Markt'vorhanden sind; sie treten nicht eigentlich hervor, um ge
wisse Wirkungen zu erzielen, entstehen vielmehr Kraft der Appa
ratur und sind substantiell höchstens im Nebeneffekt. Im Rahmen
der bestehenden Rundsunkorganisation wird daher die Forderung
Wallners überhaupt nur unvollkommen zu verwirklichen sein. Den
noch hielte ich auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen Ex
perimente für möglich, die sie annäherungsweise erfüllten, oder
doch das unabweisbare Bedürfnis nach ihrer Erfüllung erweckten.
8. Lraeauer.
schwer möglich ist, daran trägt freilich ein etwaiges individuelles
Versagen nicht die Hauptschuld. Die Umstände sind stärker als der
Wille, der sie verleugnen möchte. Sowohl der Zwang zur Neu
tralität beim Rundfunk wie die Notwendigkeit unausgesetzten Ver-
schleierns von Darbietungen drängen von der strengen Sichtung
ab, zu der eine richtige Führung sich veranlaßt sähe. Es ist nun
einmal so: die Rundfunkproduktionen haben heute Warencharakter.
Sie werden nicht um eines großen Planes willen erzeugt, sondern
weil das Instrument zu ihrer Erzeugung und ein aufnahmefähiger
jenes Jonglieren, frei von der Schwerkraft der Vernunft . . ."
Vorausgesetzt selbst, daß ein solches Ineinander alle Ansprüche
befriedigte, die billigerweise an seine Komposition zu stellen wären,
so schlüge es doch der oben angeführten Forderung ins Gesicht.
Während nämlich nach ihr der Rundfunk „Helfer, Wegbahner,
Führer zu neuen oder verschütteten Werten" zu sein hätte, müßte
er im Falle der romantischen Reihe „frei von der Schwerkraft der
Vernunft" jonglieren. Es ist aber schlechterdings unmöglich, das
eine Mal den Rundfunk mit einer Führer- und Helferrolle zu be
trauen, die doch gerade den Einsatz der Vernunft erheischt, und das
andere Mal sein Stilideal mit dem der Romantik in einem Sinne
zu identifizieren, der die Entthronung der Vernunft bedingte.
Indem man mit der angegebenen Begründung die Darstellungen
der Romantik unternimmt, gibt man die Aufgabe preis, die jene
Forderung dem Rundfunk setzt. Wäre indessen das beabsichtigte
„wohlkomponierte Ineinander", so kgnnte eingewandt werden, nicht
wenigstens dazu imstande, „verschüttete Werte" freizulegen? Keines
wegs. Denn soll die Rede von den „verschütteten Werten" einen
Sinn erhalten, so müßten die Darbietungen das romantische Wesen
nicht wiederspiegeln, sondern interpretieren. Sie hätten sofort ihre
Legitimität, wenn sie, statt romantisch zu „jonglieren", die Ro
mantik von dem Standpunkt eines fortgeschrittenen Bewußtseins
aus zu erhellen versuchten. Nur eine kritische Betrachtung der Ro
mantik vermöchte zu erweisen, daß der Rundfunk des ihm zuge
muteten Führertums wirklich fähig ist. Aber von ihr, auf die es
Wallner im Interesse der Uebereinstimmung seiner Grundforderung
mit dem Programm ankommen sollte, wird in dem Bericht nicht
gesprochen.
Auch andere Programmpunkte halten sich nicht an den Leitsatz,
den Wallner selber proklamiert hat. Die Wiedergabe der Tischrede
eines Nobelpreisträgers beim Bankett in Stockholm zur Einfüh
rung in sein Werk; Gespräche unter dem Titel: „Das Buch", die
angeblich „jedem am geistigen Leben Interessierten" betreffen wer
den; kurze Veranstaltungen, die dem Vortrag lyrischer Gedichte
gewidmet sind — wie wenig entspricht ein derartiges Kunterbunt
von Bildungsstoffen dem im Bericht formulierten Ziel des lite
rarischen Rundfunks: den Hörern zu helfen und Wege zu bahnen.
Gewiß, man kann dieses Ziel durch die Betrachtung der verschie
densten Literaturgebiete erreichen. Faktisch aber benehmen sich ihm
gegenüber die meisten vorgeschlagenen Serien nicht minder spröde
wie die der Romantik zugeeignete Reihe. Oder darf man der
Hebung verschütteter Werte viel Vertrauen schenken, wenn zum
Beispiel die Notwendigkeit erläuternder Begleittexte zu den Büchern
der Nobelpreisträger wie folgt glossiert wird: „So weit ein biß
chen Literaturkritik und Literaturhistorie sich dabei nicht ganz ver
meiden läßt, soll sie durchaus eine 8cieinL sein?" Das ist
Dilettantismus, und Veranstaltungen die so dilettantisch aufge
zogen sind, verhalten sich zu den Werken nicht anders wie die Re
portagen zur Wirklichkeit; statt die Gehalte des Werks zu kommen
tieren, geben sie irgendeine Ansicht von ihm. An einer Stelle be
dauert Wallner, daß die Literatur im Rundfunk eine Art von
Lückenbüßerin sei. Ihre Bestimmung scheint sich noch wenig ge
ändert zu haben.
Daß eine grundlegende Aenderung trotz der besten Vorsätze
Literatur und Wundfunk.
Berlin, Anfang August.
Der Dramaturg des Südwest deutschen Rundfunks
Dr. Franz Walln er hat kürzlich vor dem dieser Station Zu
geordneten Kulturbeirat über das Thema: „Literatur und
Rundfunk" gesprochen. Seine Ausführungen verdienen darum
das Interesse der Oeffentlichkeit, weil sie einige grundsätzliche
Bemerkungen über den Ausbau des literarischen Programms an
einem der großen deutschen Sender enthalten.
Zwei Feststellungen des Vortrags scheinen mir besonders
wichtig zu sein. Einmal die Wendung gegen eine Überschätzung
der Reportage, die Wallner nicht ansteht, „Wirklichkeitsrummel"
zu nennen. In der Tat wäre nichts verkehrter, als im Rundfunk
jene Berichte zu häufen, deren Wert sich in ihrer Aktualität er
schöpft. So notwendig Informationen zum praktischen Gebrauch
der Hörer sind, so überflüssig, ja schädlich ist die fortwährende
Darbietung beliebiger Ausschnitte aus dem gegenwärtigen Leben.
Denn sie erschließen nicht die Wirklichkeit, sondern photographieren
sie bestenfalls, und zwar von einem Blickpunkt aus, der mehr oder
weniger zufällig ist. Man wird also durch sie weniger aufgeklärt
als verwirrt und empfängt statt eines maßgebenden Bildes der
Wirklichkeit Impressionen von deren Oberflächengestaltung, die
sich mit dieser wie Wolken verflüchtigen.
Zum andern ergänzt Wallner seinen Protest gegen die zu
stark betriebene Reportage durch eine Forderung, der man eben
falls, zumindest provisorisch, gern zustimwen wird. „Literatur",
so verlangt er, „muß näher an die Hörer-Front. Sie muß es,
weil der Rundfunk nicht nur der Spiegel der Zeit, sondern auch
Helfer, Wegbahner, Führer zu neuen oder verschütteten geistigen
Werten sein soll."
Wer an diesen programmatischen Leitsätzen von Wallner aus
gestellte Programm selber mißt, wird nun allerdings enttäuscht
sein. Nicht so, als ob es die verkündigten Prinzipien ganz und
gar im Stich ließe. So faßt es etwa den guten Borsatz, einen
,,Naturschutzpark der Mundarten" anzulegen, in den exemplarische
Proben der mehr und mehr schwindenden Dialekte eingepflanzt
werden, oder will sich, im Einklang mit den allgemeinen Richt
linien, der vernachlässigten Dichter annehmen. Aber in seinen
Hauptpunkten ist es doch hilflos. Mehr als das: es wid erstreitet
geradezu der entscheidenden Absicht des Programms.
Ich beschränke mich im wesentlichen auf die Analyse eines Prv-
grammteiles, in dem die gegen diese Absicht gerichteten Tendenzen
deutlich durchbrechen. Es handelt sich um die geplante Reihe von
Veranstaltungen über die deutsche Romantik. „Vom Romantiker
Standpunkt aus soll über Gott, Weltanschauung, Unsterblichkeit,
Liebe gesprochen werden, über Musik, Malerei, Roman, Märchen,
Theater. Alles durchseht mit reichlichen Proben, lyrischen und
epischen, deren zwanglose Einführung Sache des geschickten Be
arbeiters ist." Wallner denkt an ein „wohlkomponiertös Inein
ander", von dem er meint: „Es genügt nicht nur dem Form
willen des Rundfunks, es ist auch ganz und gar ,romantisch.
Romantisches Ideal und zugleich SLilideal des Rundfunks ist