Pathos des Kriegs substanziieren zu können. Hierzu bedürfte es der
Bezugnahme auf eine Idee, die das Faktum des Kriegs tatsächlich
umklammerte. Stattdeffen leiten die betreffenden Vorschläge ihre
Architekturen aus Vorstellungen und Begriffen ab, die viel zu.
dünn, ausgelaugt und neutral sind, um diese Architekturen selber
zu rechtfertigen. Der Komplex der fünf Steinpfeiler ist ein Sym
bol, das weniger, GewiM als die Steinpfeiler hat, und der von
den Figuren getragene Block erdrückt den Gedanken, der ihm zu
grunde liegt. Leicht verständlich, daß von so schwachen symbolischen
Werten auch die rein architektonischen in Mitleidenschaft gezogen
werden.
Solche Erwägungen sind offenbar auch bei der Urteilsbildung
von Einfluß gewesen. Denn das Preisgericht hat eine Reihe von
Entwürfen anerkannt, die sich positiver Aussagen enthalten oder
doch jedenfalls mit einem Minimum von Bedeutungen auszukom-
men suchen. Unter ihnen hefindet sich zum Beispiel ein architek
tonisch ansprechender von Ernst Zinßer, der das eigentliche Mal
als eine Art von offenem Atrium ausgestaltet. Auch andere preisge
krönte Vorschläge Ziehen sich Zur Hauptsache auf den wirksamen my
thischen Gehalt des Waldes und der Landschaft zurück. So verbindet
Dr. Heinz Hildner die drei Hügel des Geländes durch einen Rund
weg, von dem aus sich allenthalben Blicke auf den tiefer gelegenen
Versammlungsraum in der Mitte eröffnen. Uebersteigert wird
der dem Wald rechtmäßig beizumessende Sinn in einem Projekt,
das einen kreisrunden „heiligen Wald des Schweigens" anordnet,
den es durch einen ringartig ausgeholzten breiten Gürtel von der
profanen Außenwelt absondert. Die Funktion des Waldes erlischt
sofort, wenn er zum symbolisch gemeinten Architekturelement er
hoben wird, und ich wüßte nicht, wie man die Leere dieser Sym
bolik drastischer kennzeichnen könnte als der Verfasser des Pro
jekts selber, der nicht verabsäumt, feinem „heiligen Wald des
Schweigens" gleich eine Planskizze zur „Verkehrsregelung im
Ehrenhain bei vaterländischen Veranstaltungen" beizugeben. Vor
sichtiger verkehren Gerhard Morgenstern und Kurt Voutta mit den
Symbolen, die Autoren eines Entwurfs, der sich nicht auf ein
einzelnes Wahrzeichen beschränkt, sondern eine Menge von Ge
denksteinen, die den verschiedenen Ereignissen des Krieges gerecht
werden sollen, über den Hain verteilt. Hier wird der Besucher
aktiviert, und Wald und Erinnerung wirken zusammen auf den
Wanderer ein. „Das SchlagwortarLige, das viele Einsender such
ten", heißt es auch sehr richtig in der Begründung des Preis
gerichts zu diesem Entwurf, „ist hier verdrängt durch das An
schauliche". Pros. Wilhelm Kreis nutzt ebenfalls das Motiv des
Weges gut aus: zum eigentlichen Mal führt eine ansteigende
Waldschneise, an deren Ende sich hochragende Kriegergrabkreuze
gegen den Horizont abheben. Ueberhaupt wird Kreis diesmal
feiner Neigung zur Monumentalität Herr und behandelt das
Symbolische mit reifer Zurückhaltung.
Der Rest ist nicht Schweigen im Walde, sondern Radau. In der
Tat: wer die Masse der ungekrönten Entwürfe durchmustert, dem
vergehen die Sinne vor wildem Geschmetter und ein Alpdruck,
der nicht nachlassen will, senkt sich auf ihn herab. Siegesalleen
runden sich Zum Kreis, Völkerschlachtdenkmäler stolpern himmelan,
wuchtige KoloM trampeln alles nieder, Steinbogen wölben
sich über der nichtsahnenden Landschaft, protzige Schwimmhallen
gebärden sich als Gedenkstätten und Monstrefilmtreppen nehmen
ihren Lauf. Diese architektonischen Exzesse, deren manche vor das
Forum des Psychoanalytikers gehörten, belegen sinnfälliger als
Statistiken die Zerrüttung im Innern. Verzweiflung symbolisiert
in ihnen mythische Gewalten, von denen sie nicht ergriffen ist, und
Ohnmacht umgibt sich hier lautsprecherisch mit. Monumenten.
Nicht alle preisgekrönten Entwürfe vermeiden das „Schlag-
wortartige", das die Gutachter unmißverständlich geißeln. Den
Passierschein erhalten hat etwa ein Ehrenmal in Gestalt eines
gewaltigen Steinblocks mit der weithin sichtbaren Aufschrift:
„2 000 000", den dichtgedrängte Figurenscharen stützen. Oder dgs
Mal setzt sich aus fünf ungeheuren Steinpfeilern zusammen, die
der Bezeichnung der fünf Kriegsjahre dienen. Aehnliche Lösungen
finden sich unter den anerkannten noch mehr. Sie haben dies ge
meinsam: daß sie sich aus dem Negativen herauswaaen ob»-»
Angesichts der vollendeten Tatsache von 1828 Entwürfen ist es
nicht an der Zeit, das Projekt des Reichsehrenmals selber noch
mals zur Diskussion zu stellen. Genug, daß die. Ausstellung
schlagend die Schwierigkeiten dartut, in die dieses Projekt sämtliche
um seine Verwirklichung bemühten Künstler stürzt. Woher rühren
die Schwierigkeiten? Sie haben ihren Grund nicht zuletzt darin,
daß sich eine einheitliche, überragende Auffassung des Kriegs
noch nicht hat durchsetzen können. Verschiedene fundamentale
Prinzipien kämpfen heute um ihre Geltung, Erkenntnis und
dunkle Machtansprüche liegen miteinander im Streit —° das
Ehrenmal aber soll seiner Bestimmung gemäß Gehalte vergegen
wärtigen, die allen gemeinsam sind. Diese Aufgabe Ließe sich mit
Erfolg angreifen, wenn ein Prinzip herrschte, das wirklich allge
mein bejaht Zu werden verdiente. Sie in unserer Situation positiv
Zu bewältigen, ist unmöglich.
Keichsehrmmal.
Zur Ausstellung des Jd eenw ettbew erbS.
i'« Berlin, im Juni.
Der Wettbewerb zur Erlangung von Vorschlägen für die Aus
gestaltung des Reichsehrenmals, das bekanntlich bei Bad
Berka (Thüringen) in Form eines Ehrenhaines errichtet wer
den soll, hat eine Unmenge von Architekten, Bildhauern und
Malern mobilisiert. Nicht weniger als 1828 Entwürfe sind ein-
gelauM, die teilweise noch durch Modelle ergänzt werden. Sie
füllen die Ausstellungshallen am Lehrter Bahnhof, riesige Räume,
die kaum die Ausgeburten der Monumentalfantasie zu fasten ver
mögen. Ihre Sichtung muß eine wahre Herkulesarbeit gewesen
sein. Das Preisgericht, das sie Unter dem Vorsitz von Staats
sekretär Zweigert geleistet hat — dem Kollegium gehörten u. a. der
Reichskunstwart Dr. Redslob und verschiedene namhafte Archi
tekten an —, ist zur Prämierung von 20 Entwürfen gelangt.
Zwanzig weitere Vorschläge sind mit Anerkennungspreisen bedacht
worden.