die diesmal dem Aus 
Zug der Regimenter in den Befreiungskrieg gilt. 
Wie unschwer zu merken ist, handelt es sich hier wieder einmal 
um eine Mischung heute bewährter Effekte. Man könnte das Arran-
	        

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