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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

u 
d-as Werden der EinheiLs- und Arbeitsschule im'Sinne des Ar- 
Likels 148 und 146,1 hemmen und stören würde. 
Denn sprach Franz HilUer (Berlin) über das Thema 
-„Jugend und Kun st". Die durch die Jugendbewegung zum 
Bewußtsein ihres Eigenwertes gelangte Jugend ersehnt heute 
eine Kunst, die den ganzen Menschen ergreift und Ausdruck 
eines neuen Weltgefühls ist Es fehlt in unserem neuen Volks 
staat nun gewiß nicht an Versuchen die Jugend künstlerisch zu 
erziehen, aber man bringt die Kunst meist von außen an sie 
heran, statt die schöpferischen Kräfte der Jugend selber zu wecken. 
Der Redner entwickelte in längeren Ausführungen ein Erziehungs 
programm, das die Ausbildung der in jedem Kinde vorhandenen 
künstlerischen Anlagen zum Ziele ha* und die Krönung des 
Kunstlebens in Jugendfeiem erblickt, die der Jugend das Er 
lebnis der Gemeinschaft vermitteln sollen 
Frau Ilse Müller-Oestreich (Berlin-Friedman) ver 
breitete sich Zuletzt übw das Thema „Schulreform und 
LeLensreform" Sie gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß 
die Forderung der Schulreform nicht nur eins Forderung an die 
Lehrer und an die Jugend ist, sondern eine Forderung, die sich 
ebenso an die Eltern wmdet und nicht nur an diese, sondern an 
die Volksgenossen überhaupt. Um zur neuen Wirtschaft zu ge 
langen, müssen wir eine „gute" Nachfrage organisieren, die geübt 
wird in dem Bewußtsein der Verantwortung sowohl für den Stoff 
der Ware wie vor allem für die Würde der menschlichen Arbeit. 
Frl. Dr. Olga Essig (Frankfurt) sprach sodann über die 
Berufsschule als Glied der P r o d ukt i o n s s ch u l e. 
Die Rednerin ging davon aus, daß bei der in unserem Maschmen- 
Zeitalter aufs äußerste entwickelten Arbeitsteilung der Mansch 
einseitiger Spezialisierung gezwungen wird. Gerade diese Speziali 
sierung ermöglicht aber eine Verkürzung der Arbeitszeit und ge 
stattet es so dem Einzelnen, mehrere gesellschaftliche Funktionen 
gleichzeitig zu versehen. Eine Reform der heutigen Berufsschule 
hat von der Berufsbildung als Kern- und Ausga mdpuu-t 
einen Weg zur M ens ch enb Nd ung zu suchen, ihre Aufgabe 
liegt in der Synthese beruflicher Schulung mit allseit! Seilst 
Auswirkung. Zur Durchführung dieser Reform wäre das alte Äe 
rechtigunoswesen durch berufliche Eignungsprüfungen zu ersetzen, 
der Schulgcmeinschaft in weitestem Maße Selbstverwaltung zuzn- 
billigen und die heutige Lernschule in eine Arbeitsschule umzuwan- 
deln, die entsprechend der ökonomischen Entwicklungsstufe unserer 
Zeit, sich im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Betriebe Zu entfalten 
Frankfurter Angelegenheiten. 
Jahrhundertfeier 
der Städtische» Gemäldegalerie. 
Samstag früh fand k» Verbindung mit der Jahchundert- 
feier des Städelschen KunstinstitutS die Eröffnung des Er- 
weiteru n g SbauS der Gemäldegalerie statt. Durch das 
Vestibül des alten Baus, in dem, von Lorbeerbüschen um 
geben, die Büste Städels Aufstellung gefunden hatte, strömte 
eine festliche M^nge über vaS vertraute schöne Treppenhaus 
den Bildersälen des neuen Gebäudes zu, in deren einem sich 
die EinweihungSfeierltchkeit vollzog. Im Namen der Städel- 
Administration hielt Geheimmt Dr. G S nS als Hausherr die Be 
grüßungsrede. Er dankte der Versammlung, in deren Mit« 
sich auch zahlreiche auswärtige Gönner und Freunde des In 
stituts befanden, für ihr Erscheinen und warf, wie es sich in 
solcher Stunde ziemte, an Hand des unvergeßlichen Städel- 
schen Stiftungsbriefes einen kurzen Rückblick auf die Ge 
schichte des Instituts. Seine Rede wurde zu einer Verherr 
lichung Frankfurter Bürgersinns, dem eS immer wieder zu 
! danken war, daß das Vermächtnis Städels auch in den schrote- 
hätte. Durch den systematischen Wechsel der wirtschaftlichen und 
sozialen Arbeits- und Lerngemeinschaft ließe sich die gl-eichzeitige 
Vorbereitung für verschiedene gesellschaftliche Funktionen erreichen. 
In der Nachmittagssitzunb, erörterte Fritz Gansberg 
(Bremen) in einem Vortrag über kindheitsgemäßen Unterricht 
die Erziehungsaufgaben der Volksschule^ ihrem Verhälr- 
mis Zur höheren Schule. Im Gegensatz zur VolkM) ulpädagogib 
die sich insofern bereits auf dem richtigen Weg befindet, als sie 
den Unterricht dem kindlichen Vorstellpngskreis anzupassen und 
den Wissensstoff möglichst lebensvoll zu gestalten sucht, leidet die 
Pädagogik der höheren Schule vornehmlich an dem Prüfungs- 
- Schulreform und Sch a u u l s re A vo n l l u a t ß ion s . en I n n hie e s in ig e e r n T vo a m au R n » ? n ^ v 
Vau/OAtr^ V S e c r h s u a l m re m fo l r u m ng un sp d ra S ch ch D u i l e re n v s o ta lu g tio a n ben W d ie Pro de s ^ . 
Redner einleitend hervorhob, verbürgt kein EinbeitssckulmeLani«- 
mus, keine „produktive" Erziehung, keine kollegiale Schulver- 
8eNnm-nn Werden volklicher Einheit und menschheitlichrr 
d N arf Z es ivil v is ie a l t m io e n hr z d u w e r r ir G t h s e e c n u h o t a e s f s tli e n c n o h s t e w c r h e a n ft d s s c i k g h u e u l l t i u s U r ch e v e b o r e ll r z g u o a g n e n g n ^ v w o e n rd k en aE io be- 
, 
d^n"Beisvieta'^ des tätigen Glaubens und des'leben-! 
'r-r?' Ee neue dogmenfteie Sittlichkeit aus der ^at 
Die wahrhaft revolutionäre Schulreform muß ver- 
käÄM d1^ d-S Mtagstuns ech-S Die 
i N m o ^ rm v^ e s n /r.,Se/bstregr l emng ^ , lte -v n e , rw w a e lt n z n mg sie u z n u d r - F b r e e t i ä h t e ig it un n g ötig sc e h n a d f e ft 
Wesen, an der abstrakten Uebermittlung des Wissensstoffes und 
an einem übertriebenen Kultus der fremden Sprachen. Will 
der neue Volksstaat mit den Bevorrechtungen brechen und sich 
die Pflege der Volksbildung angelegen sein lassen, so wird er 
nach den Vorschlägen des Redners gut daran tun, wenn er die 
gemeinsame Grundschule auf sechs Jahre erweitert 
und einen LeilweiM Abbau der höheren Schule vor» 
nimmt. 
Den Abschluß der Tagung bildete das Referat von Dr. Sieg« 
fried Kawerau (Charlotrenburg) über die Reform des 
G e s ch i ch t s u n t e r ri ch t s. Aus dem Wesen des alten 
Staates, dessen Hauptaufgabe in dem Schutz der Privatrecht 
lichen Vererbung bestand, ergibt sich auch, wie der Redner des 
näheren ausführte, oas Wesen des bisherigen Geschichtsunter 
richts. Autoritativ übermittelte dieser Urnerricht durch Sug 
gestion das der alten Gesellschaft genehme Geschichtsbild, das 
sich zumeist in der einseitigen Darstellung der Staaten- und 
Kriegsgeschichte erschöpfte. Der neue Geschichtsunterricht in der 
-! kommenden Epoche der Gemeinwirtschaft, der Selbstverwaltung 
'der Schulgemeinde und die produktive Arbeit in ihr zur Voraue- 
i setzung lM, wird demgegenüber die Wirtschafts-, Sozial- und 
. Kulturgeschichte in den Vordergrund Zu rücken haben. Aus 
gehend von dem Kinde und von der es umfangenden Gemein 
schaft muß er eine lebendige Anschauung von dem Werden der 
Gesellschaft erwecken und das Kind zur selbständigen und fach 
lichen Erarbeitung dieses Stosses anleiten. Der Redner skizzierte 
in knappen Umrissen, wie er sich die Erteilung eines solchen 
Geschichtsunterrichts denkt. An Hand der demnächst erscheinen 
den GeschichLstabeUen etwa wäre die Jugend in me geschicht 
lichen Zusammenhänge ca. vom Jahre 1500 ab einzuführen. Die 
Geschichte des Mttelalters hätte sich, ihrer schwierigen soziologi 
schen Struktur wegen, erst später anzuschli-eßen. 
VMS eAWedeuer SHukefsmer. 
II. 
— Frankfurt, 18. Mai. 
Die heutige Vormittagssitzung wurde durch einen Vortrag von 
Karl Goetze (Hamburg) über die produktive Gemein 
schaftsschule eingeleitet. Der Redner entwarf zunächst in 
temperamentvoller Weise eine Schilderung des neuen JugendZsisWC, 
in dessen Erwachen sich die Heraufkunft eines neuen Typus Mensch 
ankündigt. Ziel der Pädagogik muß es sein, diesen sozialistischen 
Menschentypus, der wurzelhaft denkt und fühlt, verständnisvoll her- 
anzubilden. Das kann aber nur geschehen, wenn die neue Schule 
im Gegensatz zur alten den Menschen nicht als Objekt, sondern als 
Subjekt nimmt, wenn sie die Jugend als einen selbständigen Faktor 
anerkennt und die Familie zu tätiger Mitarbeit heranzieht. Der 
Redner berichtete über die von ihm geleitete Arbeitsschule, 
in der die Kinder in enger Verbundenheit mit Eltern und Lehrern 
alle Gegenstände nach Möglichkeit selber erzeugen. Die neue Lebens 
gemeinschaft ist im Werden, so schloß er seine beifällig aufgenom 
menen Ausführungen, wenn wir auf d-em Boden der Arbeit uns 
treffen! 
Zu demselben Ergebnis kam auch August Heyn (Neukölln) in 
einem Referat über die von ihm ins Leben gerufene Garten 
arbeitsschule zu Neukölln. In dieser Schule erhalten die 
Kinder — eL sind ihrer heute schon 3200 an Zahl — praktischen 
Gartenbau- und Werkunterricht, gewinnen Einblicke in die Land 
wirtschaft, das Gewerbe und den Handel und werden Zu tätiger 
Hingabe an die Gemeinschaft erzogen. Eine Reihe von Volks 
schulen sendet zwei Tage in der Woche ihre Schüler dorthin; zu 
dem Unterricht, der sich teils im Garten, teils im Schülraum voll 
zieht, haben auch die Eltern jederzeit ungehindert Zutritt. Von der 
allgemeinen Einbürgerung der Gartenaröeitsschule erwartet der 
Redner die Gesundung unserer Jugend, die Ueberbrückung der 
Kluft zwischen Stadt und Land, zwischen Kopf- und Handarbei 
ter und eine Förderung des heute so notwendigen Kleingarten- 
und Siedlungswesens. Da die Gründung solcher Schulen nur 
geringe Mittel erfordert, ist sie auch unter den jetzigen Verhält 
nissen möglich. An mehreren Orten hat man sich bereits zu 
ihrer Einführung entschlossen.
	        
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