fenden Lebendigkeit des göttlichen Willens" versetzt. Nun,!
diese Auffassung verleiht zwar der eigenen Wertentscheidung
einigen metaphysischen Glanz, schließt aber darum doch, rein
wiffenschafüich-objektiv betrachtet, wie es sich hier gehört,
keineswegs das gleichzeitige Vorhandensein anderer Wert
maßstäbe aus, die ebenfalls auf Grund historischer Erfahrung
intuitiv gewonnen sind und darum allesamt ohne Unterschied
eine überrelative Bedeutung für sich in Anspruch- nehmen
können. Man steht: an dem der Historie notwendig zu ge
sellten Relativismus wird trotz Troeltschs Versuch, ihn wsg-
zuintetpretieren, kein Jota geändert, es bleibt vielmehr alles
! so, wie es vorher schon war.
Und warum doch? Weil Troeltsch — dies aber ist der
springende Punkt — den Sprung in Wahrheit gar nicht voll
führt. Kierkegaard, sein Kronzeuge, springt wirklich; ohne wie
Troeltsch durch „wissenschaftlich-historische Selbstbesinnung"
seiner Intuition „innere objektive Notwendigkeit" sichern zu
wollen, entschließt er sich dazu, die Paradoxie, daß das Ewige
einmal in die Zeit eingetreten ist, gerade um ihrer Absurdität
willen anzunehmen, und springt so freilich mitten in das Ab
solute hinein. Damit hat er aber den archinredifchen Punkt
außerhalb des historischen Prozesses gefunden, und nichts
brächte ihn mehr dazu, gleich Troeltsch das ergriffene Absolute
wieder in die Geschichte einzufenken, um es derart von neuem
zu relativieren. Wie gründlich mißversteht Troeltsch hierin
Kierkegaard! „Wenn Kierkegaard... bei diesem Sprung",
äußert er mit überlegenem Bedauern, „in ein . . . asketisches
Christentum sich htneinstürzte, so ist darin dann freilich noch
das instinktive Bedürfnis nach absoluten Autoritäten neben
allem übrigen wirksam." Ein instinktives Bedürfnis! Als
habe Kierkegaard aus instiEivem Bedürfnis und nicht aus
Verzweiflung den Sprung gewagt, als fei es ihm 'darum zu
tun gewesen, nur so ein wenig zu springen und dann mit
Hilfe der glücklich ersprungenen Wertmcchstäbe jene selbe ge-
schichtsphilosophifche Spekulation wieder aukzunehmen, der er'
gerade durch seinen Sprung entkommen wollte. Troeltsch aber.
will beides: aus dem Relativismus herausspringen und zu
gleich als Wissenschafter im Bedingten verharren und Ge
schichte treiben. Es entgeht ihm, daß mit dem Eintritt in die
Beziehung zum Absoluten sofort der Historismus unmöglich
wird, und 'daß MMkehrt dort, wo dieser statthat, sich un
weigerlich der Zugang zum Absoluten verschließt. Zu sehr
bedrängt von den Anklagen der Fugend regen die Wissmschoft,
um gettost zuzugeben, daß das historische Denken voü sich aus
nimmermehr das Absolute in seinen Bannkreis zwingen kann,
versucht er, das Unvereinbare doch m'tein-M-der zu vereinen,
und verfängt sich derart in einem ScheingkkÄ, dessen Schein
auflösung ihn begreiflicherweise M einem leidigen Kompromiß
führen muß. Denn ein Kompromiß ist es, Wertmaßstäben
und Kultursynthesen, die aüs der GeWchte hevauKgeholt und
in die Geschichte eingebettet werden, nur um ihres stattlicheren
Aussehens willen hinterher noch eine absolute Bedeutung an-
zuschminken. TroÄtschs rnetaphhstsche Interpretationen be
weisen lediglich das eine, daß -der Geschichtsbekachter als,
solcher dem Relativen nicht zu entschlüpfen vermag und sich,
?ehr davor W hüten hat, den Sprung -der Intuition mit dem -
Sprung ins Absolute zu verwechseln. Me Relativität von
Troeltschs Kultursynthese zieht natürlich auch die Relativität
seiner StosfauK-wa-A nach sich.
Die neue MedhofssrdnMg.
' »» Der Rat für künstlerisch e Angelegenheiten
Latte mn Donnerstag abend eine Weihs von Fachmännern zu eurer
Aussprache über die n eu e Frankfurter Frisdhofsoro-
Luna und die damit verbundenen künstlerischen Absichten emos-
rufew Eartenbaudirektor Bramme erstattete ein leider zu all
gemein gehaltenes Referat, in dem er hervorhob, daß der Zwang
zu Sparmaßnahmen nicht ohne günstige Wirkung aus dre Gestal
tung der Friedhöfe sei. Um die Gräberflächen der Ern^lgraoer
Leiser auSzunutzen, ist man z. B. vielfach zur Heckenpflanzung
Lbergegangen, bemüht sich überhaupt, eins gewisse Veremheulugung
der Pflanzungen herbsizuführcn. In solchem Sinns wirkt aucy
der kommunale Grabpflsgebstrieb, auf den der Redner bsr vls,er
Gelegenheit hinwiez. Weiter gehen die Bestrebungen dahin, chen
Leinen Grabstein zu schützen, der bei der heute gebotenen ^räum-
lichen Beschränkung und in Anbetracht der hohen Kosten meyr als
früher in den Vordergrund gerückt ist- Besondere Ausmechamkut
wird schließlich der Neugestaltung der Gräberfeldes Angewandt,
das ebenfalls durck die aus Sparsamkeitsgründen erforverurge
Weglassung vieler Pflanzungen wie durch sonstige Veremfachungm
nur gewinnen kann. — Zu einer Erörterung der cigentlicy inttrc;-
sterenden Fragen kam es erst in der Diskussion. Vec der Dura)-
beratung der neuen Ge bü h r sn ord n u n g hat sich gezeigt, daß
teilweise die Auffassung besteht, die Friedhofskosten snen nach
Möglichkeit alle durch, die Gebühren. einzubAnge«. Demgegen ¬
über vertrat Gartendirsktor Bromme die hoffentlich sich durch
setzende AnM, daß die Ausgaben für die Gräbererhaliung und
die Friedhofsänlagsn nicht von den einzelnen Leidtragenden allem,
sondern im wesentlichen von der Allgemeinheit zu tragen seien,
da ihr ja auch die Parks zugute kämen, zu denen die Friedysse cm
Laufs der Zeit ausgestaltet würden. Auf eine Anregung aus der
Versammlung bin gab Hmr Bromme ferner über die organisa
torischen Fraqen Auskunft, die in der künftigen Neuordnung
zu berücksichtigen sind. Er befürwortete den schon vor dem Kneg
von dem Stadtv-ePordneten Pros. Sittig in einem Bericht des
StiftuMsausschusses gemachten VorsMag,^dM von dem
versuch des Kernproblems historischen Denkens und damit seine
prinzipiell« Stellungnahme zur .Wissenschaftskrisis Erörterung
finden. Nachdem ihn eingehende Prüfung der eine jede Ge
schichtsbetrachtung konstituierenden Grundbegriffe des histori
schen Gegenstands und der historischen Entwicklung zu dem im
ganzen einwandfrei erbrachten Nachweis geführt hat, daß das
geschichtliche Leben der Bewältigung durch naturwissenschaft
liche Kategorien spotte, schreitet er zur Entkräfiung jener
Argumente, die das notwendige Verquicktsein des Historismus
mit dem Relativismus behaupten. Es muß anerkannt werden,,
daß Troeltsch das Problem wirklich bis zum entscheidenden
Punkte vortreibt. Treffend zeigt er, daß der universalhistorische
Prozeß, dessen Verständnis die Deutung des historischen Ein
zelgeschehens ja allererst ermöglicht, in seiner Absolutheit rein
kontemplativ nicht zu begreifen ist, d.H seine Erfassung sich
vielmehr. Wie die eines jeden Sinnzusammenhangs überhaupt,
prinzipiell auf Wertüberzeügungen gründet, die ihrerseits
wiederum von dem jeweiligen Standort des Betrachters ab
hängen. Da nun der mniverfalhistonsche Prozeß sich bis zur
Gegenwart und über sie hinaus in die Zukunft erstreckt, setzt
seine Konstruktion stets Wertentscheidungen des in der Gegen
wart stehenden und auf die Zukunft ausgerichteten Menschen
voraus, seine Formung ist, um Troeltschs Ausdruck zu ge
brauchen, notwendig «n die „gegenwärtige Kultur
synthese" geknüpft. Woher aber die diese „Kultprsynthese"
stiftenden Wertmaßstäbe gewinnen? Troeltsch, der sich schlech
terdings nicht denken kann, daß sie von zeitüberlegener Abr
solutheit seien, wendet sich scharf gegen den „phantastischen
Mhstizismus/ einer Jugend, die sich am liebsten aus der
Geschichte heraus wieder zu „absoluten Dogmen" und „reli
giösen Autoritäten" flüchten möchte, und sieht sich zu dem
Zirkelschluß gedrängt, daß die „Kultursynthese" der Betrach
tung desselben historischen Ablaufs entwachsen müsse, zu dessen
Erklärung sie doch dienen soll. Freilich, mit „wissenschaftlich
historischer Selbstbesinnung^ allein ist noch nicht viel erreicht;
Hinzuzugesellen hat sich, damit die.gesuchten Maßstäbe auch
wirklich gefunden werden, die auf solche Selbstbesinnung gs-
stützte „Intuition", die aus den Tiefen der entscheidungs-
bereiten Persönlichkeit - hervorbricht und dieser erst die Auf
stellung der gegenwärtigen Zielsetzungen ermöglicht. Es bedarf
also zur Schaffung der „Kultursynthese" des „Wagnisses" der
Intuition, eines Wagnisses, das Troeltsch wieder und wieder
durch Berufung auf Kierkegaard zu rechtfertigen
trachtet. Kierkegaards Lehre wm „Sprung" nämlich, so meint
er, besage nichts anderes, als daß alles auf den entscheidenden
Sprung ankv-mm«, „durch den wir in eigener Entscheidung
und Verantwortung aus der Vergangenheit in die Zukunft
gelangen". Er unterläßt allerdings nicht hinzuzufügen, daß
das Ergebnis der Intuition nur dann „innere objektive Not
wendigkeit" mit sich führe, wenn der Springende sich bon der
Plattform sicheren historischen Wissens abschwinge. Ist das
aber der Fall, dann wohnt nach Troeltsch den so gewonnenen
Maßstäben kotz ihrer zeitlichen Bedingtheit eine metaphysische
WOeutzrug inne, die W aus her Umklammerung dmch das
! relativistische Denken befreit. „Von einem bloßen Subjektivis
mus ... sind solche Maßstabbildungen getrennt durch ihre tiefe
und lebendige Einfühlung in das historische Ganze, aus dem
sie erwachsen, und durch die Gewißheit, darin einen inneren
Zug ihrer Entwicklung, eine innere Lebensbetvegung des Alls
oder der Gottheit zu ergreifen." Zur Begründung dieser
Theorie nimmt Troeltsch (unter Beziehung auf Leibniz
und Malebranch«) an, daß der endliche Geist als Monade
an dem unendlichen teilhabe und so dazu besähW fei, in jedem
Augenblicke einen Sinn der Universalgeschichte zu finden, der
jeweils als Ausdruck der Weltvernunft aufgefaßt werden müsset
Sein Lösungsversuch unseres Problems besteht also alles in
allem darin, daß er zwar die Allgemeingültigkeit der „gegen
wärtigen Kuftursynthese" preis gibt, ihr aber dennoch mit Hilfe
metaphysischer Interpretation einen über das Bloß-Relativ«
erhabenen Rang zubilligen zu können glaubt. — Nur erwähnt
sei noch, daß Troeltsch im Fortgang seiner Untersuchungen
auch zu einer Begrenzung des historischen Stoffs gelangt, die
folgerichtig aus seinen prinzipiellen Ueberzeugungen hervorgeht.
Da die Geschichte nach ihm nur insoweit zu berücksichtigen ist,
als sie einheitliche Sinngehalte aufweist, die für die Gegenwart
Bedeutung haben, ergabt sich ihm von selber die Einschränkung
-des Themas der Universalgeschichte auf die mittel-
meerisch - europäische Kulturentwicklung; außerdem
befürwortet er, zur Abschüttelung weiteren Stoffballastes, vor
wiegend die Pflege einer Geschichte der in der Gegenwart
fortwirkenden geistigen Grundgewalten, erübrige sich doch
zum Verständnis des politisch-ökonomisch-rechtlichen Gegen
wartsbestandes dessen Ableitung aus der Vergangenheit.
Wie diese wenigen Andeutungen schon erkennen lassen, daß
Troeltsch eine Reihe von Irrtümern durchschaut hat, denen
die formale Logik der Geschichte und die Ges-chichtsphilofophie
häufig genug zum Opfer gefallen sind, so zeugen sie auch hin
länglich von seinem sicheren Wissen um die Antinomieen des
historischen Denkens. Die. Frage ist hier nur, ob Troeltschs
angebliche Ueberwindung des Relativismus der Nachprüfung
! tatsächlich Stand zu halten vermag. Träfe dies zu, die Wissen
! schaftskrists wäre erledigt, der „Wissenschastshaß" der Jugend
gegenstandslos geworden. Dem Relativismus entrinnt man
dadurch, lehrt Troeltsch, daß man die zur Konstruktion des'
historischen Prozesses dienenden Maßstäbe im Sprung der
Intuition errafft, der den Springenden ins Herz der „schaf