Lichtspielen.)
S» Krakauer.
Immerhin bezeugen einige Bilder die echtruffische Herkunft.
Mit unvergleichlicher Meisterschaft ist wieder der Raum be
wältigt. Der Zuchthaushof wird durch Aufnahmen von oben zur
? Wüste geweitet, ein von Mauern eingefaßter Weg, der wie eine
! Schnecke dem Fluchtpunkt Zuschleicht, ist das Zeichen Lähmender
Angst. So ist vielleicht noch nie die Landschaft des Petroleum
reviers gesehen worden: eine negative Landschaft, deren Bäume
Telegraphen'dvLHLs sind. Sie frißt die Menschen, sie verschlingt
buchstäblich den Zuchthäusler und seinen Begleiter. Die Kunst,
mit der die Figuren zum Raum in eine sinnvolle Beziehung gesetzt
werden, mag daher rühren, daß das russische Leben der gewaltigen
russischen Landschaft noch tief verhaftet ist.
(Der Film Ruft zur Zeit in den Fran k f u r te r Bieberbau-
fie nur im Hauptbahnhöf selber, mitten unter den Menschenströmen,
die sich durch mich nicht ablenken Lassen, und vor Gleisen, die im
Dunkel liegen, weil Zu dieser Stunde Züge hier weder abfahren
noch kommen. Oder ich begebe mich in das Cafe am großen Haupt
bahnhofplatz, in dem Reisende mit Handgepäck, Geschäftsleute und
seitwärts blickende Mädchen zwischen ausschweifenden Stuckornamen-
tsn und gemalten Idyllen schwatzen, schweigen, warten und gähnen»
Oder ich gehe die Kaiserstraße herunter, durch Konzertgeräusche
und Restaurantgerüche, und folge den Mädchen, die paarweise
wandeln. Wahrscheinlich gäben sie viel darum, in einem behag
lichen Zimmer zu fitzen, während ich es vorziehe, endlos zu
flanieren.. -
Manchmal freilich kann ich nicht weiter. Dann suche ich mich
vom Rausch des FlanierenS zu entwöhnen. Ich halte mich nur in
den vertrauten Straßen aus und mache abends bei Bekannten
und Freunden Visite. Mein bester Trick ist aber der: mich in einer
Hotelhalle von der Straßenwelt abzuriegeln. Der Fußboden ist mit
schönen Teppichen belegt, in einem Klubsessel findet der Flaneur
seinen Frieden. Oder beginnt seine Wanderung von diesem PunkL
aus erst recht?
— BerMene Gesichter. Unter diesem Titel läuft für einige
Lage in den Ufa- Lichtspielen ein amerikanischer Film, der in
das Gebiet der rührseligen Kolportage gehört. Ein ehemaliger Hoch
stapler, edel wie die Hochstapler in den Romanen, wacht über
dem Glück seiner Tochter, die nicht ahnt, daß er ihr Vater ist.
Seine Vaterliebe bezahlt er mit dem Tod, der als Endeffekt,m
Amerika jetzt Häufig dem Happh end vorgezogen wird. Ostenbar
aus dem Gefühl heraus, daß eine so prosperierende Natwn
es sich schuldig sei, auch dem Tragischen seinen Platz einzuräumen.
Wenn es mit dem äußeren Wohlstand so weitergeht, werden m:
Filme mit tödlichem Ausgang noch überhand nehmen. Unter
den Darstellern sei William Powells gedacht, der in dem Frlm:
„Polizei" den schnöden Verbrecherkönig spielt. Clive Brook ist
Gentlemen vorn Scheitel bis- zur Sohle. AacL.
Gk«er, der nichts zu tu« hat.
Wahrend des leichten Nebels, der in der letzten Woche herrschte
— er ist das rechte Wetter geborener Flaneure «-« stieg meine
Knabenzeit vor mir aus. Dem Knaben war Frankfurt unendlich.
Schwamm wie so oft in der Dämmerung jedes Laternenlicht in
einem leuchtenden Nebelhos, so wurde er wie ein Mondsüchtiger aus
dem Haus getrieben und schweifte ziellos durch die angreifbaren
Straßen. Ich entsinne mich noch, als sei es gestern gewesen, jener
Streifzüge durch ein immer wechselndes Wandelpanorama von Bil
dern. Sie wurden im Rausch unternommen und erzeugten in mir
ein Glücksgefühl ohnegleichen. Ihr Merkmal war, daß sie mich
stets aus dem Dunkel in die Helle führten. So ging ich von der
Siadtbibliothek aus über die Obermainbrücke, ließ mich von den
Sachsenhäuser Gassen verschlingen, glitt einem Flußkahn gleich
durch die Allee am Stadel vorbei, versank im Main, der Zögernd
ins Leere schwand, und fand mich aus der Kaiserstraße wieder, dem
Mittelpunkt des städtischen Lebens. Oder ich sickerte aus der ein
samen Miquelstraße allmählich und genußsüchtig in die verkehrs
reicheren Straßen herein. Der Kombinationen gab es viele, und
jede Straße war für mich eine Provinz, die ich als ihr angestamm
ter Herrscher bereiste. Allerdings Zeigte ich mich nie im Glanz
meiner Würde, sondern liebte es, unerkannt zu bleiben wie Harun
al Raschid. Eine Zierde meines Reiches war die Goethestraße. Sie
umfing mich wie ein wohlig gewärmter Festsaal, in dem sich lauter
gutgekleidete Leute bewegten, und nur schwer vermochte ich mich
von den Pelzen hinter den Spiegelscheiben zu trennen, den Buch
läden, die Palästen glichen, den Konfitüren und Brenren. Hier
war immer Weihnachten, der Nebel hatte hier keine Macht.
Inzwischen habe ich viele Städte gesehen und mit Frankfurt
vergleichen gelernt. Es besitzt nicht die Unermeßlichkeit, die eine
Vorbedingung des Flanierens ist, ich Hoeiß es genau. Und dennoch
bin ich in Frankfurt der Flaneur geblieben, der ich als Knabe war,
und noch immer ist mir die Stadt die alte Knabenstadt. Wir haben
Geheimnisse miteinander geteilt, und fest gefügt wie die Schlösser
aus den Kinderbilderbogen ist mir ihre Erscheinung. Nicht so, als
ob mir entginge, daß die Goethestraßs eine kleine Straße ist und
die tzauptwache alles andere eher als ein weltstadtisches Zentrum;
aber die früheren Eindrücke bannen stets wieder die Wirklichkeit
und überdies habe ich selbst mich geändert. Ich finde mitunter Ge
fallen an der Beschränkung, die gerade in Frankfurt so gar nicht
kleinstädtisch ist. In Ausübung meines Berufs als Flaneur ziehe
ich oft von Cafe zu Cafä. Von meiner Stimmung hängt ab,
welches ich wähle. Hole ich einen Freund von der Oper ab — ich
hole grundsätzlich lieber ab, als daß ich an einem Vergnügen tell-
nähme, von dem man aögeholt werden kann —, so suche ich dm
winzigen Cafäraum gegenüber dem Opernhaus auf, in dem sich
Morsten, Musiker, Sofas und Kartenspieler vermengen. Die eine
Tochter des ehemaligen Besitzers hat dieses geistige Außenfort ver
lassen und ist zur Bühne gegangen. Zu anderen Zeiten siedle ich
mich in dem bekannten Cafe nahe dem Schauspielhaus an. Hier
ergötze ich mich am Anblick der Schauspieler und namhafter, ja be
rühmter Persönlichkeiten. Manche von ihnen find Schriftsteller. Der
Geschäftsführer kennt sie alle und unterhalt sich mit ihnen über ihre
Werke. Nicht immer duldet es mich im Schein solcher Geborgen
heit. Doch ich treibe dann nicht mehr aus dem Dunkel ins Licht,
das dem Knaben die Gewahr der Seligkeit war, sondern entschlüpfe
dem Glanz, der zweifelhaft ist, und wende mich trüberen Orten
zu, Durchgangsstätten, an denen niemand gern weilt. Je über-
füllter sie find, desto mehr tragen ste den Stempel der Verlassenheit;
denn mau ist an ihnen nicht mit den Menschen zusammen, sondern
zwischen ihnen, in jenen Lücken, in denen sich wie in Müll
gruben verweste Gedanken und Absälle'von Träumen häufen. Ein
solcher Ort ist der Hauptbahnhöf. Abends in seiner Quer
halle auf und ab zu schlendern, ist ein unabweisbares Bedürfnis für
mich, wenn ich aus der allzugewohnten Stadt fliehen will. Reiste
ich ab, so wäre meine Flanierlüst auch nicht befriedigt. Gestillt wird
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omsrkLttunK ru st^iKsru. -
-- Peter, der Matrox. Schüuzel stcht in diesem Film der
A l e m a n n i a - Lichtspiele mit dem einen Fuß auf der Nordsee,
mit dem andern auf den Alpen. Ein von ihm gewonnener Preis
ermöglicht ihm. dem Matrosen, den Aufenthalt in einem Luxus
hotel zu SL. Moritz. Hier trifft er die Frau, die ihn ruiniert
hat — Renate Müller, mit ihrem handfesten Kindergesichtver-
zecht ihr schließlich, und kehrt wieder zurück Zu seinen Schiffen. Die
Nührseligkeit der Fabel ist schwer Z - überüieten; ihre Unwahr-
scheinlichkeit erhöht sich dadurch, daß der Matrose auch im Luxus-
l'üel üümu a ro7 mnbM- . N-mm Fi m eine nur
gerade angedeutete Pointe nicht weiter ausgeöaut wird, die mn
gutes Lustspielthema abgegeben hätte Die scheinbare Betrügerin
hat nämlich einen Schriftsteller geheiratet, der von der roman
haften Handlung, die durch das Wiedersehen seiner Frau mtt
dem früher geliebten Matrosen heraufbeschworen wird, nicht das
Geringste erfährt. Warum SchünZcl immer von neuem danach
trachtet, seine starke Begabung durch falsche Aufgaben Zu ent
stellen? Er hat einst im Smoking besser gewirkt als heute in der
Matrosenbluse. ch