den Sinn für die Heimat und die
rLQ.
Njm Im Schumann - T'h eurer wird der Film
„Nju" gezeigt, eine dreisAZ« Geschichte mit schlechtem Ausgang
nach einem Roman von OM Dymow. Nju, die „unvsrsiaiweue
Krau*, ein undefinierbares Genusch aus Heüda, Nora und Lulu,
erblickt „ihn" zufällig auf der Straße, liebt ihn aus diesen Blick
hin aus Langeweile, verläßt ihren Gatten, wird auch von jenem
anderen Verlassen und ertränk sich zum Schluß. Votta! Die Ge-
jchrchte ist ein wenig zu konsistent für den Film, aber Regie und
Technik übersetzen das Epische in die Bildsolge und geben die
Zwischentöne, soweit eS nur irgend geht. Der Schwerpunkt rühr
auf den darstellerischen Leistungen. Conrad Veidt als Verführer
kehrt den blasierten Weltmann heraus, den man mehr ihm glaubt
als den- Dichter- Die Nju Elisabeth Bergners mit ihren ge
schwungenen Augenbrauen und der beredten Rückenlinie ist das
Weib, das weder Dauer noch Treue erfragt, sondern in der gegen
wärtigen Leidenschaft allein die Erfüllung findet. Erschütternd
Iannings als Ehegatte: M Beginn naiv besitzend, gut, aber
etwas zu sehr tölpelhaft und behaglich dann stutzig und daS Un-
bcgrMiche kaum erlassend, besinnungslos um sich schlagend spater
und für Augenblicke Barbar und zuletzt, wenn das Innere dürch»
brickt, Liebe nur, Mitleid, das nicht versteht, und verzweifelte
Preisgabe seiner selbst angesichts des Unabänderlichen. —- In
einem Ekctsch: „Der Befehl" stellt sich dann Conrad VeLdr
als junger Elregatt^ persönlich dem Publikum vor. Schreckliches
geschieht mir ihm. Er wird von einem rachsüchtigen Arzt in Hyp
nose versetzt und muß seine eigene Frau mir dem Papicrmcffer er
dolchen- weil diese den Arzt verschmäh!, ffntz Odemar gibt sich
das unheimliche Aussehen des Hypnotiseurs und Krl. O»erhoff
weiß Würde, Liebe und Angst zu vereinen. Conrad Veldt schickt
sich in das Unvermeidliche und spielt eS ss glaubhaft wie möglich
Das Publikum hielt mit Beifall nickt Zurück. rac.
Wohlauf, nsck getrunken ... In den l! k a - L i ch t s p i e
len zeigt sick ein Film: „Wein, Weib, Gesang", mit dem
man aber nicht die ein wenig liederlichen Vorstellungen verbinde,
der Dreiklang gewöhnlich auTZulösen pflegt. Vielmehr: der
Film beansprucht die Würde eines deutschen Kulturfilms
und entrollt mit der ganzen Ack^bmckkit und Gemessenheit dieser
Gattung. Der vsrm» geschickt- historische Teil mginm wir rs Uch
ur eine gründliche Darstellung der Geichrchre des Weinbaus
ziemt, bei Nsah und läßt unter anderem einen wenig dionysischen
Bacchuszug vor der Kopie eines griechischen Tempels cmsnurr*
schieren. Der Hauptteil verbreitet stch über den deutschen
Weinbau in allen seinen Zweigen. Theoretisch ZuMchst: man
beobachtet die Winzer bst der Arbeit, lernt die Reblaus in Groß-
ausnahme kennen, studiert die Abwehrmittel gegen die Lchadunge
ulw. 'Geographisch-kulturell sodann: man durchwanden dre
schönen Weingegenden Deutschlands, erlabt sich, an Würzburg
schlendert im MoselLaft folgt dem Nheinlauf und mischt stch überall
geruhsam unter öie Bevölkerung, die ihre Landessitten enualteü
Da-MBen eingestreut Erinnerungen, die stch an gewisse Orte und
Weine knüpfen: Du siehst Schiller leibhaftig und begeistert dich
ten. belauschst den in einer poetischen Laube sitzenden Scheflel bei
der Abchi una eines Zeckerliedes und nimmst teil *an jenem ge
waltigen Truu? des Nothenüurger Bürgermeisters Wusch, der die
Prominenten der Stadt vor dem Todesurteil durch Tillh errettete.
Kurzum: ein Schweifen durch Zeit und Raum- ein üppiges Ran.
kenwerk um das Faktum der Reben. Dazu erschallt, von einem
unsichtbaren Chor vorgetragen, ein alles Volkslied umZ
andere, kodaß man in eine rechte Trinkstimmung gerät und Meu-
ni-ni in das nächste Wirlshaiiz enischlüpfen mochte. Im Enrste
vcivroüorn: es erscheint fraglich, ob der Film ferne Vestrmmung,
den Sinn für die Heimat und die Freud? an ihren schönen Gaben
und Gebräuchen zu erwecken, auch wirMch «Ern lärme. Am
ehesten dam angeian sind die guten Landmasts- und Stadte-
bilder und die obM-be Auskünfte über die Tatsachen der Wem-
ft'ltnr, di- eingedickten unterhaltenden Szenen dagegen erscheinen
manchmal zu abüchtlich und gestellt. Immerhin mag die Kom
position ihres sachlichen Gehalts wegen zumal den schulen emp
fohlen werden.
Wom Wamne des Bösen".
Ein ftanzöstscher Autor, Marcel Berg er, gleich aner-»
kannt als Schriftsteller und als Sportsmann — seine epische
und seine dramatische Produktion sind der Auszeichnung
ebenso wert erachtet worden wie seine Leistungen auf dem
Gebiet des Tennisspielens. der Schwimm- und Boxkunst
hat diesen Nachkriegsroman: „VomBaumedeS Bösen"
(übersetzt von Hans Adler, Verlag Carl Schusdek, Wien und
Leipzig) geschrieben, in dem die Geister der Hölle auf die
Kriegsschuldigen losgelassen werden. Das Buch tragt im
Original den Titel: 61<zux trsnidleul"; und in der
Tat: die Götter der bürgerlichen Gesellschaft stehen hier vor
einem Gericht, dessen Spruch sie erzittern macht, ehe er stch
an ihnen vollstreckt.
Auf dem Loersberg in der Schweiz, einem unzugänglichen
Felsen von 2000 Meter Höhe, dessen Gipfel nur durch eine
Drahtseilbahn erreichbar ist, erhebt stch eine Burg aus der
Feudalzeit, die man während des Kriegs restauriert und in
ein Luxushotel umgewandelt hat. Ein exponierter Vorposten
der Zivilisation, der im Sommer 1919 erlesenen Besuch aus
nahezu allen Ländern Europas ernpfängt: den franzö
sischen Abgeordneten Marius Dartigues, den deutschen
v. Weißweiler, den österreichischen Diplomaten Baron Ho!«
beck, den rumänischen Dichterhelden Titto Vertescu, der mit
Vornamen auch Gabriele heißen und Italien besingen könnte,
den englischen Minister Sir Cecil Harbour und andere
Prominente mehr — niemand ist ausgenommen, weder
Amerika noch die neutrale Schweiz. Man hat den Krieg im
Rücken, der Groll von gestern beginnt zu weichen, und das
unverwüstliche Leben regt sich harmlos und leicht. Marius
flirtet, Titto rauscht auf prangenden Phrasen dahin, der
amerikanische Oberst unterhandelt wegen Eisenbahnkonzessio
nen und ein junges französisches Ehepaar freut sich des siche
ren Glücks- Lultzuts aorttiulo ein.rs vergeßlichen Geschlechts,
das der anoerichteten Zerstörungen kaum mehr gedenkt und
nur leben will, leben.
Einer aber ist, der nicht vergessen kann, weil keine Zukunft
seiner wartet: Philipp von La Tour-Ahmon, ein Sterbender,
dem nicht mehr als zwei.Wochen noch öeschieden sind. Vom
Tod ereilt, blickt er mit einer von der Angst des Wahnsinns
übersteigerten Hellsichtigkeit nach rückwärts und in die
Tiefs, durchdringt die Scheinhaftigkeit des um ihn aufflaUern-
den Lebens und möchte das entschlüpfende, über ihn himveg-i
drängende seschalten bei der Erkenntnis, daß es gefrevelt habe
und nicht davonjagen dürfe, als ob die Welt in ihrer Ordnung
sei. Evelyns, Titto, Marius, der Großfürst und die andern
alle.: wie kann diese illustre Gesellschaft, die an dem Unter
gang der Millionen schuldig ist, wie kann ste, so fragt er v.ev-
Alveifelt im Angesicht des Todes, Lustbarkeiten jetern hier, das
Dasein uybedenKich auskosden, weiter zeugen, weiter planen,
ohne von Entsetzen LNgepackt zu sein über stch selber, ohne im
VerwesurrMestank zu vergehen, der den Schlachtfeldern wieder
und wieder entsteigt? „Ist nicht unsere ganze bürgerliche Ge
sellschaft am Rande eines Abgrundes aufgebaut?" Ist ste nicht
reif für die Vernichtung?
Die Frage findet ihre Antwort durch ein Geschehen, das
kolporbagehast wäre, wenn es nicht ein Künstler gestaltet hätte.
Philipp bewirtet an einem von dem Hotelier verunstalteten Feste
die Gäste und das Personal mit Chartreuse, der ein Gift bei
gemischt ist, das die Menschen zum Auspumdern ihrer ver
borgenen Gedanken zwingt, bevor es ste in die Qualen des
gewissen Todes schiL Allmählich erst — niemand ahnt noch
Aas Verhängnis — wird die Convention verlassen und die
Orgie des Bekennens hebt an. Der Wahnsinnige schreitet von
Gruppe zu Gruppe, er befragt jeden einzelnen um seinen. An
teil an der Schuld, und jeder einzelne entlarvt sich ohne Rück
halt, o^ne Scham, gesteht, als sei es selbstverständlich so, feine
Mittäterschaft an dem Verbrechen der vergangenen Jahre:
Li'to mit Rhetorik, der Großfürst im Suff, der Arzt als Mann
der Wissenschaft, der Dankes sachlich und schnöd.
Unaufhaltsam enttollt sich nun das Todesbacchanal, kunst
reich cwsgenmlt wie der Höllensturz eines Rubensschen Kolm-
salg -mäldes. D^.s w-^nki du ch die Korridore, wühlt sich durch alte
Fel enaänge vergeblich in die Tiefe, sucht letzte Liebeswonne
und erlahm^ vor der Umarmung, geifert einander an, läßt sich
mitleidlos im Stich und verendet je nach individueller Anlage:
erbärmlich wie Marius, mtt schöner Gebärde wie der große Poet
oder mit versöhnendem Heroismus wU der alte französische
General. Der Schrecken wird gemehrt von dem meuternden
Personal, das wie ein Spuk auT der Unterwelt die Prunk
gemächer durchfegt. Niemand entrinnt- LeichenknäueL sind
der Rest.
Ein Äuch det Panikstimmung und des Hasses — eines
Hasses, der rnchr beinahe als gegen die Schuld am Kriege gegen
Schuld der Vergeßlichkeit stch wendet und ein Leben der-
Sammt, das dE Tods entläuft. Diese Gesellschaft, die durch