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H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043386
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1930
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

ck 
S. Kracauer. 
Revuetraum vertreiben. 
„Der große Gabbo" — die deutsche Ausgabe des Films läuft 
jetzt im Ufapalast am Zoo — heißt nach seiner Hauptperson, einem 
Bauchredner, der an seinem Größenwahnsinn zugrundegeht. Gin 
Fall von Schizophrenie, eine Angelegenheit, die exemplarisch sein 
soll und klinisch ist. Das eine Selbst GabLos, das bewußte, ist der 
Hochmutsteufel, der in seinem Eigensinn das geliebte Mädchen 
von sich weist, das andere unbewußte Selbst ersehnt sich die Ge 
liebte wieder zurück. Dieses bessere Ich hat sich in die Holzpuppe 
geretteL, in den kleinen Otto, mit dem der Bauchredner stunden 
lang Zwiegespräche führt, die in Wirklichkeit . Monologe sind. Otto, 
dessen Plappermäulchen durch eine Gummistrippe bewegt wird, 
trauert der Verstoßenen nach, während Gabbo böse erklärt, daß^ 
er allein bleiben wolle. Erst zuletzt weicht seine Besessenheit, und, 
emsgeworden mit Otto, verlangt auch er nach dein Mädchen. 
Aber nun ist es zu spät. 
n- n 
Vielleicht meint der Film die Rebellion des Einzelnen gegen 
den Alltag, vielleicht ist Gabbo nur aus ironischem Protest wider 
-das normale Leben so wüst und verstockt. Man weiß es nicht. 
Und jedenfalls ist die Verwirklichung solcher und ähnlicher Ab 
sichten nicht gelungene Sonst hatte der Film die Verlassenheit 
seines Helden dartun und gegen das Ende hin immer sinnfälliger 
veranschaulichen müssen, daß faktisch nicht Gabbo, sondern der 
Alltag unselig und verschlossen isü Doch nichts dergleichen geschieht. 
Mhho ist biZ5 Züm Schluß eitel, und das äußere Leben, das er 
durchbrechen möchte, verliert niemals die nüchterne Helle. Wie. 
früher schon, so geht auch hier statt der Welt — und nicht einmal 
mit ihr — Stroheim sAber entzwei. 
* 
In zwei Szenenfolgen dieses großartig hergerichteten, wenn 
auch stellenweise viel Zu breit ausgesponnenen Films erzielt der 
Ton einen besonderen filmischen Effekt. Zunächst in den Dialogen 
mit dem hölzernen Otto. Durch die außerordentliche Kunst, mit 
der Stroheim als Gabbo das Gebärdenspiel der Puppe regiert, 
entsteht die Illusion, als ob diese in der Tat spräche. Ein Triumph 
der Einbildungskraft: während im allgemeinen die im Tonfilm 
gesprochenen Worte sich niemals restlos auf die Münder projizieren 
lassen, aus denen sie eigentlich kommen, scheinen sie sich in dem 
einen Fall, in dem sie wirklich eine imaginäre Herkunft haben, 
genau dem Puppeninnern zu entringen, dem sie gar nicht ent 
stammen. Und noch an einem anderen Ort springt der Ton ins 
Bild hinein: im Revuefinale, das von langer Hand vorbereitet ist. 
Gabbo, der erfahren hat, daß die Geliebte ihm nicht mehr an 
gehören will, sitzt einsam in seiner AnkleideMe, indes auf der 
Bühne die SchlußaM anhebt. Fragmente der Revue um 
stellen, - glänzend montiert, den Verzweifelten, der mit unartikulier 
ten Schreien zwischen den Visionen in der Garderobe hin und her 
fuchtelt. Im TranceZustand taumelt er dann auf die Bühne hinaus, 
wo dieselben Revuebruchstücke, die ihn soeben gespenstisch heim 
gesucht hatten, sich leibhaftig zu einer strahlenden Komposition ver 
einen. Wo ist die Grenze Zwischen Wachen und Traum? In 
dieser einen kurzen Szene, allerdings nur in ihr, ist Gabbo der 
Wache, und seine unverständlichen Laute möchten den wüsten 
Altes Berlin. 
Zur Eröffnung der Berliner Sommerschau 1930 
Berlin, 23. Mai. 
Der Eröffnung der vom Messeamt der Stadt Berlin verun 
stalteten Sommerschau: „Altes Berlin" ging am Vortag eine 
Pressevorbesichtigung voran, die ihrerseits wieder durch Be 
grüßungsansprachen eingeleitet wurde. Dr. Stengel, der Direk 
tor des Märkischen Museums, der für die Gesamtschau verantwort 
lich zeichnet, skizzierte die Anordnung und die Inhalte der Aus 
stellung, und so entwarf auch Freiherr von Pechmann, der 
Leiter der staatlichen Porzellanmanufaktur, ein Bild des von ihm 
Gebotenen. Später wurde den Pressevertretern wie üblich der 
gedruckte Text.der bereits vernommenen Reden in die Hand ge 
drückt, .und dann erst kam, einem Gegenstand gleich, der nach dem 
Brauch feiner Geschäfte wiederholt eingewickelt ist, die eigentliche 
Sommerschau selber. 
Ich möchte sie hier nicht ganz auspacken. Sie füllt sämtliche 
Funkturmhallen aus. Und der Sommer ist lang. Um nur ein 
paar wichtige Abteilungen Zu nennen: Es wird die Baugeschichte 
Berlins veranschaulicht, die ein Studium für sich bildet; literarische 
und künstlerische Ereignisse aus alter Zeit rücken den Besuchern 
hart auf den Leib; längst versunkenes Straßen- und Volksleben 
ist von neuem gebannt; Theaterszenen von ehedem werden aus 
der Rumpelkammer der Geschichte aus die Bühne des Tages ge 
schleift; die eingemeindeten Vororte und Jnnenbezirke Berlins 
stellen sich dar und vor. Ueber mehrere -dieser Einzelveranstaltungen 
wird noch gesondert zu berichten sein. 
Ohne ihrer Würdigung Vorzugreifen, muß unverzüglich nach 
dem ersten Rundgang ausgesprochen werden, daß die Aufmachung 
der Sommerschau nicht den Anforderungen entspricht, die an ein 
solches Unternehmen der Stadt Berlin zu stellen wären; auch im 
Sommer, auch unter der Regie des Messeamtes. Wenn die Welt 
stadt Berlin schon einmal ihre Fundamente zu zeigen beabsichtigt, 
so hätte sie die Verpflichtung gehabt, eine Ausstellung aufzubauem 
die solide Fundamente besitzt, nach einem durchdachten Plan an- 
steigt und als Gesamtkomposition der Ausdruck eines Willens ist, 
der wirklich weiß, was er will. Die Ausstellungsleitung hat es nicht 
recht gewußt. Oder sie hat es gewußt und dann doch lauter Kom 
promisse gemacht. Zur einen Hälfte liefert sie eine Volksmefle, zur 
anderen wissenschaftliche Kabinette. Sie belustigt die Unmündigen 
durch Panoptikumsfiguren und kommt den Erwachsenen mit 
exakten Modellen. Bei jenen begnügt sie sich mit puren Schau 
objekten, während sie diesen Spezialkenntnisse abverlangt. In 
ihrem Bedürfnis, alle Geschmäcker zu befriedigen, wird sie stillos, 
und an der Mischung findet niemand Geschmack. Nicht umsonst 
erhebt sich der Rundfunkturm in bedrohlicher Nähe. 
Werden Beispiele gewünscht? Hier sind sie, auf den ersten 
Blick hin zusammengerafft, als wandle man durch die Filmateliers 
von Neubabelsberg, so naturgetreu und lebensgroß sind die Brüder 
straße und die Parochialstraße von anno dazumal vor dem Publikum 
aufgepflanzt worden. Eine echte Ufa-Genrearchiiektur mit einem 
Leinwandhimmel darüber und Hunden mitten auf dem Pflaster. 
Der Hund in der Parochialstraße ist selbstverständlich weniger vor 
nehm als der in der Brüderstraße. Oder es wird das Arbeits 
zimmer Alexander von Humboldts mit einer so dilettantischen Sorg 
losigkeit wiedergegeben, daß sich in der reproduzierten Original 
bibliothek ungestraft die „Rang-Liste der königlich-preußischen 
Armee 1907" aufhalten kann, die Alexander von Humboldt ganz 
bestimmt nicht gelesen hat. Oder es wird die schöne Hallenkonstruk- 
tion durch den Einbau einer verkleinerten Schinkelfassade ver 
unziert. Oder es alpenglüht von innen heraus Berlin als Festung, 
ein Riesenmodell aus durchsichtiger Masse, über dem eine Kuppel 
schwebt, die an einen Pilz erinnert, wenn sie nicht vielleicht doch 
einen Regenschirm darstellen soll. Oder „Das Berliner Wappen 
tier stellt sich vor", wie es im Katalog heißt: der bekannte Bär in 
einer ihm geweihten EhrenroLunde, auf deren Fries lauter Bären 
in Relief ihre Purzelbäume schlagen. Sie tun recht daran, in diesen 
Zerten der Sklareks. 
Die Kritik an der AusstellungsweLhode ist beileibe keine Kritik 
an der Pracht der Ausstellungsgegenstände selber. Sie sind von 
allen Seiten herbeigeströmt und geben sich nur für wenige Wochen 
ein einmaliges unwiederholbares Rendezvous, bei dem niemand 
fehlen dürfte, der sich ernsthaft um die Vergangenheit und die 
Berlins bekümmert. Und scheut er die Anstrengung nicht, 
sich durch das Material durchzuarbeiten, so wird er Zuletzt trotz 
mancher Barrikaden doch auf die Fundamente der Weltstadt stoßen. 
S. Kracauer. 
Der große Gaööo. 
Berlin^ Mitte Mai. 
Sämtliche bei uns bekannten Filme Erich von Stroheims üben 
eine Zwiespältige Wirkung aus. Abgesehen von ihrer scharf ge 
würztem Mache überragen sie den Durchschnitt auch noch dadurch, 
daß. sie unter die Oberfläche greifen und die garstige Wirklichkeit 
Zeigern bxe sonst. von Ideologien zugedeckt ist. Aber zugleich 
scheinen- sie ein Mt der Privatrache zu sein, die rein subjektive 
Antwort, eines vom Schicksal Geschlagenen auf sein Los. Eine 
Bitterkeit die sachlich nicht-Zureichend be ¬ 
gründet ist, und persönliche Pathologie überwuchert die soziale 
Kritik. Mit dem „Hochzeitsmarsch" etwa hatte es eine solche Be 
wandtnis. Sie sind in gutem Sinne anstößig, diese Filme, und 
stoßen im schlechten ab.
	        

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