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H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043378
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1921
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Leben maßgebend wurden oder schon waren. Als bedeutsamste 
Blütezeit der deutschen Universität schrob' uns jene Zeit vor, 
da eine gleichgerichtete geistige Tendenz zwischen Lehrer und 
Schülern einen Boden der Gemeinsamkeit schuf, auf 
dem.durch alles Uebermitteln von Erkennt..rssen und durch alles 
Forschen und Studieren letztlich immer die gleichen, als höchste 
erkannten Ideale gepflegt oder bestätig» wurden. Die Zeit der 
SchltiermrHrr, Fichte, Hegel, Schrlling, Boeckh war jene, da 
Lehrende und Lernende von einer Marken pg-itisckM und ge 
fühlsmäßigen Tendenz erfüllt gegen den Zwang der letzten Bcr- 
Migenheit bezw er unmittelbaren Gegcnwar sich stemmten, 
da sie im Erschauen neuer Ideale sich bewußt wurden, Träger 
der Zukunft zu sein. Es ist nicht so, daß sich die Universitäten 
damals mit einem national gefärbten Liberalismus verbanden. 
Sie selbst bahnten, tonangebend, mit der sich empörenden Ee- 
wält der neu erfaßten Wahrheit, den Weg dcr Setzung des 
Neuen wider das von oben her Sankt.,. nierte. Wir sind heute, 
in eine anders Bahn eingcwöhnt, bei Verehrung jener Männer 
M Führer und Sprecher der Nation zu sehr geneigt zu ver 
pesten, daß ihr großer Einfluß aus die Jugend nicht zuletzt da 
durch möglich ward, deß sie, unbekümmert um regimentlich« 
Macht,prüche, die Konsequenzen zogen, denen zulieb sie die 
unangenehmsten persönlichen Folgen auf sich nahmen. Kants 
Streit mit der Zensur, Fichtes Vertreibu. . Jakob Grimms' 
und Cervinus' Verbannung und ähnliche Fälle reden eine 
deutliche Sprache 
Eine ähnliche von den Universitäten aus gebende Bewe 
gung haben viele unter den gegenwärtigen Verhältnissen wie 
der erwarbt. Nicht mit Unrecht. Unseren Tagen fehlt eine 
zus^-mm-«schließende Weltanschauung. Unsere Zeit bedarf 
tatsächlich einer durchgreifenden geistigen Führung. Die alten 
LibrnZwrrts scheinen ebenso zerschellt wie die alte staatliche 
V:rf-ssunn Mit diesem Aeußerlichrn fiel den meisten auch 
drr innerliche Halt. Viel wird hin und her gesucht und pro 
bier', mit Spiritismus und Okkultismus, mit SzieniismuS 
und RenbuddhikmuS, mit Thsc^ovhie und Anihroposophie, 
mit kirchlichen Formen und ethischen Gemeinschaften, mit 
Nai'onalismuS und AbendlandS-Unteraangsstimmung. Aber 
man vermißt in dieser bunten Vielgeisterei ein machtvolles 
System geistiger Gesamtanschauung, um das sich 
die Geisteskräfte der Generation konzentrieren und das die 
Universitäten, von d'«n es ouSgshen müßte, ganz in den 
Mittelpunkt aller geistigen Interessen rückt. 
In der Tat, eins ähnlich entscheidende Großtat, wie sie 
einst Fichte und Hegel vollsührten, haben die jüngsten Univer- 
sitätsanwalen nicht zu verzeichne — geschweige deß außerhalb 
de- Un'versi'A-n die befreiende Welt-anschauungSbat zu ver- 
m"'e krmm» d'5? Zu allererst haben wir im 
r a, e'a.er Zeit kommen, in der 
kam s ' L'ssen'ch ft zugemut t wurde, sich in erster 
Linie Boamter zu fühlen und zu benehmen. D'e W'.l- 
brlminischr Aera bat die-en seltsamen Zustand, der sich von 
Preußen «ms weiter verbreitete, zur vollen Unerträglichke't 
gesteigert. Die geistige Unabhängigkeit des zur geistigen Füh 
rerschaft berufenen Dozenten hatte erheblich gelitten. Es ist 
nun schon lange her, daß die akademische Jugend in Treitscht« 
einen letzten Heros verehrte, dessen Offenheit sie bedingungs 
los vertraute. Mit diefem Wandel in drr Stellung der Uni 
versitätslehrer ging die anders Aenderung Hand in 
Hand, daß die Universitäten in ausgesprochenerem.Maße alS 
vordem Erziehungsanstalten für künftige Staatsbeamte 
wurden. Was das in einem Staatswesen bedeutete, wo ssr 
Offizier alles galt und der Zivilist nur insofern etwas, als 
er ein guter Staatsbeamter war, liegt auf der Hand. W ist 
daher nicht zu verwundern, daß in einem Zeitalter, während 
dessen durch eine Unsumme neuer Entdeckungen und dadurch 
hervorgerufener neuer Problemstellungen eine nicht zur Ruhe 
kommende Gärung m dem Teige, der Weltanschauung ent 
senden war, Über dem nahen Ziel der KenntnisvermMung 
und der Staatserziehung das höhere Ziel systsmbildenöer 
WeltanschauungSarüeir ferner rückte. Dazu aber kommt ein 
anderes Moment, das der deutschen Universität der Gegen 
wart einen eigenartigen Stempel ausgedrückt hat. Die prin- 
liche Gründlichkeit, die dem deutschen Gelehrten eigen ist, hat 
hier «inen ergiebige» Boden für das Gedeihen des Spezia 
listentums bereitet. Hierdurch haben die deutschen Uni 
versitäten das Erstaunlichste in der Kleinarbeit geleistet und 
bis Bewunderung der ganzen Welt auf sich gezogen. Natür 
lich aber war das Uebel unvermeidlich, daS solches Spezia 
listentum und sein« ausschließliche Wertschätzung mit sich 
bracht«. Der Speziolist taugt nun einmal nicht für dir Arbeid 
die von hoher Warte m,t überlegener Sicherheit und absoluter 
Klarheit des UeberblickS die schweren praktischen Probleme 
der jeweiligen Lage des Mensche» und des Volkes meistert 
und im Nahmen des universalen Menschheit-- und Welt 
problemS der Lösung zuführt. Derer sind doch nur gar zu 
wenig«, die bei einem ausgesprochenen Spezialistentum zu 
gleich für die systemblldcndr Arbeit fähig sind. Sie sind das 
Dutzend der Genies, die gleichzeitig auf der ganzen Erve 
leben, deren weiterschauender Blick ihnen aber wiederum ganz 
ander« Ziele weisen mag als da- hier in Rede stehende. Die 
vielen anderen aber kommen über ihr Sps-ialsach nicht hinaus, 
wissen auch, daß weitgehende zünftige Geringschätzung ihnen 
droht, falls sie sich von der engen Scholle ihrer Detailstudien 
lösen Schon gegen Schluß ihrer Studentenzeit hatten ste 
engstes „Fachstudium* betrieben, und von da an waren ste 
immer ängstlich beim „Fach" geblieben. 
Nun ist das, was als Ergebnis des Fachstudiums gelehrt 
wird, wirklich strenge Gelehrsamkeit, die ein paar Prozent der 
Hörerschaft auch tatsächlich interessiert. Für die Mehrzahl Us 
Hekuba. Weil sich der Gegenstand solcher Spezialistenvor- 
resungen für den weitaus größeren Teil der Studierenden nicht 
eignet, deshalb hat man ja allen Ernstes vorschlagen wollen,! 
die Professoren sollten ihre Sorge sür die Studierenden daraus! 
beschränken, gute Lehrbücher zu schreiben, und sie sollten die Stu 
dierenden im übrigen sich selbst überlassen. In dieser eben 
mit dem Spezialistentum und mit dem gleichzeitigen Rückgang 
dcr Kathederberedsamkeit aufgelommsnen Grring- 
ichätzung des akademischen Kathedervortvags scheint mir ein 
Krebsschaden für das Ansehen und die Bedeutung dcr Univer 
sitäten zu liegen. Und soweit in jenem Zusammenhang tat 
sächlich der Vortrag an Lebendigkeit und Kraft eingebüßt hat, 
bedeutet dieser Umstand auch einen tiessitzenden Schaden der 
Universitäten selbst. Seit je war der Lehrvortvag das Mittel, 
durch welches der akademische Unterricht seinen bestimmenden 
Einfluß auf die studierende Jugend übte. Wo seine Bedeutung 
verkannt und abgeschwächt wird, da kann die Universität natur 
gemäß nicht jene führende Rolle in der Entwicklung dcS 
Geisteslebens behaupten, die sie vordem innehatte. Der Lehr- 
vortrag ist so sehr das Zentrum des Universitätslebens, daß 
geradezu die Forderung ausgestellt werden soi'te, ungeeignete 
Kathederredner nach Möglichkeit von den Lehr stühlen fern 
zuhalten. Was Schleiermachsr hierüber schrieb, gilt noch jetzt: 
„Der wahre eigentümliche Nutzen, den ein Universitätslehrer 
stiftet, steht immer in geradem Verhältnis mit feiner Fertigkeit 
in dieser Kunst (des KathedervortragS).* Niemals kann in 
einem Lehrbuch geschrieben werden, was an lebendigem Äorl 
in der „Vorlesung" gesagt wird; niemals kann all das Per 
sönliche und Unmittelbare in die Druckschrift gebannt werden 
und, soweit dort niedergelegt, mit gleicher Unmittelbarksit aus 
ihr wirken. Ja das Katheder ist nicht nur der Ort, von dem 
aus der akademisch« Lehrer seine fertige Weisheit künde:, 
sondern oft genug der Ort, an dem er im bewußten Kontakt 
mit seinen Hörern sein Bestes unmittelbar bervorbringst Er 
wäre ein schlechter L^rer, wenn er nicht fortwährend beim 
Lehren lernte, und je fester feine Fühlungnahme mit der HSrrr- 
! schcft geworden ist, desto reicher wird für ihn selbst der Dorn 
der Erkenntnis während seines Lehrens fließen. Stünden auf 
dem Katheder unserer Universitäten durchweg gute, fruchtbarx 
Lehrredner, so würden, glaube ich, die meisten Klagen, die über 
Niedergang und Einflußlosigkeit der Universität geführt 
werden, verstummen. 
Allerdings darf ein Umstand nicht unerwähnt bleiben, bei 
heute die Arbeit der Professoren außerordentlich erschwert. In 
der Großzeit der deutschen Universität vor hundert Jahren 
hatten die Gymnasien tüchtig vorqecrbeitet. Die jungen Leute 
kamen mit einem brennenden Hrißhunger nach Wisf.n'chaft 
auf die Universität. Jene Gymnasien sind nicht mehr, über 
deren große Leistungen sich unsere Jugend oft wehmütig durch 
die Biographien der leuchtenden Geister von dazumal unter 
richtet. Ich will damit nicht sagen, daß die alten Gymnasien 
nicht sehr reformbedürftig waren be-w. geworden sind. Aber 
Gymnastalresormen bestehen nicht darin, daß einfach von Jahr 
zehnt zu Jahrzehnt oder von Jahrfünft zu Jahrfünft dre 
Lehrz'ele verkleinert und die Anforderungen beschnitten wer 
den. Systematisch wurde durch UnterrichtS-„R«sorm* 0.« 
Höhenlage der Geistesbildung reduziert. Man fühlt« sich so 
überbildet, datz man schließlick» auf das nötigste Kleinmatz 
an Bildung verzichtete. Wie können die Universitäten Stät 
ten der Hochbildung bleiben, wenn sie bei ihren Jüngern keine 
allgemeine Mittelbildung mehr vorar-setzen dürfen? Wie 
können die akademischen Lehrer von heut« die studierende 
Jugend in der Weise von ehemals kraftvoll beeinflussen, wenn 
die Voraussetzung der Heranbildung zum Verständnis für die 
intellektuellen und gemütlichen Werte nicht mehr in analoger 
Weise gegeben ist? Der größte Teil derer, die heute die Uni 
versität beziehen, hat noch nie gelernt, selbständige geistige 
Arbeit m verrichten, und wünscht nichts sehnlicher, als daß m 
den HörsSlen mundgerechtes Prüfungswissen verabreicht 
werde. Auf diesem Gebiete muß Wandel geschasst werden, 
wenn die Universität überhaupt ihrer Aufgabe soll gerecht werden 
können.
	        

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