und ließen sich über die Ge-
-- lHLlfe, ich bin Millionärs Frankfurt wird von den
Filmgewaltrgen in Berlin nicht eben wohlwollend behandelt. Sie
enthalten ihm etwa Chaplins: „Goldrausch" immer noch vor für
den Darmstadt selbst reif befunden ward. Umso angenehmer emp
findet man es, wenn sich in die provinzielle Abgeschiedenheit ein
mal ein Film von Welt verirrt. Die in der Frankfurter Neuen
Lichtbühne jetzt vorgeführte Komödie: „Hilfe, ich bin
ein Millionär!" ist echtbürtiges Kino. Sie spielt in Paris
und Nizza; die Darsteller sind zumeist Franzosen. Ein Millionär
der sich langweilt — Millionäre langweilen sich immer auf der
Leinwand — schließt mit einem lustigen Teufel von Eisenbahn
arbeiter die Wette ab, daß ihn unverhoffter Reichtum nicht glück
licher machen werde. Der Eisenbahner empfängt von ihm eine
runde Million mit der Verpflichtung, sie binnen Jahresfrist aus-
zugeben und dann seinen Soelenzustand zu beichten. Das Thema
der Wette ist darum filmgemäß, weil es das Gewicht auf die mehr
oder weniger willkürliche Verkettung äußerer Begebenheiten
legt. Ihnen ist der Film seinem Wesen nach zugeordnet. Nicht
darf in ihm die äußere Welt nur der Ausdruck einer in sich ge
schlossenen Handlung seine aus den freien Assoziationen sichtbarer
Vordergründe unseres bewegten Daseins. Daß das Publikum ihn
als amüsant empfindet, ward durch den Beifall des vollbesetzten
Hauses bewiesen.
die Umstände zu ermessen, unter denen man dergleichen sich holt.
Nun sind sie auf Vorrat belehrt, und zu hoffen ist nur, daß sie
oas Gehörte zur rechten Zek nicht vergessen. Aus das menschliche
Gedächtnis ist wenig Verlaß.
Inzwischen hat diese öffentliche Erörterung des Geschlechts
lebens ihren revolutionären Klang verloren. V.eleS, was Brieur
durch seinen Arzt damals fordern ließ, ist heut- verwirklicht
worden. Die Schranken sind gefallen, die noch die sor ge G nc-
raüon um das Gebiet des Sexuellen zog, die Jugend verläßt
inch! mehr unvorbereitet das Elternhaus. Wort und Schrift kommen
an sie heran, der Film .Falsche Scham" zeigt ihr abschreckend-
Bilder m methodischer Fülle.
Trotz der Aufgeklärtheit ringsum kann das Stück auch heute"
noch rm Dienst der Gesundheit seme Wirkung tun. Die Sensatsonen
sind von ihm abgefallen, die nützlichen TendmKM treten in
drastischen Situationen nicht allzu kraß hervor. Zwar, der drama
tische Hauptknoten hat sich mittlerweile, dank der Fortschritts der
Wissenschaft, von selber gelöst. Die Familie Dupont benötigte
heute keine Amme mehr, um ihr Dreimonatskind gesund zu er-
?EN. Diese also müßte nicht hinauSschreien, daß im Haus die
Syphilis herrsche, und die weiteren Verwicklungen blieben unge
schehen. Dies zur Aufklärung, wenn schon aufgeklärt wird.
„ Die Aufführung des Frankfurter Kün stiert heoters
für Rhein und Main (Leitung: Direkter Hans Meißner) ward
Zum Teil mit den Kräften d«S Schauspielhauses bcstritlen. Leopold
Bibertis humaner Arzt, ein früher Apostel der Rcichsgesund-
heitswoche, prägte mit warmer Stimme die Aeber-eugungen, um
derentwillen das Stück geschrieben wurde. Herr Th Deren gab
den negativen Helden als netten Jungen, dem sich bei aller
^yphslis bre Sympathie nicht versagen ließ. Ein kleines Kabinett
stuck die Amme von Lotte Mebius — das nächste Mal spielt
Lene Obermeyer di« Rolle —, ausgezeichnet in ihrem bourgeoiscn
Egoismus Thcssa Klinkhammer als Mutier. Herr Ner-
fiM^der die Spiellcimng übernommen hatte, stellte in charak
teristischer MaSke den französischen Deputierten auf die Beine
Die Darsteller der Nebenrollen: Hanf, Meißner, Walter
Grießmann, Margarete Wolf und Gustel Sieger fügten
sich dem Ensemble gut ein. Die Aufführung wird amDonners-
stag und Sanmstag wiederholt.
»Die Schiffbrüchigen.*
Aufführung im VoUsbildungshcim.
Revue Lonfekti.
--- Ins S ch rr man n - Theater ist das Münchener Deutsche
Theater mit seiner Revue eingezogen. Sie geleitet eine Art von
Faust durch etliche gleißende Wunder unserer Hivilisation zwischen
München und Berlin. Der gute Mann wird mit Unterstützung von
Rudolf Nelsons schmissiger Musik gehörig verführt. Vor allem
durch die Vi ölet-Girls, die in immer neuen Kostümen ihre
schönen Beine geometrisch entfalten. Weniger abstrakt gebärdet sich
eine andere Mädchenreihe, die ersichtlich aus München stammt. Wo
man nur hinblickt: überall Girls. Gleich zu Anfang im Kabarett
machen sie von ihrem Hausrecht ausgiebig Gebrauch. Tänzerisches
strömt in Massen hernieder. Man freut sich hier und später einer
weiblichen Grotesktänzerin; auch A.fred Jackson kommt exzen
trisch daher. In einer anderen Szene wird zeitgemäß Sport be
trieben. Weibliche Turnerriegen suchen Wege zu Kraft und Schön
heit; sie üben mit Eifer vor gemalten antiken Statuen und einem
Gobelin, der auf Verlangen durchsichtig wird. Der ^o begrenzte
Vorgänge muß vielmehr wie nebenher eine Art von Zusammen
hang sich ergeben. Nicolai Kolins Eisenbahner, eine physiog-
nomisch erschöpfende Leistung, wird durch die Wette in eine Reihe
großstädtischer Situationen hineingetrieben, die der blanke Zufall
herbeiführt. Dies: daß sie unberechenbar einander folgen, verleiht
ihnen Wirkung im Film. Ihre Komik besteht in dem Zusammen-
prall des armen Kerls mit einer ihm nicht zugedachten Welt. Von
Kind und Kegel begleitet, zieht er zu ihrer Eroberung aus-
Kleidet sich lächerlich, verschenkt im Restaurant die Tausender,
während der zu seiner UeLerwachung bestellte Sekretär an den
schlechten Eßmanieren der Familie leidet, und brüskiert das wohl
erzogene Publikum der Großen Oper. Die Szenen revolutionieren
und möchten doch Zeigen, daß jeder in seinem Kreis bleiben solle.
Ins Groteske gesteigert wird die Komik durch die Unfähigkeit
des Emporkömmlings wider Willen, sich das Geldes vorschrifts
mäßig zu entledigen. Seiner Eigengesetzlichkeit gehorchend, kehrt
es immer wieder Zu ihm zurück. Man bestiehlt ihn: die Polizei
stellt den Dieb; er spielt, in Monteoarlo; die Scheine kleben an
ihm. Solche Szenen zwingen das Aachen herauf, das die Grillen
und Widerhäk-chsn der äußeren Umstände dankend quittiert. Die
Regie hat die meisten Situationen auch formal einwandfrei be
wältigt. Eine Vorstadthochzeit etwa ist in ungewohnten Ver
kürzungen aufgenommen, die das inhaltlich Gemeinte zur optischen
Gestalt erheben. Bedauerlich, wenn auch leicht Zu erklären, ist die
bourgeoise Moral. Sie entfacht in dem Helden die Sehnsucht nach
dem stillen Herd, damit die richtigen Millionäre sich ungestört
weiter langweilen können. Am Ende wird ihm ein kleines Bauern
gut-Idyll beschert, in dem er, gesegnet von dem Genius kleinbürger
licher Zufriedenheit, harmlos sein Pfeifchen raucht. raca.
Man verließ ein wenig zweifelnd daS Haus. Aufklärung ist in
Ordnung die fugend soll wissen, wieviel Dornen am Wege
stehen. Wer herßt es nicht, aus dem einen Extrem in§ andere
fallen, wenn man heute blank bespricht, was man gestern gar zu
beflissen verschwieg? Kann die schonungslose Vorweisung des Tat-
sachemnarertals in den PubertätSjahren nicht Hemmungen und
Aengste erzeugen, deren Wirkungen kaum minder unerfreulich sind
wie d,e bekämpften? Da wem schon, gewiß mit RM einem
jugendlichen Hörerkreis die Vorgänge des Geschlechtslebens ent.
' die neue Sachlichkeit nicht etwas mit Zartheit
umkleiden? Las Radikale ist nicht immer am radikalsten.
Vielleicht sind di« Besorgnisse nur bei sensiblen Naturen ange-
Wenigstens hörte man nach Schluß der Vorstellung ei«
robustes^ ExeM^r zukünftiger Männlichkeit dem anderen »er.
,l^)ern, das Stuck habe denn doch Eindruck auf ihn gemach!. Auch
m s""« Genugtuung darüber aus, daß die Obszönitäten
fehlten. Nun also!
Raum H zugleich der SoSmeLS geweiht. Eine strenge Dame leitet
ihn: vorne ist sie bis an den Hals schwarz bekleidet, den Rücken
jedoch hält sie sich frei. Mir Stresemann", bemerkt Faust aliLL
Willi SchaefferS, der in die Schaugerichte unentwegt das Salz
seines Witzes jsseffert. Es ist mehr berlinisch als attisch» Er läßt
sich drollig massieren und unterhält als Stütze des Ganzen einen
lebhaften Verkehr mit dem Publikum. Sein Partner ist Leo P e u-
kert, der Regisseur, der sich kaum minder als Lebenskünstler er
weist. Me beiden wandern von Bild zu Bild, es ist köstlich, sie
immer wieder zu finden. Zaubert diese? als Fakir, so ist jener
gewiß sein Impresario; verwandelt sich der eine in einen Salon
tiroler, so singt auch der andere seine Schnadahüpferln. Ein Duett,
das durch Christr Mardayn ergänzt wird, die gar liebreich
Gesangeshöhen erklimmt, sei es als moderne Frau oder duftig als
eine Vision. Mit ihr vereint sich zuweilen Oscar Sachs, dessen
Oberbayerisch sich graunzend ergeht und viel Zu schollenhast ist, um
aus Wien zu sein. Zwischen den Couplets produziert sich wieder
holt das Tanzpaar Karins?« und Dolinoff; dieser, der
athletisch geraten ist, schwingt seine Partnerin Zu schönen Stellun
gen rhythmisch empor. In einer originellen Szene: „Zeitlupe"
scheint sie einsam durch die Lust zu schweben, wie es sonst nur
auf der Leinwand geschieht. Dann wieder begibt sich das Paar
in die Wüste; er verdurste mit ausdrucksvollen Gebärden, sie um-
tanzt ihn als UorMim. Andere Szenen geben dem ganzen
Ensemble Gelegenheit zu bunter Prachtentwicklung. Man beliebt
etwa quicklebendiges Badetreiben am heimischen Starnberger
Strand, oder verunstaltet eine Schau erlesener Diamanten.
Schmücken diese sonst Hälse und Hände, so ziert hier rosiges Fleisch
im Ausschnitt die glitzernde Fülle. Auf die Ausschnitte über
haupt kommt es an, wie sie frei gelassen sind, wie sie sich zeigen.
Dtan bringt die bewahrten Mischungen, die Kostüme selber wechseln
kaleidoskopartig im üblichen Revuestil. Die Girls in Jacken und
Hosen sind von netter Linienhaftigkeit, wenn sie sich schräg aneinander
schmiegen. Als Zigaretten-Allegorien machen sie einen Dunst vor,
der nicht nur blau ist. Grünlich winden sie sich in den brenne rr-
den Wald herein — eine lebendige Schlange, deren Auf- und
Aögleiten zu den besten Tanzmustern gehört. Das Bild selber,
das, wie es heißt, zum ersten Male in Deutschland aufgeführt wird,
ist von einer optischen Wildheit, die durch wer weiß welche
Maschinerien hier eingefangen ist. Tannenbäume, innerlich rot
glühend, purzeln zu Boden und begraben mehrere Leichen. Da
zwischen lodern niedliche Feuersbrünste, der Horizont auch ist illu
miniert. Lauter visuelle Ausschweifungen, die gewöhnlich in Apo
theosen endigen. Als Ruhepunkte sind einigt Wortszenen eingestreut.
Ein Sketsch etwa, dessen Sprachfügungen dem Publikum an
heimgestellt sind. Dieses kann einen beliebigen Buchstaben Vor
schlägen, mit dem nun alle Worte beginnen müssen. Die alt ein
gebürgerte Improvisation glückt stets. Es bewegt sich vielerlei zu
Walzer- und Jazzmusik, die Hintergründe sind zahlreich wie die
Beine, und man hat wieder einmal einen Querschnitt durch die
---Im Rahmen der R eichS gesu ndheitSwoch e wurde
Dienstag abend das bereits historisch gewordene AuMrungsstuck
von Brl« ux vor der Jugend gespW. Knaben und Mädchen
saßen rn dichten Scharen beisammen und ließen sich über die Ge
fahren der Syphilis belehren. Viele «och halb Linder, unfähig.