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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Bach von der Ruhr, 
Ein 
Von S. Kracauer 
Rückblick® und Werkanalysen: sie alle 
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Formen einzuhalten. Von jener, die eine Zeitlang diental die tendenziöse Entstellung. 
schulte Leserstamm wie das allgemeine Publikum Industrierevier besonders stark ausgeprägt ist. An 
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chitektur- 
sto rieche 
kommunale Baupolitik teilweise von reaktionären Mo- . satzes willen eine Erwägung, die öfters wiederkehrt. 
tiven geleitet wird, hindert ihn nicht, ihre guten Sie besagt ungefähr, daß unsere gesamte technische 
Leistungen anch wirklich anzuerkennen. Ein An- Apparatur auf einem Stand angelangt ist, der mit 
stand, der auf die Dauer der eigenen Sache mehr den heutigen Produktionsverhältnissen nicht mehr 
Mode bei uns war, unterscheidet es sich dadurch, 
daß seine Schilderungen in sozialistischen Ueberzeu 
gungen verhaftet sind; von dieser durch die mehr 
beschreibende als systematische Darstellungsart, 
etwas Anfängen kann. Diese Untersuchungen haben 
tatsächlich einen Nutzwert. Einmal darum, weil sie 
einen konkreten Begriff von den Zuständen im Buhr 
gebiet geben. Sie summieren nicht blind die Details, 
sondern fügen sie zum Mosaikbild zusammen. Die 
Dortmunder Westfalenhalle etwa steht für sich da 
und ist doch zugleich in den Alltag der Bevölkerung 
einbegriffen, und ebenso lassen sich auch das Dinta 
und das arbeitsphysiologische Institut aufeinander 
beziehen. Porträts der Großindustriellen und ihrer 
Machtorganisationen, ökonomische Bemerkungen, Ar- 
Die Mischung ist im allgemeinen gut. geraten; ob 
wohl sich ihre Elemente nicht selten nur locker mit 
einander vermengen. Wichtig ist jedenfalls, daß 
Schwarz dank langjähriger Erfahrung Kenntnisse ver 
mittelt, mit denen sowohl der gewerkschaftlich ge- 
Zum Glück werden diese Entgleisungen durch die 
Vorzüge des Buches ausgewogen. Zu seinen entschei 
denden rechne ich um ihres methodisch richtigen Ein ¬ 
fahren ein Sonderleben, das immer wieder zur wech 
selseitigen Konfrontation genötigt wird. Zum andern 
sind die Betrachtungen darum brauchbar, weil sie 
einer verantwortungsbewußten Haltung entspringen. 
Der Verfasser mach’, nirgends einen Hehl daraus, daß 
er eindeutig am Schicksal der Arbeiterklasse inter 
essiert ist, sucht aber dieselbe Aufrichtigkeit, auch 
im Umgang mit den Sachen zu bewähren. Statt die 
Gegenstände kraft der Tendenz leichtfertig zu über 
rumpeln, wartet er ab, ob sie diese in sich enthalten, 
und verzichtet überhaupt nach Möglichkeit auf die 
Vergewaltigung des Materials. Daß zum Beispiel die 
so heißt es einmal, „gilt es für unfein, aus dem 
.Tristan“ und anderen Wagneropern keine religiöse 
Weihestimmung zu empfangen.“ Dergleichen ist von 
außen gesehen und im Ton vergriffen, der sich auch 
sonst ein wenig zu angestrengt bemüht, den Bedürf 
nissen des vorbestimmten Leserkreises entgegenzu- 
eilen. 
Begriffe und Beobachtungen durchdringen sich, 
wie ich bereits andeutete, nicht immer gleich dicht. 
Wo sie gewissermaßen eine chemische Verbindung 
miteinander eingehen, werden fruchtbare Einzeler 
kenntnisse herausdestilliert: so die von der Bedeu 
tung des Wassersports, di ich übrigens in meinem 
Buch: „Die Angestellten'' schon entwickelt habe, 
oder die von den Gründen des Vereinswesens, das im 
anderen Stellen kommen schematische Vorstellungen 
mit verschlossenen Tatsachen zur ungenauen 
Deckung. Dieser Gefahr unterliegen heute zahlreiche 
Schriftsteller. Sie bewahrheiten ihre grundsätzlichen 
Meinungen nicht im Material, bringen vielmehr eine 
fertige Weltanschauung ohne weiteres an schlicht 
hingenommene Befunde heran, die doch zuvor wie 
eine Nuß hätten geöffnet und zur Aussage gezwun 
gen werden müssen. Der Bund zwischen Konvention 
und Jargon ist leicht geknüpft. Besiegelt wird or 
hauptsächlich in den paar Glossen und Abschnitten, 
übereinstimmt. Sein Gewicht erhält der Gedanken 
gang dadurch, daß er nicht wie eine These formu 
liert, sondern der Empirie entnommen wird; Er er 
gibt sich gleichsam als zwangläufige Folgerung aus 
den Tatbeständen selber. Unter anderen Prämissen 
führen zum Beispiel die Verkehrs- und Wohnverhält- 
nisse von sich aus zu dem Schluß, daß planmäßiges 
Wirtschaften eine Notwendigkeit sei. „Jedem unvor 
eingenommenen ... Betrachter," meint Schwarz bei 
. ihrer Schilderung, „wird, es sich aufdrängen, daß es 
wirklich höchste Zeit ist, Plan und Formsin dieses 
Riesenlabyrinth zu bringen...“ Und die Tätigkeit 
des arbeitsphysiologischen Instituts charakterisiert 
er durch die treffende Bemerkung: den Kapitalismus 
dränge „seine eigene Entwicklung auch zur Akzeptie 
rung und Praktizierung wissenschaftlicher Theorien, 
die seinem eigentlichen Wesen und Wollen wider 
sprechen“. Der Wert solcher Feststellungen beruht 
weniger darauf, daß sie das Ziel planvoller Wirt 
schaft verkünden, als daß sie es aus dem Gegenstand • 
heraushören. Denn nur dio Bekenntnisse, die er 
selber ablegt, sind einflußreich; nicht aber die Ideen 
die ihm aufoktroyiert werden. 
Die Bücher über das Industriegebiet häufen sich. 
Sie gleichen nicht mehr jenen bürgerlichen Familien 
romanen von Stratz und Konsorten, in denen Fabrik 
schlote nur den malerischen Hintergrund für patriar 
chalische Ereignisse bildeten und statt der Essen die 
Seelen loderten, sondern beschäftigen sich vor allem 
mit den technischen, ökonomischen und sozialen Ver 
hältnissen im Kohlenrevier. Regers jetzt mit dem 
Kleistpreis ausgezeichneter Roman und Hausers Re 
portagen sind solche Tatbestandsaufnahmen. Ihre 
mehr oder weniger deutliche Absicht ist: mit faulen 
Ideologien aufzuräumen und wirkliche Zusammen- 
hängn der verschiedensten Art sichtbar zu machen. 
Ihnen reiht eich das Buch von Georg 
Schwarz: „Kohlenpott" an (Büchergilde 
Gutenberg, Berlin. 207 Seiten.) Es ist weder eine 
unverbindliche Reportage noch eine konstruktive Ge 
staltung, sucht vielmehr die Mitte zwischen beiden 
und Sittenbilder, Gerichtssaalberichte, hi- die das offenbar weniger erfahrene Leben der Ober 
Schicht kennzeichnen wollen. „In diesen Kreisen,“
	        
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