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H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043381
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1924
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Hölderlins Uebertragung entstammt der Zeit, da sein 
GeK schon an der Grenze stand. Grenzhaft ist auch die Sprache; 
sie verlerbt das Sagbare fremd und schön und ertastet dem Unsag- 
r Form. Kaum zu ergreifender Sinn bleibt oft un- 
faßuch m der dünnen Hülle und zwischen Satzgebilden von un- 
wHerstehncher Klarheit breitet sich Sedweigen und Nacht. Tief 
neigt sich die Sprache ins Griechische hinein; eignes Wort sucht 
das fremde anzusprechen und möchte seinen vergrabenen sinnlichen 
Gehalt an die Oberfläche zwingen. So entstehen Formen und 
Wendungen, die Ungehörtes in sich einpressen und Kunde aus 
geahntem Rerckr Zu bringen scheinen. Die Ferne wird in ihnen 
Zur fühlbaren Nähe und ein Licht,, das bald wieder verschwindet, 
erhellt den Umkreis. 
Wilhelm Michel hat sich in seiner Bearbeitung treu an den 
Text angelehnt. Geringe sachliche Verstöße Hölderlins die ihren 
Der sta'ke Eindruck der Vorstellung war nicht zuletzt der Regie 
Eugen Kellers zu danken, der den Rhythmus zu bändigen die 
Zäsuren em.zuhalten verstand. Spieler und Gegenspiel-r traten 
M -tnander klar entgegen, die Prinzipien wurden Gestalt und 
das Wort Sing ein in die stilisierte Gebärde. Nur der Chor ver 
Grud m der Benutzung ungenauer alter Ausgaben haben, sind 
getügt, grammatikalische und lexikalische Irrtümer beseitigt worden. > 
E- Morgen ifh von unwesentlichen Streichungen und der! 
Klärung nmncher allzuschwer durchwinglichen Stelle abgesehen 
.ursprüngliche Fassung rein erhalten geblieben. Die 
Aufführung erbrachte den vollen^VeweiZ für ihre Bühneweignung. 
dagegen stirbt in der Gruft bei Antigone — aus Liebe zu ihr, ! 
aber nicht allein aus Liebe — den selbstgewählten Tod, nachdem er 
vergeblich versucht hat, den Vater zur Umkehr zu bewegen. Erst 
der blinde Seher Tiresias, kein magisch Zwingender, der reine 
Mund des Gottes vielmehr, macht den Verblendeten sehend. Doch 
zu spät. Das unaswendete Schicksal -entrollt sich gnadenlos und das 
Ende des Dramas ist wirklich das Ende, dem nichts mehr folgt — 
es sei denn die frommwissende Ergebung in den unergründlichen 
Ratschluß der oberen Mächte. 
Gelenkt von einem geheimen „kalkulablen Gesetz", dem Hölder 
lin nachgHspürt hat, halten sich die Figuren der „Antigone" un 
erbittlich das Gleichgewicht. Das Tragische in seiner Reinheit ist 
hier ganz Stil geworden und zu abschlußhaster, nicht mehr vev° 
letztlicher Gestalt gediehen. Wundersam aber ist zumal dies: Trotz 
dem alles Zufällige aus dem Gang der Handlung ausgeschaltet 
wird, Prinzip dem Prinzip hart entgegensteht, bleibt weiter Raum 
für das Menschliche, das die spröden Härten erweicht, stch ein- 
schmiegt in die Abgründe und zart auffteigt aus den gebrochenen 
S^len. Es gewinnt Sprache in Antigones Klage um ihr einsames 
Scheiden und erfüllt die Wechselnden des Chors, die das Geschehen 
nachdenklich, zweifelnd, fordernd und immer fühlend begleiten. Der 
dunkle Ausblick am Schlüsse bezeugt, daß der Dichter ein Grieche 
gewesen; doch harrt seine Seele auch nicht auf Erlösung, so weiß 
sie dre Menschen doch in göttliche * r Hut. 
Die „Antigone" des Sophokles Packt die wesenhaste Tragik 
menschlicher Existenz an der Wurzel. Sie entfaltet die Dialektik 
des Gesetzes zum Drama, in dem Thesis und OMHests ihre Person. 
haften Vertreter finden, die das durch sie verkörperte Prinzip bis 
zur Entscheidung austragen. Kreon, der Herrscher Thebens, ist 
Hüter des selbstisch äffen en Gesetzes, aber er setzt es unbedingt und 
zerbricht darum hilflos mit ihm, wenn er seine Bedingtheit er 
fährt. Recht und Unrecht find in dem König eng gepaart. Gewiß, 
Verrat lauert umher, die Stadt bedarf des strengen Herrn, und 
doch: das Gesetz verdorrt, wenn es sich unnachgiebig zu behaupten 
sucht. Die Aufrührerin Antigone. die „den Geist des Höchsten g e - 
setz^os erkennt", spielt das genaue Gegenspiel, sie bestattet, einzig 
der Schwesternliebe folgend, den Leichnam ihres Bruders Polynms 
Wider des Königs Geheiß. Da dieser nur das herzlose Gesetz kennt 
und sie nur den ungesetzlichen Zug ihres Herzens, durchleben beide 
nicht eigentlich den tragischen Konflikt, sondern stellen ihn lediglich 
unbewußt, stumm dar. Seelisch -erlitten wird er viel eher von den 
Mittlern: von Jsmene und Hämon, in denen der in Kreon und 
Antigone Gestalt gewordene Gegensatz nachhallt und zum Bewußt- i 
sem seiner selbst gelangt. Jens scheitert daran, daß sie das Königs- j 
Wort weder Hinzuhalten noch zu Lrechen vermag. Kreons Sohn i 
Das Schicksal des Dominikanerklosters. 
--- Das Frankfurter Dominikanerkloster an der heutigen 
BatLonnstraße ist eine Schöpfung des Dominikaner- 
Bettelordsns um die Wende des 13. Jahrhunderts., Im 
Gegensatz zu den adligen Orden der Benediktiner, Cisterzienser 
und Prämonstratenser, die ihre Niederlassungen fern den 
Städten gründeten, siedelten sich die Bettelorden inmitten der 
Städte an, um sich gemäß der Lehre des hl. Franziskus und 
des hl. Dominikus der Armenpflege und Seelsorge in der 
Landessprache zu widmen. Zumal den Dominikanern gehörten 
die größten Gelehrten und Mystiker des 14. Jahrhunderts an:! 
so Albertus Magnus, Meister Ekkehart, Suso, Tauler usw. 
Die monumentale Kargheit des hiesigen Dominikanerklosters 
bezeugt, daß auch in Frankfurt der Orden in seiner FrühzeiL 
das Armutsgelübde zu erfüllen trachtete. Bis ins 19. Jahr 
hundert hnein — der Orden wurde 1803 durch die Franzosen 
aufgelöst — war das Kloster eine große Sehenswürdig 
keit, da es in seiner Kirche berühmte Gemälde von Holdem 
d. Ae., Grünewald, Dürer, UffenLach usw. barg. Diese bilden 
seit kurzem emen Hauptschmuck des Städels. In der Folge 
zeit - diente das säkularisierte Kloster den verschiedensten 
Zwecken. Von 1886 bis 1923 war die Battonn schule 
darin untergeLracht; die in der Mitte geteilte Kirche wurde 
als Turnhlle für die Schule und als sogenannte „SLadthalle" 
für Volksvorlesungen und ähnliche Veranstaltungen verwandt. 
Es erhebt sich die Frage, was heute mit den leeren Räumen 
geschehen soll. Der Magistrat plant, in dem ersten Stock des 
Klostergebäudes die Kassen des Gas-, Wasser- und Elektri 
zitätswerkes zusammenzulegen. In dem Erdgeschoß, das den 
noch schön erhaltenen Kreuzgang umschließt, will das Tief 
bauamt Werkstätten für die Wassermesser'Prüfung 
einrichten. Vom Or-densprovinzial Albert Magnus bis zum 
Wassermefferklempner — immerhin kein kleiner Schritt. 
Daß das Gebäude für solche profanen Zwecke denn doch zu 
kostbar ist, sollte nicht Zu bezweifeln sein. Ein- bessere Ver 
wendung seiner Erdgeschoßräume hat seit einem Vierteljahr 
der „Bund tätiger AltstMfteunde" auf eigene Initiative hin 
gefunden. Er betreut und speist dort in den geheiztem Sälen 
den ganzen Nachmittag hindurch über 5 00 Altstadt 
kinder. Bei gutem Wetter dient der von allen Seiten ge 
schützte Kreuzhof als Spielstätte, bei schlechtem Wetter der ihn 
umziehende Kreuzgang. Solche Fürsorge für die sonst völlig 
verwahrlosende Altstadtjugend entspricht dem Willen der 
Stifter des Gebäudes gewiß mehr als die Anlage von Werk 
stätten, für die etwa eine Unterkunft in historisch belangloseren 
Gebäuden gesunden werden müßte. Der Sparzwang darf 
keineswegs dazu führen, daß man den Kindem diesen idealen 
Platz in der Altstadt wieder nimmt und damit zugleich ein 
Gebäude von hohem geschichtlichem Rang seiner inneren Be 
stimmung entfremdet. 
Und die Kirche? Der Besuch der Stadthalle ist seit der 
Gründung des Volksbildungsheims immer mehr zurückgegangen 
und die frühere Turnhalle im Chor wird gegenwärtig über 
haupt nicht benutzt. Uns dünkt nach alledem, daß jetzt der 
richtige Augenblick gekommen ist, eine schon alte Anregung von 
SLadtbaurat Schaumann und Geheimrat Kautzsch zu 
verwirklichen. Sie ging dahin, die der Stadt gehörige (zur 
Zeit in der Kegelbahn des Liebieghauses Zusammengestapelte) 
Sammlung von Abgüssen der mittelalterlichen 
deutschen Monu mentalplastik in einem besonders 
geeigneten ehemaligen Kirchenraum aufzustellen. Leider kommt 
die KarmeMenkirche, die vorläufig! Theaterkuliffen beherbergen 
muß, hierfür in absehbarer Zeit nicht in Betracht. So scheint 
die Dominikanerkirche geradezu berufen, eine solche Bestimmung 
zu erfüllen. Diese Verwendung böte mehrere große Vorteile. 
Einmal würde die frühgotischs Kirche durch die Hemusnahme 
mochte sich nicht einzugliedern. Seine Bewegungen folgten allzu , 
schwach dem Zug des an ihm abprallenden Geschehens, und so trat 
er aus der Rolle ds passiven Zuschauers kaum hervor. Freilich: 
er ist ein fremdes Element unserer Bühne und fraglich bleibt, ob 
ihm überhaupt ein volles Leben zugeteilt werden kann. — Die 
Bühnenarchitektur hat PiLartz geschaffen. Niedere Stadttore, 
das unendliche Rund eines graublauen Himmels — sonst nichts. 
Aber gerade oisse spärlichen Andeutungen waren der richtige Hin 
tergrund für die Figuren, die in ihm plastisch und von Einsamkeit 
umflossen standen, wie die zugespitzten Sätze des Dialogs. Auch 
die Farben der (gleichfalls von Pilartz entworfenen) Gewänder 
führten eine deutliche Sprache. In ihre matten braunen, grauen, 
grünen Töne brach allein das Rot des Königsmantels mit grellem 
Klang herein. — Frl. Kersten schenkte der Antigone die längst 
schon abgeschiedene Seele und die Wehmut der Klage; nur die 
Konturen waren wohl zu weich gezogen. Den harten unbeugsamen 
Kreon spielte Herr Ball schr überzeugend. Er sprach die Worte 
ohne Milde und gestaltete wirksam auch die jähe Erschütterung des 
Endes. Ihm ebenbürtig hielt sich der wahnvolle Tiresias des Herrn 
Ritter. Da übrigen Darsteller, unter denen wir nur noch die 
Jsmene Frl. Sparrens, Herrn Rehmer als Hämon und 
Herrn Kulisch als Boten nennen, fügten sich dem Ensemble gut 
ein. Dr. S. Krakauer. 
Hölderlins deutsche «Antigone-. 
„Antigone" von Sophokles, Übertragung von Höl 
derlin, Textbearbeitung von Wilhelm Michel. Urauf ¬ 
führung im Hessischen LandeZLHeater zu Darmstadt, 
9. Dezember. 
Die Tragik menschlichen Existieren- enthüllt sich grundhaft in 
dem Verhalten der Menschen Zum Gesetz, das ihnen um ihrer 
Unvollkomwenheit willen gegeben ist. Sie müssen sich dem Gesetz 
beugen, weil sie im Bedingten stehen und ihr Zusammenleben nur 
durch die unverbrüchliche FnnLhaltung der sanktionierten Gebote 
gewährleistet wird; und sie dürfen sich ihm wiederum nicht schlecht 
bin unterwerfen, weil sie über das Gesetz hinaus sich Lusnchren 
sollen auf das Unbedingte, das nimmermehr in starre Formeln sich 
bannen läßt. Das ist die Paradoxie des Gesetzes: daß es un 
antastbare Geltung beansprucht und doch zugleich nach steler Selbst 
aufhebung drängt. Wenn es als Letztes sich setzt, wird es zum 
Frevel, und wenn es sich preisgibt, zerfällt die Gemeinschaft, für 
die es besteht. Seine Doppelnatur mag der betrachtende Weise 
durchschauen oder der Heilige, der über die Bezirke deZ gemein 
samen Lebens sich erhebt; die in der Mitte wirkenden Menschen 
aber müssen immer wieder an ihm schuldig werden. Denn nehmen 
fie es fraglos hin, so verfehlen sie sich wohl Wider das, was höher 
ist als geprägte Satzung, und gehorchen sie, schlechtes Gesetz bec- 
feite schiebend, diesem Höheren, so treten sie aus den Grenzen 
heraus, die niemand ungestraft mißachten kann. Gnade allein ver 
möchte den Widerspruch zu tilgen und die Versöhnung zu stiften. 
*
	        

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