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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

j^r^L) -S^L. 
Auf der Leinwand: 
Berlin, im November. 
Harold Llohds neuer Tonfilm: „F i l m v e r r ü ck L", der 
jetzt in deutscher Fassung gezeigt wird, ist von einer so drastischen 
Komik, daß man aus dem Lachen nicht herauskommt. Nur ein 
Beispiel von Zahllosen: ein Kücken ist in ein Kanalisationsrohr 
gefallen und Lloyd schafft es dadurch wieder nach oben, daß er 
Wasser ins Rohr fließen läßt Munter erscheint das Kücken auf dem 
Wasserspiegel im Tageslicht. Der Film hat eine geschlossene Hand 
lung, die darin besteht, daß Harold als Filmenthusiast nach Holly 
wood reist, dort wider Willen lauter Unheil anrichtet und schließ 
lich zu seiner eigenen Ueberraschung doch noch den ursprünglich 
ersehnten Kontrakt erhält. Natürlich ist diese einheitlich durchge 
führte Handlung nur der oft kaum sichtbare Rahmen für eine Fülle 
von Improvisationen. Ihrer Zwei sind in sich zusammenhängende 
Einfallsketten. Die eine entspringt einer Verwechslung. Harold 
tauscht bei einer Gesellschaft seinen Frack für den eines Zauberers 
ein. aus dem dann beim Essen und Tanzen eine Menge ungeahnter 
Dinge hervorbrechen. Weiße Mäuse machen sich selbständig, eine 
Taube fliegt durch die Luft des Saales und die Knopflochblume 
verspritzt in den unpassendsten Augenblicken Wasser. Die andere 
Improvisation-reihe vermischt Sein und Schein. Während einer 
gigantischen Aufnahme im Filmatelier stürzt sich Harold auf den 
gerade agierenden Darsteller, der im Privatleben sein Nebenbuhler 
ist, und ein äußerst roher Kampf hebt an, den der Zufällig vorbei 
kommende Filmdirektor für die Haupt- und Staatsaktion eines 
eben in Arbeit befindlichen komischen Films hält. Er kann gar 
nicht aufhören zu lachen. Und obwohl er später über seinen Irrtum 
aufgeklärt wird, engagiert er doch Harold mit der Begründung, 
daß er ihn eben zum Lachen gebracht habe. In der Tat versteht 
sich Harold Lloyd auf diese Kunst wie nur wenige und hat sie im 
neuen Film so weitergebildet, daß ste die Form der bloßen Gro 
teske schon manchmal sprengt An seinen Höhepunkten nimmt der 
Film märchenhafte Züge an. Der Held wird dann zum Tolpatsch, 
und der Tolpatsch zum Hans im Glück. Die Situationskomik aller 
dings bleibt Zum großen Teil auf der Strecke zurück. Während 
bei Chaplin etwa irgendeine Verwechslung stets einen Hinweis aus 
die Unordnung in der menschlichen Gesellschaft enthält, ist ste ber 
Lloyd immer nur eine Verwechslung. 
Der Ufa-Film: „Der weiße Dämon", den die Zensur 
aus unbekannten Gründen verboten hatte, ist jetzt doch freigegeben 
worden. Offenbar erst nach Strichen; denn hier und da ist eine 
Lücke zu spüren, in der etwas gesteckt haben muß, was man aber 
nicht allzu sehr vermißt. Wenn es allein auf die Spannung an- 
käme, wäre dieser Film schlechthin vollkommen. Er stellt die Jagd 
auf eine Bande skrupelloser Rauschgift-Händler dar, ber 
deren Verfolgung noch dazu eine Sensation die andere jagt. Das 
fängt im Ozeanriesen an und hört im Wasserflugzeug auf. Da 
zwischen liegen Stationen wie die Kulissen eines Varietetheaters, 
eine Hamburger Hafenkneipe, kD-Züge in voller Fahrt, der Dach 
garten des Pariser Hotels Grillon und Lissabonner MiSeus. Mehr 
Schauplätze in anderthalb Stunden hineinzupacken, ist einfach nichr 
möglich. Hinzu kommen die Aufregungen der Fabel selber und 
das Tempo, in dem sie sich abwickelt. Ueber Verhaftungen, die 
nicht ausgeführt werden können, Attentate, die scheinbar glücken, 
Grammophon-Verabredungen, Revolverschüsse und andere Zwi- 
schenfälle geht es unaufhaltsam weiter bis zur Erledigung der 
Bande und der Entdeckung ihres geheimnisvollen Chefs. Die Lüf 
tung seines Inkognitos ergibt eine Schlußpointe, die dem gewieg 
testen Detektivromanautor Ehre gemacht hätte. Kurzum, der Film 
hält die Zuschauer in Atem, und da er keinen höheren Ehrgeiz als 
diesen kennt, darf man mit ihm zufrieden sein. Umsomehr, als er 
von Kurt Gerron schmissig und mit großem Aufwand arrangier: 
worden ist. Die Schiffsszenen zu Beginn sind unterhaltend, die 
Effekte der einzelnen Auftritte klar aufgebaut und die Bilder sorg 
fältig ausgewählt. Wer anders als Hans Albers könnte der 
Held sein, der den Augiasstall reinigt? Er begibt sich in tausend 
Gefahren, um ihnen immer sieghafter zu entsteigen, und ist von 
Anfang bis zu Ende ein einziger Glanz. Dennoch wirkt er sym 
pathischer als in früheren Filmen, weil er in diesem nicht nur 
auftrumpfen muß, sondern auch ab und Zu hilflos sein darf. 
Schade, daß er nicht häufiger die Gelegenheit erhält, sich in den 
gemäßigten Zonen zu tummeln. Zu den Hauptstützen des En 
sembles gehören Gerda Maurus, die das Laster der Rauschgiftsucht 
verkörpert, und Peter Lorre, dessen Verbrechertyp ausgezeichnet 
gelungen rst. Sein kahlgeschorener Kopf wirkt wie der eines 
Asiaten, der zum Zweck feingesponnener Verbrechen durch die euro 
päischen Hauptstädte schleicht. 
Ueber den Zivilisationskitsch, der sich im Marks ne 
DieLrichsFrlm „Die blonde Venus" breit macht- ist 
kein Wort Zu verlieren. Die blonde Venus fallt tief und immer 
tiefer, ohne eigentlich zu fallen, denn sie liebt ja nur ihr Kind, 
und weil sie ihr Kind so liebt, nimmt sie ihr Mann, der ste natür 
lich ebenfalls liebt, zuletzt wieder in Gnaden bei sich auf, obwohl . 
sie doch Lief gefallen war. Beinahe bedrückender noch als diese > 
Rührseligkeit ist die künstlerische Art, in der sich Josef von 
Sternberg, dem ste aufoktrohiert wurde, mit ihr abzufinden 
sucht. Er hätte sie in die Kolportage hineinzerren sollen und be 
handelt ste nobel. Die badenden Mädchen am Anfang, das Variete, 
die südamerikanische Farm usw. — alle Szenen werden zu Bildern, 
die eingerahmt an der Wand hängen könnten. Und ein ewiges 
Dämmerlicht herrscht in ihnen, das sie noch anspruchsvoller macht. 
Das ist die Tonart für ein Kammerspiel, nicht aber für einen 
solchen Stoff. Indem Sternberg seinen Unwert zu adeln trachtet, 
statt ihn entschieden herauszustellen, erhöht er nicht etwa die 
Niedrigkeit der dem Stoff innewohnenden Gesinnung, sondern 
erniedrigt auch noch das Höhere. Denn die Kunst, die man aufs 
Imprägnieren von Leerläufen des Gefühls und gesellschaftliche 
Ideologien verwendet, wird von diesen herabgezogen und ver 
liert ihren Sinn. Marlene Dietrich vollzieht natürlich den vermeint 
lichen Veredelungsprozeß mit. Das gewisse Etwas, das von ihr 
ausgeht und viele bezaubert, leidet aber bei ihrer Erhebung in dre 
oberen Sphären, die gar nicht die oberen sind, schwere Not Es 
kommt zum Vorschein, wenn sie die Dialoge der Beine beseelt 
Uebertönt ste dagegen als blonde Venus mit der Seelenharfe die 
Beine, so wird die Rangordnung in fataler Weise verkehrt. Nicht 
so, als ob sie bei der Darstellung der Mutterliebe, der Resignation 
usw. mimisch versagte. Das Peinliche ist nur, daß diese seelischen 
Zustände nicht, wie es zu fordern wäre, um ihrer selbst willen 
erscheinen, sondern als erotische Verführungsmittel dienen. Der 
unerträgliche Mißbrauch der hier mit echten Empfindungen ge 
trieben wird, enthüllt seine wahre Natur dort sehr deutlich, wo 
es sich tatsächlich darum handelte, die Beine zum Sprechen Zu 
bringen. Auch in den Varieteszenen möchte sich die Dietrich rein 
von oben her geben, und der Effekt ist der, daß ste nicht einmal 
wie einst im „Blauen Engel" ein Prickeln erzeugt. Die Chansons 
werden von Luftkissen erstickt, die bloße Andeutung der sinnlichen 
Reize verfehlt ihren Zweck. Das ist die Rache für die Ausnutzung 
der Seele im Interesse der Erotik: daß diese genau an den Orten 
Zu kurz kommt, an denen sie sich von Rechts wegen zu Zeigen hätte. 
* 
Unter den Filmen, auf die kurze Hinweise genügen, wäre die 
deutsche Fassung des LubiLsch - Films: „Der Mann, den 
sein Gewissen trieb" zu nennen, die bereits gelegentlich 
der Wiener Aufführung besprochen worden ist. Die gegen den 
Krieg gerichtete Tendenz des Films in Ehren: aber das Ueber 
maß sachlich unorientierter Sentimentalität entwertet zuletzt leider 
wieder die Tendenz. Großartige Regieeinfälle gehen durch. Abge 
sehen vom vielgerühmten Anfang, der den in Paris nach dem 
Waffenstillstand abge^altenen Dankgottesdienst mit schlagender opti 
scher Kritik vergegenwärtigt, ist eine geistreiche Szene Zu loben, die 
dem Ton eine besondere Rolle Zuerteilt. Während das Liebes 
paar durch den Ort wandelt, stürzen die Bewohner zu Beobach 
tungszwecken aus ihren Ladentüren, die mit Glöckchen ausgestattet 
sind. Und ohne daß man die Neugierigen selber erblickte, folgt den 
beiden Vereinten noch lange ein Gebimmel, das ihre zärtlichen 
Gespräche begleitet. Eine Abhandlung wäre zu schreiben über 
die sonderbare, in ihrer Bedeutung noch gar nicht durchschaute 
Verschiebung nationaler Ausdrucksformen, die 
der Tonfilm heute vornimmt. Der Film schildert ein deutsches 
Familienmilieu, das in Hollywood von amerikanischen Schauspie 
lern produziert worden ist und nun, nachträglich eingedeutscht, in 
jenes Land Zurückkehrt, aus dem es geholt worden war. Das Ur 
sprüngliche wird so vielfach gebrochen; aber die Verzerrungen, die 
ihm widerfahren, erwecken ein Ahnung künftiger Möglichkeiten. 
Zweifellos weist der bedenkenlose Güteraustausch, den der Ton 
film bewerkstelligt, auf eine Zeit vor, in der sich die nationalen 
Eigenarten nicht nur gegenseitig abgrenzen, sonder miteinander 
vertragen werden. 
Der Ban c rost-Film: „W er ha t h i er re cht . . ver ¬ 
folgt die nützliche Tendenz, das Publikum über die Schattenseiten 
des Berufsboxertums aufzuklLren. Die Manager sind oft skrupel 
los und entledigen sich zu ihrem Nutzen rasch der Kräfte, die sie 
verbraucht haben. Es bekommt Bancroft gut, daß er diesmal mehr 
Püffe zu erdulden als auszuteilen hat; denn die Passivität, die 
ihm durch die Rolle auferlegt wird, zwingt ihn zur Auswertung 
aller seiner reichen darstellerischen Mittel. Sehr lustig ist ver dampf 
Zwischen seiner Schwere und dem schlagfertigen Mundwerk der 
Ehepartnerin, die den großen Mann keifend am Gängelband führt. 
„Zigeuner der Nacht": ein heiterer Kriminalfilm mit 
Musik von Paul Abraham. Harmlose Unterhaltung; nicht unwitzig 
gemacht. Jennv Fugs Zeigt wieder einmal ihre Begabung für 
charmant-komisches Ungeschick. 
8. LrLELnsr.
	        

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