eingehender berichten.
raca.
Ben Hur in Frankfurt.
Vorbericht.
In ben Ufa-Lichtspielen wurde gestern abend zum
ersten Mal der Ben Hu r-Film gezeigt. Er ist in der Tat ein
Mönstrefilmwerk, in dem durch Regiekunst, unerhörtes Diassen-
aufgebot, Großbauten und Hintergründe die *Handlung des be
kannten Romans nicht ohne Großartigkeit vergegenwärtigt wir'ö.
Das Wagenrennen, eine technisch außerordentliche Leistung, wurde
spontari beklatscht. Andere Szenen auch gelangen dank ihrer Di
mensionen zu reiner FilmwirLung. Das Hineinspielen der H-eils-
geschichte bleibt ein Uebel, das die Farbenphotographie nicht auf-
zuheben- vermag. — Wir werden über den Film, der außer in den
Ufa-Lichtspielen auch in den Nationaltheatern — Hohen-
zollern- und Skalalichtspiele — vorgeführt wird, noch
Wen Kur.
Zur Aufführung in Frankfurt.
IS'O Ooo Personen arbeiteten am Ben Hur-Film mit.
4 000 000 Dollar kostete die Herstellung des Films.
160 000 Meter Stoffbahnen wurden in Berlin für
8000 Kostüme,- Mängel, Requisiten usw. zugeschnitten.
22 000 Kilo Messing und Eisenblech wurden zu
60M vollständigen Römerrüstungen verwendet.
9000 Pfund Leder verwandelten sich in Schuhe und Lederzeug.
100 seetüchtige, in Livorno gebaute antike Kriegsschiffe lagen
im Kamps miteinander.
48 Kameras nahmen gleichzeitig die Seeschlacht auf.
12 Wagenlenker von
12 verschiedenen Nationen lenkten'
48 feurige Rosse. Beim Rennen wurde ein Trabrekord von
375^5 Sekunden für ^3 englische Meile erzielt.
Die Masse tut es. Was ist mit ihr erreicht? Was nicht? Einzel
heiten aus der Werkstatt sind wichtig. Vor allem die Jnter-
nationalität des Films. Die Kriegsschauplätze seiner Auf
nahmen waren Kalifornien und Italien. Der Darsteller des Ben
Hur, Ramon Novarro, der so schön wie Valentins ist, ver
körpert einen amerikanisch-spanisch-mexikanischen Typus. Garmet
Myers ist die Tochter eines aus Rußland gebürtigen und in Eng
land erzogenen Rabbiners. Nur in den Gassen des Marstillec
Hafenviertels findet sich eine so verschiedenartig zusammengesetzte
Bevölkerung wie die der Statisten. Die historische Echtheit der Bauten,
Hintergründe, Gewänder ist durch ausgedehnte Studien verbürgt»
Niemand wird merken, daß der Riesenzirkus des antiken An-
tiochiLu bei der kalifornischen Stadt Culver steht. Das neu er
richtete Jerusalem ist das alte. Für die SeeschlachFzenen Hütte
man sich große Scharen von Original-Seeleuten aus Rom und
Livorno als Römer und Piraten verschrieben.
*
Drei Jahre regierte Fred Niblo, der Regisseur, sein. gewal
tiges Reich. Er hat an Massenorganisation Großes ge
leistet. Das Wagenrennen, zu dem ganz Hollywood herbeigeeilt
war, lenkte er von einem 30 Meter hohen Kommaudoturm mit
Der Roman, der den Anstoß zu den MafsenbMern gab. gehört
zu jenen mittelmäßigen Werken, die durch ihr stark aufgelegtes
Kolorit breite Schichten bewegen. Gerade noch durch den Aufwand
mochte es gelingen, die Handlung für den Film zu retten. Eine
geringere Quantität der Mittel, und man hätte eine der üblichen
historischen Verfilmungen erhalten, die irgend ein gleichgültiges
Einzelschicksal in veralteten Trachten aufrollen. Durch den Zahlen-
rekord ist immerhin eine Prunkoper entstanden, die der Schaulust
Genüge tut. Die Unzulänglichkeit des Gehalts legt einen Abgrund
zwischen „Ben Hur" und den Potemkin-Film. Hier geht es um
die Wirklichkeit, die im ästhetischen Medium des Films getroffen
wird, dock ist auf dem Grund eines welthistorischen Stoffes eine
kleine Privatangelegenheit groß gemalt.
*
Anstößig, schlechterdings anstößig ist hier die Darstellung
der Heilsgeschichte im Film. Noch dazu mir
der (technisch unvollkommenen) Farbenphotographie, die, so
scheint es, das Harmonium ersetzen soll. In Szenen, die
zum Teil nach berühmten Bildern gestellt sind, wird das
Evanaelium gemimt und Choralgesang begleitet eine Strecke
weit die religiöse Farbenpracht. Amerikanischer Naivetät mag eine
selche Vorführung bekömmlicher dünken als dem deutschen Publi
kum. Man hat sich etwas auf den Takt Zugute getan, mit dem man
niemals die Person Christi selber austreten läßt, sondern lediglich
die.segnende Hand zeigt. Diese dezente Zurückhaltung indessen ver
größert das Uebel, denn durch Me eingelegte Probe aufdringlichen
Geschmacks wird der Uugeschmack im Großen nur fühlbarer.
ES-,
Hilfe von Lautsprechern, Signalwinkern und 120 Fernsprech-
stellen. Zur Beobachtung der Seeschlacht entbot er 48 Kameras
auf eine schwimmende Plattform. Uneingeschränkte Bewunderung
verdient der filmmäßige Aufbau der bewegten Massenszenen
Nrblo At richtig erkannt, daß nur der äußerste Realismus den
historischen Auftritten zur Wirkung im Film verhelfen kann weil
dieser auf die Wiedergabe der Wirklichkeit angewiesen ist und'dann
allein zu seinem Eigenleben gelangt, wenn er wie hier Themen ab-
wandelt, die auf dem Theater nicht darstellbar sind. Der Realis
mus aber wäre belanglos, entbehrte die' Bilderfolge der Gestaltung.
Sie ist an den Höhepunkten Zur Form gediehen, entwickelt sich in
einem Rhythmus, der sie des planen Naturalismus enthebt Das
Wagen rennen steigert sich von Anfang bis zu Ende, ein ein
heitliches Ereignis großen Formats. Seine umfassende künstlerische
Bewältigung ist der Art zu danken, in der die Gesamtübersichten
mit aufblitzenden Einzelheiten — so den Köpfen der jagenden
Schimmel — jeweils wechseln. Lanzenspitzen, die in unabsehbarer
Reihe an jüdischen Volkshaufen vorüberziehen, vergegenwärtigen
schlagend das Faktum der römischen Macht. Das Gewoge der Be-
völkexung schwillt linienhast an und verebbt in gewollten Ueber-
gängen,
*
Aer andere Bismarck.
Vortrag Emil Ludwigs.
Emil Ludwig, dessen Buch über Wilhelm II. den Deutschen
ihren früheren Kaiser zeigte, bewährt auch als Redner die Gaben,
die ihn zu einem vielgelesenen Schriftsteller gernacht haben. Er
plaudert, der gestrige Frankfurter Vortrag bewies es, mit
weltmännischer Gelassenheit über sein Tatsachenmaterial, hinter
dem er zurücktritt, nicht ohne es vorher für seine Zwecke angeordnet
zu haben. Die in nervös abgewogenen Perioden eingefangenen
Stoffmassen scheinen sich von selber zum Bild zu fügen. Doch der
nahezu unsichtbare Dirigent hält den Stab fest in Handen, und
als Zeichen seiner Gegenwart leuchtet aus den Nebensätzen mit
unter ein stilistisch gepflegter-Sarkasmus hervor.
Ludwig ist ein Republikaner, der durch sein neuerliches
Wirken eine wichtige Mission erfüllt. Er stellt die Heroen der Vor
kriegszeit in einer Weise richtig, die auch dem renitenten Teil des
gebildeten Bürgertums, an das er sich vornehmlich wendet, all
mählich die Augen öffnen muß. Das Mosaik der Fakten, das er
Zusammenstückt, ist unwiderleglich; die kultivierte Form, in der
er es darbietet, läßt blinde Ablehnung nicht zu. Die Republik hat
an Ludwig einen klugen Werber. Man wünschte Schullestöücher
von ihm geschrieben.
' Sem Bismarckporträt ist L-n der ausdrücklichen Absicht ent
worfen, das von den Völkischen verehrte Götzenbild des eisernen
Kanzlers abzutragen und einen bisher verdeckten anderen B i s-
marck heraufzubeschwören, der das Gesicht dem neuen Deutschland
zuk-ehrt. Es gibt einen solchen Bismarck. Ludwig stellt ihn nicht
dar, sondern läßt ihn selber sich darstellen. Die Wünschelrute, mit
der er das Gelände der Geschichte absucht, schlägt- stets wieder
aus.
Der Versenkung entsteigt ein Bismarck, der sich eines hockst
glücklichen Mangels an Ideologien erfreut. Er spricht
von dem „Souveränitätsschwindel" der deutschen Fürsten, die er
später zu Versailles en canaille behandelt, und richtet, ohne von
dem deutschen Erbübel des Dogmatismus befallen zu sein, die
Bündnisse nach der Temperatur des Kontinents ein. Brüchig wie
die ihm nachgesagte konservative Gesinnung Ist auch sein Royalis-
mus. Mit einer durchaus uneisernen Elastizität lenkt der eisern
Genannte die Figuren auf dem europäischen Schachbrett. Ludwig
gräbt den Menschenkenner aus, der Napoleon jahrelang
hinhält und verführt, der K)nig Wilhelm gegen seinen Willen
wieder und wieder nachschleist. Nicht minder wird durch Zitate
belegt, daß der Mann, dem die Nationalisten eine unaufhörlich
gepanzerte Faust zuschreiben, sehr wohl auch Glacehandschuhe zu
tragen versteht. Er verschmäht den vulgären Patriotismus, paktiert
rnit den Feinden von gestern, nennt sich einen Europäer und
die Kriegszeit ernst, nrcht groß. Mut verbindet sich bei ihm mit
berechnender Mäßigung.
Der Schwächen und Fehler ist nicht vergessen. Seine Gering
schätzung des Geistigen läßt Bisnmrck die Tragweite der vatikani
schen und sozialistischen Bewegung verkennen. Despot, der er ist,
unterdrückt er die Volksvertretung und damit die Entwicklung des
polnischen Denkens. An tum Königstum, das er gestückt hat, gcht
er, eine, mythologische Gestalt, tragisch Zu Grunde. Der Gestürzte
deutet in hellsichtigen Aussprachen auf die kommende deutsche
RepubliE vor.
" ,Das Bild des anderen Bismarck sollte in unseren Schultest-
buchern den Popanz des eisernen Kanzlers verdrängen. Xr.