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H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043386
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1930
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

unmöglich hielten. Nach einer kurzen Zeitspanne, die sich endlos 
dehnte, war die tollkühne Dame am Ziel angelangt und wechselte 
ein paar leise Worte mit der gebräunten Gesellschaft. Und siehe, 
kein Blitz vernichtet die Frevlerin, sondern wider jedes Erwarten 
ereignet sich ein entzückendes Wunder: sofort wird das Fenster ge 
schlossen, der Tisch hinter das Fenster gerückt. Ohne auf ihrem 
Recht zu beharren oder auch nur den Kellner zu rufen, verrichten 
die Herrschaften selber mit fteundlichen Mienen das kleine Werk der 
Gefälligkeit. Alle Gaste atmen erleichtert auf; nun, da statt der 
Zugluft endlich gute reine Luft das Lokal erfüllt, können sie wieder 
atmen. Es fehlte nicht viel, und sie feierten die unscheinbare Dame, 
die vergnügt an ihren Platz zurückkehrt, wie eine der Todesgefahr 
entronnene Heldin. Nur der Geschäftsführer blickt aus der Ferne 
so mißmutig drein, als ob ihm der Glaube an die göttliche Welt 
ordnung zerstört worden sei. 
Was geschah in dem Restaurant? Ein einzelner Mensch 
hob den KriegSzustand auf, der alle von allen trennt, schlug die 
Angst vor dem Wort nieder, das die Kraft der Versöhnung hat. 
Wie ein Komet zeigte sich der Friede am Horizont. 
S. Keaearrer. 
Ariedliche Lösung. 
Kleine moralische Erzählung. 
l Berlin, im Juni. 
Ich möchte einen winzigen Vorfall erzählen, der sich in einem 
Berliner Restaurant abgespielt hat. Las durch seine gute Kirche 
vnd seine noch bessere Organisation eine starke Anziehungskraft 
üufA Publikum ausübt. An einem schönen, windigen Abend 
»paren alle Fsnstertüren zur Terrasse geöffnet, und in einem der 
Neuster stand ein gedeckter Tisch. Vielleicht war er für Sports 
leute reserviert, für Menschen, die ohne die dauernde Zufuhr von 
frischer Lust zu ersticken glauben. Jedermann wäre mit der 
Politik der offenen Tür einverstanden gewesen, hätte sich nicht 
der hygienische Luftzug, kaum daß er das Rauminnere bestrich, 
ln eine unhygienische Zugluft verwandelt. Unter ihr litten zwar 
Me Gäste, die nahe beim Fenster saßen, aber niemand wagte an 
der unumstößlichen Tatsache des Tisches zu rütteln. Nur eine 
Utere Dame, die sich in der Gesellschaft mehrerer befreundeter 
Personen befand, schien dem Schicksal trotzen zu wollen. Sie bat 
den Kellner mit höflichen Worten, das Fenster zu schließen und 
den gedeckten Tisch dahinter zu stellen. Die Kellner des Restau- 
Mnts sind gut gezogen, seine Organisation ist noch besser. Offen 
bar war der Tisch eine organisatorische Veranstaltung, denn der 
Kellner bedauerte, die Bitte abschlagen zu müssen, und verstand 
sich nur schwer dazu, einen der Geschäftsführer zu holen. Während 
die Zuglust ununterbrochen weiter wehte, blickten sämtliche Gäste, 
von Furcht und Mitleid bewegt, auf die ältere Dame, die so un 
scheinbar aüssah. Der Geschäftsführer kam, ein Herr, der einen 
feineren Frack als den der Kellner trug und im Schmuck seines 
Taschentuchwimpels wie ein öffentlicher Festdampfer durchs 
Lokal gM. "Die Dame wiederholte ihr Ansinnen mit einer Be 
scheidenheit, die der gedämpften Strenge des kleinen Gewaltigen 
entsprach. Ließ er sich rühren? Er erklärte die Bestimmung 
Nicht ändern zu können, auf Grund deren der Tisch 
nun einmal stand, wo er stand, und erst nach einigem Zögern 
fand er sich dazu bereit, einen der Direktoren in der An- 
Selegenheit zu bemühen. Inzwischen waren die Gäste erschienen, 
denen der Tisch gehörte, gebräunte Damen und Herren, die nicht 
den Eindruck machten, als ob sie gerade während der Mahlzeit auf 
die frische Luft verzichten wollten, die sie sicher den ganzen Tag über 
genossen hatten. EZ zog munter fort. Eine geraume Frist verstrich, 
ehe der Direktor auftauchte, dem gegenüber die Bitte der Dame zum 
Flehen wurde. Er rauschte nicht etwa in einem noch vornehmeren 
Frack als der Geschäftsführer daher, sondern begnügte sich mit einem 
schlichten dunklen Anzug. Je höher der Posten, desto unauffälliger 
werden, von einer gewissen Sprosse der gesellschaftichen Stufen 
leiter an, die Abzeichen der Würde. Auch der schlichte Direktor be 
teuerte seine Ohnmacht. Unter Umständen hätte sich die Dame jetzt 
noch an einen der Generaldirektoren wenden können, aber, 
Generaldirektor wäre vermutlich ebenfalls unfähig gewesen, in Sas 
geheimnisvolle Walten der Organisation einzugreifen. Kraft ihrer 
Vorkehrungen mußte der Tisch an seinem Orr verbleiben. Und so 
war allem Anschein nach jeder weitere Appell vergeblich. 
Er war es nicht. Die ältere Dame tat etwas Ungewöhnliches, 
etwas, das gegen die hier üblichen Spielregeln verstieß. Sie erhob 
sich, ließ trotz der verzagten Einwände ihter Freunde die ganze 
Organisation links liegen und näherte sich mutterseelenallein den 
Freiluftleuten am hartnäckigeli Tifck^ Den Gästen im Umkreis ver-j 
ging der Appetit. Mit einem beklommenes Schweigen verfolgten fiej 
den Vormarsch der einsamen Expedition, deren Gelingen sie für' 
8. L. BerLin, im Junfl 
Der unter dem Protektorat der Deutschen Liga für 
M e n sche n recht e hergestellte Film „VÄgahu n d" möchte die 
öffentliche Aufmerksamkeit Mf das Vacmbundengesetz lenken. Eine 
stumme soziale Reportage, bei der Gregor G o g, der bekannte 
Vagabundenführer, und einige von der Landstraße geholte Typen 
mitgewirkt haben. 
Wenn man in diesem Film — er wird im Marmorhaus gezeigt 
7- veranschaulichen wollte, wie ungerecht die Gesellschaft das Vaga 
bundentum behandelt, so ist man zum mindesten nicht sonderlich 
geschickt verfahren. Zwar w ird ausdrücklich mit geteilt, daß das 
Gros der Tippelbrüder aus Arbeitslosen besteht, aber auf. dem 
Bildstreifen überwiegen doch die Vagabunden aus Neigung und 
Abenteuerlust. Der junge . Bursche, dessen Wanderungen nahezu 
die ganze Leinwand füllen, ist ein echter Zigeuner, der es nirgends 
lang aushält und bei der geringsten Unannehmlichkeit losmar 
schiert. Mag ihm die Ungebundenheit gegönnt sein: weder ist der 
romantische Stolz auf sie angebracht, noch gehört im Augenblick 
die Sorge um den geborenen Vagabunden, der UutsmW die 
Seßhaftigkeit E zu dkn dringlichen Pflichten der Gesell 
schaft? Sie muß erst einmal ihre Arbeitslosenheere ernähren und 
beschäftigen, ehe sie an jene denken kann, die sich der sozialen 
Eingliederung entziehen. Womit gewiß nicht die im Ulm wieder 
holt geschilderte Härte irgend eines fetten Spießbürgers gegen die 
SchlechLwetzgekomme entschuldigt werden soll.) Und/ sind wirk 
lich alle Vorsteher von Gendarmeriestationen Befehlsfiguren mit 
einem bösartigen Monokel? Begegnet das Elend immer nur dem 
verstocktLn Herzen? Der Film verfällt gleich den meisten Zeit 
stücken, die jetzt unsere Bühnen überschwemmen, in den Fehler, 
die von ihm verfolgte Tendenz dadurch abzuschwächen, daß er dem 
Publikum gerade die übelsten Exemplars aus dem feindlichen 
Lager vorsetzt. Während die gute Polemik den Gegner stets dort 
Zu treffen sucht, wo er scheinbar nicht zu verwunden ist, und die 
Schädlichkeit einer Einrichtung am allerwenigsten aus den beson 
deren MWräüchen ableitet, N ihr getrieben werden» 
Nach Abzug dieser leidigen UeSergriffe bleibt ein sehenswerter 
Bildbericht aus dem merkwürdigen Dasein der Landstraßenprole- 
tarier. Daß ihm mitunter ein kräftiger Schuß von Wandervogel 
poesie beigemengt ist, wird auf dasselbe unklare Wollen, der Her 
steller zurückzuführen sein, das auch ihre Tendenz verunreinigt. 
Unnötig wäre gewesen, zu der Reportage noch den Reporter hin- 
zuzufügen, der sie Veranstalter: eine wahre Windsbraut von Re 
porter, der im Auto und Wettermantel angerast kommt, seine 
Beute hurtig ab- und ausschlachtet, und die bekränzten Opfer ohne 
jeden Verzug den Rotationsmaschinen zum Fraß vorwirst Nicht 
genug damit, erfahren die Zuschauer auch noch den Namen der 
Zeitung, in der die Ergebnisse dieser fixen Expedition erscheinen. 
Ihn preiszugeben, ist um so überflüssiger, als er sich aus dem 
Tempo des Reporters unschwer erraten läßt. 
Der Regisseur Fritz Weiß, ein neuer Mann, hat von den 
Russen gelernt, Typen zu verwerten und den Landschaftsraum zu 
bannen. Unstreitig eine Begabung, die eigene optische Einfälle hat, 
wenn sie auch noch ungleichmäßig in der Montage ist. HaupDar- 
steller: der junge, etwas Zu stark gesüßte Walter E d ^ der 
mit blitzenden Zähnen die Freude am Schweifen verkörpert.
	        

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