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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Darmstädter Künstlerkolonie, selbständig'weiter gebildet. Wie 
sehr sie Richtung weisen, erkennt man u. a. aus Arbeiten von 
I-S a t t l e r und Otto Hupp, auch ein Exemplar der Zeitschrift 
Mo) bestätigt ihren Einfluß auf die deutschen Kunst- 
Aerse. Abseits von der allgemeinen Bewegung hält sich Melchior 
Lechter, dem eine ganze Vitrine eingeräumt worden ist. Seine 
^uste und schwere, Zuletzt doch romantisierende Kunst steht fast 
ausschließlich im Dienste Stefan Georges, dessen von ihm cmsoe- 
stattere Werke z. T. in kostbaren Privatdrucken vorliegen. 
Auf seine erfreuliche Höhe gebracht wird das Buchwesen in 
Lsr Hauptsache durch die Weitsicht und Initiative der führerchen 
putschen Verleger, die denn auch mit ihren wichtigsten 
Verlagswerken in der Ausstellung gebührend vertreten find. 
An der Spitze steht der 1896 in Florenz entstandene, späterhin 
nach Jena verlegte Died erichs - Ver lag, der die besten 
jungen Künstler heranzieht und es verstanden hat, seinen 
Büchern einheitliches, durch und durch gediegenes Gepräge zu 
verleihen. Walter Tiemann, Joseph Olbrich, Peter 
Behrens, H.V ogler, J.V. Cissarz, F.H.E hmcke und noch 
manche andere gestalten in seinem Auftrag Bücher und Buchreihen, 
begründen unsere heutige Buchkunst. Aem Verlag Eugen Diederichs 
an Großzügigkeit und künstlerischer Vornehmheit ebenbürtig ist 
der Insel-Verlag, der sich Künstler wie Henry van de Velde 
und Marcus Beym er verpflichtet hat und durchaus seine eigene 
Linie verfolgt. Aus der Reihe der übrigen Verleger seien noch ge 
nannt : Hans v. Weber, Kurt Wolfs, Georg Müller, Gustav 
Kiepenheuer, Paul und Bruno Cassirer, Otto v. Holten, 
S. Fisch er usw. Auf die schönen Werke der verschiedenen Frank 
furter Verleger, die den Ausgaben der anderen Verleger in keiner 
Weise nachstehen, wird noch Zurückzukommen sein. Immer aufs 
neue wird man bei dem Rundgang durch die Vielseitigkeit der 
Ausstattung, durch die konsequente Ansnützung jeder buchkünst 
lerischen Möglichkeit überrascht. 
Auch die Erzeugnisse derPressen liegen in kluger Auswahl 
auf. An Drucke der Srn st Ludwig- Presse und ihrer Nach 
folgerin, der Kleukens-Presse (Besitzer: Tiedemann-Uzielli) 
schließen sich Publikationen derBremer Presse, der Marses- 
Gesellschaft usw., ferner die besonders graziösen Erzeugnisse ver 
schiedener österreichischer Drucker, sowie die in Frankfurt ja 
bekannten Werke der Offenbacher Schrift- und Buchkünstler. 
Unmöglich hier alle Namen zu nennen. 
Die Anordnung der Illustratoren ist im großen und 
ganzen nach Maßgabe der historischen Entwicklung erfolgt. Der 
Stil der Illustrationen wird anfänglich, wie man etwa aus den 
Zeichnungen Voglers ersieht, durch die englischen Einflüsse be 
stimmt. Bon England her kommt auch die anmutige Kunst 
Edmond Dulacs, dessen aus Pergament aquarellierte Märchen 
Illustrationen in reichhaltiger Kollektion zur Schau gestellt sind. 
Den breitesten Raum nimmt die Gruppe der Impressionisten ein. 
Unter ihnen ragt der geniale Slev ogr, der geborene Illustra 
tor, hervor, von dem u. a. der „Lederstrumpf" vorliegt. Vertreten 
sind auch der mehr auf Zierlich-dekorative Wirkung abzielende 
Preetorius, der Radierer Meid mit etlichen seiner hinge- 
schriedenen Barock-Phantasien und Rudoif Großmann mit 
pikanten Steinzeichnungen zu Goethes Tagebuch. Der Bibliophile 
kommt gerade Lei diesen Ausgaben auf seine Kosten. Ihren 
Abschluß findet die Reihe der Illustrationen durch die Werke 
einiger expressionistischer Künstler. Man bemerkt es auch hier 
wieder, welch wertvollen Zuwachs expressionistische Kunstübung 
gerade dem Ornament gebracht hat. Erwähnenswert sind außer 
den duftigen Zeichnungen Matheys die kraftvollen Illu 
strationen Walter Klemms, die mit innerer Dynamik ge 
ladenen Holzschnitte BarlKchs und die humorvollen, kapriziösen 
i Tierjchildereien Richard Seewa ldszu Gallerts Fabeln. 
In dem kleinen Stammbuchraum der Lmel-Sammlung haben 
noch einige kleine Sondergruppen Unterkunft gefunden. Samm 
lungen hochwertiger Kinderbilderbücher vereinigen sich hier mit 
Kalendern und ^Almenachen, Privatdrucken und Gelegenherts- 
schriften. Interessieren werden die Frankfurter Fami 
lienbücher (unter ihnen befinden sich. buchtechnisch kostbare 
Veröffentlichungen zur Geschichte der Familien Bansa, Heider, 
Bethmann, Passevant usw.) und die mustergültig ausgestatteten 
F e st s ch ri f t e n, die von Krupp, Stinnes, Kirdorf und anderen 
Großindustriellen herausgebracht worden sind. Durch ihre ge 
schmackvolle Aufmachung sticht die in der Reichsdruckerei herge 
stellte Jubiläumsschrift der Preußischen Staatsbank (der „See 
handlung" 1722—1922) besonders hervor. 
Im allgemeinen hinterbleibt der Eindruck, daß die deutsche 
Buchkunst sich auf gutem Wege befindet. Auswüchse sind natürlich 
vorhanden und werden überdies von der heutigen Wirtschaftslage 
begünstigt. So zeigt sich nicht selten allzu große Anpassung an 
bibliophile Neigungen, Verschwendung ästhetischen Raffinements 
an Werke, die solche Belastung ihrem Inhalt nach nicht ertragen. 
Aber im wesentlichen setzt sich doch — so scheint es — das Be 
streben durch, Form und Gehalt in Uebereinstimmung zu bringen, 
und das Hauptgewicht auf eine geschmacklich anständige, möglichst 
schlickte Ausstattung wirklich wertvoller Bücher zu legen. 
' Die Ausstellung, Zu der Pros. Dr. R. Schmidt, der Direktor 
des Kunstgewerbe-Museums, ein treffliches knappes Geleit 
wort geschrieben hat, ist bis zum 25. März .geöffnet. Lr.
	        
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